Der Unternehmer-Mythos. Joachim Gerlach

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Der Unternehmer-Mythos - Joachim Gerlach

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      Vom Unternehmer-

      Mythos

oder

      Eine ökonomische Streit- und Denkschrift

      von

      Gert Holstein

      Vom gleichen Autor als ebook vorliegend

      „Geschichten aus einem anderen Land“

      „Aufschwung-Ost - die neue Arbeitswelt“

      „Maidan – Am Vorabend der Apokalypse“

      Impressum

      Vom Unternehmermythos

      Gert Holstein

      Copyright: © 2016 Joachim Gerlach published by: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de

      ISBN 978-3-7375-8806-5

      I - Einstieg

      Die belehrende Antwort auf meine letzte Zuschrift an die Redaktion der hiesigen Regionalzeitung erfolgte prompt. Purer Neid spräche aus meine Zeilen, so der Antworttext eines empörten Lesers. Bedenken solle man, welch ungeheurer Enthusiasmus dem Unternehmertum zugrunde liegt, welch unerhörte Risiken die Unternehmer auf sich luden, von ihrer enormen Verantwortung für Mensch und Technik ganz zu schweigen. Da sei es doch wohl aller Ehren wert, wenn diese gesegnete Gattung Mensch auch entsprechend für ihre Mühen entlohnt wird und der edlen Früchte zahlreiche erntet. Meine kleine Auslassung bezog sich auf Mark Zuckerberg, ob dessen nobler karitativer Spende in vielfacher Milliardengröße kurz vor dem Heiligabend des Jahres 2015 in allen Medien Lobpreisungen erschallten. Ich warf die Frage auf, wie es denn sein kann, dass ein gerade einmal zehn Jahre im Erwerbsprozess stehender Mensch aus dieser Erwerbsarbeit ein solches Vermögen anhäufen kann, welches ihm erlaubt, Milliarden über Milliarden davon wieder von sich zu werfen.

      Doch schauen wir uns die märchenhafte zuckerbergsche Reichtumsmehrung etwas genauer an: Das Durchschnittseinkommen eines Beschäftigten in den USA beträgt pro Jahr rund 50.000 US-Dollar, aus einer zehnjährigen Durchschnittsbeschäftigung erwachsen mithin eine halbe Million Dollar. Wer gleich mir die menschliche Arbeit als alleinigen Quell allen irdischen Reichtums anerkennt, sucht mit mir nach den Faktoren, welche das Arbeitseinkommen von in Relation ein paar wenigen gegenüber den allermeisten übrigen Arbeitseinkommen nicht nur verzehn-, oder verzig- sondern sogar verhundertfachen. Wie also entstehen aus der Arbeitstätigkeit des Mark Zuckerberg in zehn Arbeitsjahren mehr als 50 Milliarden US-Dollar?

      Extreme Arbeitsleistung nach Zeiteinheiten kann dafür nicht die Ursache sein, denn der Tag hat nur 24 Stunden, das Jahr nur 365 Tage. Besondere Genialität wohl auch nicht. Wäre dies zumindest prinzipiell der Fall, hätten Geistesgrößen wie Einstein, Heisenberg und wie sie alle heißen mögen zumindest Millionäre gewesen sein müssen, was sie aber bekanntlich nicht waren. Und besonders genial war Zuckerbergs Idee von der Schaffung seiner Internet-Kommunikations-Plattform wohl auch nicht, sieht man vom unternehmerischen Instinkt ab, damit Geld zu verdienen. Die technischen Voraussetzungen dafür lagen längst vor, hierfür bedurfte es keiner weiteren schier übermenschlichen Kreativität. Was er tat, war im übertragenen Sinne nichts anderes, als das eigentliche technische Innovat „Benzinmotor“ auf Räder zu montieren.

      Ich gestehe, Zuckerberg ist ein schlechtes Beispiel, da ihm weltweit Millionen seiner Jünger mit ihrer Darstellungs- und Mitteilungssucht das Geld geradezu schaufelweise in den Rachen werfen. Darin gleicht er Supermodels, Spitzenprofisportlern und Unterhaltungskünstlern der Extra-Klasse. Und trotzdem: Ohne die weltweit etwa 10.000 Beschäftigten seines Unternehmens wäre er mit seiner Idee wohl nicht einmal in der Lage gewesen, pro Jahr den oben benannten us-amerikanischen Durchschnitt zu realisieren.

      Nicht anders beim nahezu gottgleich verehrten „Apple“-Begründer Steve Jobs.

