Legenden. Stefan Zweig

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Legenden - Stefan Zweig страница 2

Автор:
Серия:
Издательство:
Legenden - Stefan Zweig

Скачать книгу

du uns gesandt, meines Vaters Schwestersohn, und kaum daß er sich nannte, führte ich ihn hin in meines Vaters Haus. Nur eine Stunde war es, daß wir einer den andern gesehen, und schon brannten unsere Blicke inwendig uns ein und unsere Herzen sehnten sich eines dem andern zu. Und ich lag nachts wach, seiner begehrend – doch siehe, Herr, ich schämte mich meines Blutes nicht, denn wer, wenn nicht du, Herr, hast dies in uns getan, daß jählings das Herz uns aufbricht zum flammenden Dornbusch der Liebe? Von dir, Herr, von dir allein ist es gewollt, daß die Jungfrau sich öffne dem Manne, daß Blick in Blick und Leib zum Leibe stürmig sich dränge. Darum wehrten wir unserem Feuer nicht, sondern tauschten ein Gelöbnis der Verbindung an jenem ersten Tag noch, da Jakob mich, Rahel, sah.

      Mein Vater Laban aber – Herr, du weißt es – war ein harter Mann, hart wie die steinige Erde, die er wundriß mit dem Pfluge, hart wie das Horn seiner Stiere, die er niederbeugte ins Joch. Und als Jakob mich heimzuführen begehrte, wollte er ernstlich erproben, ob jener Mann wäre nach seinem Willen, hart im Dienste und ehern in Geduld. So heischte er von dem Werbenden – Herr, du weißt es –, daß er ihm vorerst sieben Jahre um meinetwillen diene. Meine Seele erbebte, dies lauschend, und abstarb das Blut in Jakobs Wangen, so unendlich lang schien uns Ungeduldigen die Frist. Denn sieben Jahre, Herr, ich weiß es, für dich sind sie bloß ein Tropfen, der niederfällt, ein Wimperschlag kaum deinem ewigen Auge, geht doch wie Rauch die Zeit durch die Himmel deiner Urewigkeit. Doch sieben Jahre, Herr, geruhe es zu bedenken, uns Menschen sind sie ein Zehent des Lebens, denn kaum daß wir die Augen aufschlagen vom Dunkel in dein heiliges Licht, schon schließt sie uns neu die Nacht unseres Todes. Wie ein Strom im Frühling strömt rasch unser Leben, und keine Welle kehrt da nochmals zurück. Sieben Jahre darum, eine Ewigkeit dünkte sie uns Ungeduldigen, nie zu durchmessen, sieben Jahre der Ferne, indes doch ein Leib nahe weilte dem andern und die Lippe verdurstete nach des Geliebtesten Kuß. Aber dennoch, Herr, beugte sich Jakob dem Spruche, dennoch neigte ich mich meines Vaters Geheiß. Und wir faßten unser Herz in die Hände, daß wir es zähmten zu Gehorsam und großer Geduld.

      Herr, aber wie schwer ist dies Gedulden deinen Geschöpfen, denn heiß hast du uns das Herz in den lebendigen Leib getan und tief innen ein wissend Ängsten gepflanzt um die Kürze unserer irdischen Frist. Wir wissen, Herr, nah hängt der Herbst unserem Frühling, und der Sommer unseres Lebens, er währet nicht lange; darum wogt solch ein Ungedulden in unserem irdischen Blut, darum fährt so gierig unsere Hand aus, Geliebtes zu greifen und selbst des Vergänglichen sich eilends zu freuen. Wie sollten wir warten lernen, die wir altern in der Zeit, wie uns gedulden, die wir auslöschen über Nacht, wie sollten wir nicht brennen, an denen Zeit zehrt mit sausender Flamme, nicht eilen, die wir verfolgt sind von tödlichem Schritt! Dennoch aber, Herr, dennoch haben wir uns bezähmt und blieben mächtig wider unser Verlangen. Jeder Tag dauerte tausend Tage unserer Sehnsucht, so liebten wir einander. Und doch, als sie vergangen waren, dünkten die sieben Jahre des Wartens uns nicht mehr denn ein einziger Tag. So habe ich, Herr, auf Jakob gewartet, so hat mich Jakob geliebt.

      Als dann zum siebentenmal das Jahr sich wendete, trat ich freudig vor Laban, meinen Vater, und heischte das Zelt der Vermählung. Doch Laban, mein Vater, sah hinweg über meine Freude, eine Wolke war seine Braue und ein starres Siegel sein Mund. Dann aber befahl er mir, Lea zu holen, meine Schwester. Lea, meine Schwester – Herr, du weißt es –, war die Erstgeborene und zwei Jahre vor mir kommen aus meiner Mutter Schoß. Unschön hattest du das Antlitz ihr gestaltet – so achteten die Männer ihrer nicht, und daß keiner ihrer begehrte, grämte sie sehr. Eben aber um ihres Leidens willen und ihrer Linde war sie mir lieb. Doch da mein Vater mir gebot, sie vor ihn zu führen, und mich auswies vom Zelte, da ahnte mir eilends, er wolle ein Trügliches mit ihr sinnen. So verbarg ich mich nebenan, ihrer Abrede zu lauschen. Mein Vater aber redete so:

