Edgar Allan Poe: Erzählungen. Edgar Allan Poe
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»Da droben steht er wie ein römisch Standbild –
Und wird dort stehn, bis Tod ihn marmorn macht.«
»Kommen Sie«, sagte er endlich und trat an einen kostbaren emaillierten Tisch aus massivem Silber, auf dem ein paar Trinkbecher von seltsamer Farbe neben zwei hohen etruskischen Vasen standen, die dieselbe eigenartige Form hatten wie jene im Vordergrunde des Porträts – und, wie ich annahm, mit Johannisberger gefüllt waren. »Kommen Sie«, sagte er herb, »lassen Sie uns trinken! Es ist früh – doch lassen Sie uns trinken! – Es ist tatsächlich früh«, fuhr er versonnen fort, als ein Engel mit schwerem goldenen Hammer dröhnend die erste Stunde nach Sonnenaufgang kündete. »Es ist tatsächlich früh – doch was tut's? Trinken wir! Bringen wir der großen feierlichen Sonne, die diese bunten Lampen und Räucherbecken so gerne überstrahlen möchte, ein Opfer dar!« Und nachdem er mit mir angestoßen, goß er in rascher Folge mehrere Becher Wein hinunter.
»Träumen«, fuhr er im leichtfertigen Ton oberflächlicher Unterhaltung fort, während er eine der herrlichen Vasen ins helle Licht der Flammenbecken hob, »Träumen war die Beschäftigung meines Lebens. So habe ich mir, wie Sie sehen, diesen Traumpalast errichtet. Hier im Herzen Venedigs! – Hätte ich es besser machen können? Es ist wahr, Sie sehen da um sich her ein großes Stildurcheinander. Die Keuschheit Joniens wird durch vorsintflutliche Sinnbilder beleidigt, und Ägyptens Sphinxe dehnen sich auf goldenen Teppichen. Dennoch können nur Einfältige eine solche Zusammenstellung unangebracht finden. Einheitlichkeit in Ort und vor allem in Zeit, das sind die Popanze, die die Menschen von der Ansammlung des Schönen zurückschrecken. Einst war auch ich ein Freund der ›Symmetrie‹, des ›Dekorativen‹; aber jene verrückte Einseitigkeit erstickte meine Seele. All dieses hier eignet sich besser für meine Zwecke. Gleich den Arabesken an diesen Räucherbecken windet sich meine Seele in Feuer, und die Trunkenheit der ganzen Szenerie macht mich reif für die wilderen Visionen jenes Landes der wahren Träume, in das ich jetzt enteile.« Hier hielt er plötzlich inne, neigte das Haupt auf die Brust und schien auf einen Ton zu lauschen, den ich nicht hören konnte. Dann stand er auf, reckte seine Gestalt und rief mit Blicken, die in Fernen schauten, die Worte des Bischofs von Chichester:
»Erwarte mich, ich werde zu dir finden
Auch in des Schattentales finstern Gründen.«
Im nächsten Augenblick warf er sich, anscheinend vom Wein überwältigt, der Länge nach auf eine Ottomane.
Jetzt hörte ich von der Treppe her hastige Schritte und gleich darauf ein lautes Klopfen an der Tür. Ich eilte hinzu, weil ich einen Störenfried befürchtete, als ein Page aus Mentonis Hause ins Zimmer stürzte und mit schluchzender Stimme in die Worte ausbrach: »Meine Herrin! – Meine Herrin! – Vergiftet! – Vergiftet! O schöne – o schöne Aphrodite!«
Bestürzt flog ich zur Ottomane und versuchte den Schläfer zum Verstehen dieser Schreckensnachricht zu bringen. Aber seine Glieder waren steif – seine Lippen totenbleich –, seine soeben noch strahlenden Augen im Tode erstarrt. Ich schwankte zurück an den Tisch – meine Hand fiel auf einen zersprungenen und schwarz angelaufenen Becher – und die Erkenntnis der ganzen entsetzlichen Wahrheit flammte plötzlich durch meine Seele.
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