      Um es an dieser Stelle schon einmal vorwegzunehmen und denen den Wind aus den Segeln zu nehmen, welche da sogleich unterstellen, ich argumentierte hier aus reinem „Sozialneid“: Dem ist nicht so. (Wobei freilich genau an dieser Stelle die durchaus berechtigte Frage aufzuwerfen wäre: Ist der immer wieder - paradoxerweise nicht selten selbst seitens derer, welche eigentlich eher den unterprivilegierten Schichten zuzuordnen sind - zur Zurückwerfung kritischer Argumente ins Feld geführte „Sozialneid“ nicht möglicherweise nur die besondere Form eines sozialen und vor allem ökonomischen Gerechtigkeitssinns?) Ich jedenfalls gehörte nie zu denen, welche sich dazu berufen fühlten, elitär an irgendeiner der Spitzen im sozialen Hierarchiesystem zu stehen. Auch vermied ich es stets, soweit ich dies vermochte jedenfalls, Arbeitsaufgaben der günstigeren Besoldung wegen anzunehmen so diese Aufgaben nicht mit meinen Interessen übereinstimmten. Dies in nicht geringem Maße zum Leidwesen meiner Gattin. Was mich hier zum Schreiben treibt, ist nicht Neid sondern allein das Motiv, den Schleier um den Kult des Unternehmertums, soweit dies in meinen Möglichkeiten steht, zu lüften und dazu beizutragen, den „Unternehmer“ als geheiligten Mythos von dem Thron zu stürzen, auf welchen er nicht hingehört. Nicht so jedenfalls. Es ist mir völlig egal, ob irgendein Zuckerberg oder Jobs oder Mr. Someone-Else sich die Taschen vollstopfen, auch wenn ihre dann prall gefüllten Taschen nur marginal mit ihren tatsächlich erbrachten persönlichen Arbeitsleistungen übereinstimmen sollten. Was mich jedoch wirklich erbost, ist der Umstand, dass nicht wenige der Wirtschaftseliten, egal ob selbst Unternehmer oder „nur“ solche ihrer hochdotierten Handlanger, sich in maßloser Arroganz einbilden, etwas Besonderes zu sein, zu denen zu gehören, welche mit natürlicher Vorausbestimmung gewissermaßen dazu berufen sind, und diejenigen, die - aus welchem Grunde auch immer - nicht zu ihrem hehren Kreis gehören, so zu rupfen, dass es seine Art hat. Ein erlebtes Beispiel soll diese meine Aversion unterstreichen, dies ironischerweise aus tiefster DDR-Vergangenheit.

      In Zeiten von Mangelwirtschaft, was ökonomisch nichts anderes heißt, als dass das Verhältnis von Warenangebot und Geldmenge zuungunsten des Warenangebotes in Schieflage geraden ist, bauen sich im allgemeinen schnell kriminelle Strukturen auf, welche aus der Situation ihren Nutzen ziehen. So geschehen auch im Bezirk Karl-Marx-Stadt Mitte der 1970er. Ein gigantischer Schiebering hatte sich gebildet, angeführt vom Trainer einer in der Mittelklasse spielenden Fußballmannschaft. Es wurde mit allem geschoben, was den Bedarf nicht abdeckte: Lizenzschallplatten, Damenstrümpfe, Badkeramik und –armaturen, Personenkraftwagen. Am lukrativsten liefen die Schiebegeschäfte mit Wohnraum. Einen Wohnungsmarkt im eigentlichen Sinne gab es nicht, sieht man von den Tauschbörsen ab. Die Vergabe von Wohnraum erfolgte neben den staatlichen Agenturen in großem Umfang über die volkseigenen Betriebe. Bedarfslisten bestimmten den Zuweisungstermin. Wer eher Bedarf anmeldete, stand auf der Liste weiter vorn. Die auf der Liste hinten Stehenden warten drei, vier oder gar sechs Jahre. Woraus geschlussfolgert werden kann: die vorderen Listenplätze waren begehrt. Für Geld kriegt man bekanntlich alles, so auch im Sozialismus, es ist ausschließlich eine Frage der Höhe des Betrages. Mit einem Betrag von 3.000 Mark konnte man sich „schwarz“ einen der begehrten vorderen Wohnungsvergabe-Listenplätze „erkaufen“, was die Zuweisung der Wunschwohnung innerhalb eines halben Jahres vorantrieb. Die im Schiebering Schiebenden verdienten sich so allesamt goldenen Nasen bis der Ring mit Karacho aufflog und die Rädelsführer vor Gericht standen. Der Urteilsverkündung wurde aus ideologischen und erzieherischen Gründen in der Bezirkspresse der SED großer Raum zugemessen: eine ganze Seite. Maßgeblich für mich waren damals und sind noch heute die Ausführungen des Hauptbeschuldigten. Ob seines Motivs befragt, äußerte er ohne den Anflug der geringsten Zurückhaltung, dass die Menschen insgesamt gleich dem Prinzip der Fußball-Liga in zwei Hauptgruppen einzuteilen seien, die Gruppe der Cleveren und die der weniger Cleveren. Funktion der erstgenannten Gruppe sei es, die zweitgenannte gehörig zu schröpfen, Tor für Tor, Punkt für Punkt, Mark für Mark. Eine ähnliche Lebensphilosophie entnahm ich vor wenigen Jahren einem Spiegel-Artikel, worin die Berufserlebnisse einer Uni-Absolventin in einer der großen

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