      ›Höre, Lea, mein Schwestersohn Jakob ist gekommen und dient sieben Jahre schon, um Rahel zu freien. Doch dies dulde ich nicht um deinetwillen, denn wie ginge es an, daß die Jüngere das Haus vor der Älteren verlasse und die Erstgeborene unbemannt bleibe, den Mägden zum Spott. Wider Gottes Willen, lästerlich und töricht wäre solcher Brauch. Denn an den Anfang der Welt, in die Morgenfrühe der Erde hat der Herr uns gesetzt, daß wir sein Weltall ihm füllten mit Menschen und daß Myriaden einst seien, seinen Namen zu loben. Nicht will er, daß sein Boden brach bleibe und, was er lebend gezeugt, ohne Zeugung hingehe und Frucht. Kein Widder und keine Färse nachten in meinem Stalle, ohne daß sie sich mehrten – wie sollte ich da dulden, daß mein eigen Kind verschlossen bleibe in Schande und Scham. Darum rüste dich, Lea, nimm den bräutlichen Schleier und schließe ihn dicht über deinem Antlitz, daß ich dich zu Jakob führe an Rahels Statt.‹ So sprach mein Vater zu Lea, die ängstlich erbebte und schwieg. Kaum hatte mein Herz solche Trugrede vernommen, so entbrannte es in Zorn wider Laban, meinen Vater, und wider Lea, meine Schwester – verzeihe es, Herr! Aber bedenke, Herr, bedenke doch nur, sieben Jahre hatte jener gedient einzig um meinetwillen, sieben Jahre hatten wir liebend gedarbt eines des andern, und nun sollte die Schwester umfangen, der meiner Seele inniger war denn der eigene Leib? Da stemmte mein Sinn sich störrig auf und ich empörte mich wider meinen Vater, so wie meine Kinder sich empörten wider dich, ihren ewigen Vater, denn auch dies, Herr, hast du in uns getan, daß starr uns der Nacken wächst im Zorn, sobald uns ein Unrecht geschieht. So drängte ich mich heimlich zu Jakob und mahnte ihn flüsternd, er möge sich wahren, daß morgen mein Vater nicht eine andere ihm zulege an meiner Statt. Und damit er kundig sei wider jedweden Trug, lehrte ich ihn ein Zeichen des Erkennens. Dies Zeichen des Erkennens aber war, daß die Braut zu dreien Malen ihm die Stirn küßte, ehe sie eintrat in sein Zelt. Und Jakob verstand mich und merkte das Zeichen.

      Des Abends ließ Laban die bräutlichen Schleier für Lea rüsten. Zwiefach umtat er ihr Antlitz, damit Jakob nicht vorzeit, ehe er ihren Leib erkannt, die Unterschobene erkenne. Mich aber verwies er in den Speicher, daß nicht einer der Diener mich gewahre und den Betrogenen warne. Eine Eule saß dort im Dunkel, und so wie die Stunde wuchs gegen Abend, so wuchs auch der Ingrimm in meinem Herzen, daß ich meinte, ausspringen müsse das Schmerzhafte meiner zuckenden Brust, denn – Herr, du weißt es – ich gönnte meiner Schwester Jakobs Beilager nicht. Und ich biß die Zähne in die Fäuste, als unten der Zimbeln Frohlocken anhub, und Schmerz und Neid zerrissen wie zwei Löwen meine Seele.

      So lag ich versperrt und vergessen und fraß meinen eigenen Zorn, und schon ward es dunkel unter dem Dache, gleich dem Dunkel mir innen, da ging mit einemmal leise die Tür. Und siehe, Lea, meine Schwester, sie war es, die heimlich zu mir schlich vor ihrem bräutlichen Weg. Schon an dem Schritt erkannte ich sie, allein, obzwar ich sie erkannte, wandte ich mich feindlich ab, als erkennete ich sie nicht, denn mein Herz stand starr gegen sie. Milde jedoch nahte mir Lea, zart rührend an mein Haar mit ihren Händen, und als ich aufschaute, gewahrte ich, daß eine Wolke der Angst den Stern ihrer Augen verhüllte. Siehe, Herr – ja, ich gestehe es dir –, in diesem Augenblick frohlockte das Böse in mir. Wohl tat mir ihre Bangigkeit, wohl tat mir ihr Ängsten, und wie Rache letzte dies Fühlen mich, daß auch ihr bitter worden mein eigener bräutlicher Tag. Sie aber, die Unselige, sie ahnete nichts von meiner bösen Freude, hatten wir doch die Milch der Mutter geschwisterlich geteilt und liebten einander ohne Abbruch von Kindheit her. So kam sie vertraulich und umfing meine Schulter. Ihre Lippen aber bebten noch blaß vor Angst, da sie klagte:

      ›Wie soll das werden, Rahel, meine Schwester? Mir ist so weh dessen, was der Vater getan. Dir hat er den Geliebten genommen und mir ihn gegeben – mich aber widert's, den Arglosen zu trügen, denn wie könnte ich aufrechten Hauptes zu ihm gehen, der deiner begehrt, und mich ihm zugesellen? Ich fühle es, mein Schritt will mich nicht tragen und mein Herz redet mir ab, ich habe Angst, Rahel, ich habe Angst, denn wie könnte es sein, daß jener mich nicht erkennete beim ersten Blick? Und Schande, wird sie nicht siebenfach auf mich fallen, wenn er mich unerbrochen jagt aus seinem Haus und Gezelt? Bis ins dritte Geschlecht werden die Kinder dann wider mich spotten: Lea ist dies, die Häßliche, die gierig zu einem Manne lief, damit er sie erkenne, und die er von sich gejagt wie ein räudiges Tier. Was soll ich tun, Rahel, hilf mir, du lieb Geschwister, soll ich es wagen oder soll ich Trotz bieten dem Vater, dessen Hand schwer auf uns hegt? Was soll ich tun, Rahel, damit Jakob nicht vorzeit mich erkenne und nicht Schande auf mich Schuldlose falle? Hilf mir, Schwester Rahel, hilf mir, ich flehe

Скачать книгу