WOLLUST ACH - Uwe, der Pennäler. Gerhard Ebert

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in seine Kammer.

      Es begann eine qualvolle Zeit. Manchmal hielt er seine unerfüllte Sehnsucht nach einem völlig unbekannten Mädchen für total übertrieben. Je länger er darüber nachdachte - und das fügte das Schicksal -, desto grotesker schien ihm die Welt eingerichtet. Da lief einem ein Mädchen über den Weg, das zwar, zugegeben, nicht seinem Wunschbild entsprach, das aber ungeahnte, bisher völlig unbekannte Empfindungen in einem auslöste. Warum das? Und dann: Weshalb lief die junge Frau so einfach an einem vorbei? Hieß das, dass er ihr offenbar völlig schnuppe war? Gewiss. Anders konnte es gar nicht sein.

      Obwohl, auch er war ja weitergegangen, anstatt prompt kehrt zu machen, dem Mädchen nachzugehen und ihm einfach zu sagen: "He, hör zu, so plötzlich das auch kommt und so närrisch es sein mag: Du gefällst mir!" Vielleicht hätte sie blöd geguckt, ihn einen Spinner genannt oder so was Ähnliches, und er wäre gedemütigt abgezogen. Aber vielleicht hätte sie auch gesagt: "Oh, Junge, prima, dass du den Mut hast, du gefällst mir auch!" Dann wären sie gemeinsam weitergegangen, und eine große Liebe hätte ihren Lauf genommen. Wenn! Ja, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre!

      2.Liebeskummer

      Sobald Gelegenheit war und Zeit dafür, streifte Uwe auf der Suche nach der großen Unbekannten durch die Straßen seiner Heimatstadt. Erfolglos. Aber: Unerwartete Überraschung, als er faulenzend zu Hause aus dem Fenster guckte.

      Eigentlich war das langweilig, nur so aus dem Fenster zu schauen, aber in der Kleinstadt ein beliebter Brauch. Irgendwie war es eine Abwechslung. Man sah diesen oder jene, die unten auf der Straße lang kamen und die man kannte. Wenn es Nachbarn waren, musste man artig "Guten Tag" sagen. Manche Leute kamen immer wieder zu ganz bestimmter Zeit daher. Nur selten geschah wirklich etwas Außergewöhnliches. Aber diesmal!

      War doch plötzlich ein weibliches Wesen um die nahe Ecke gebogen, das ihm mit seinem wiegenden, lockeren Schritt prompt das Blut pochend durch alle Adern jagte. Das geschah unabwendbar und unfassbar, noch bevor er wirklich genau hatte sehen können, dass es sich tatsächlich um das Fräulein handelte, das ihm nun schon seit Wochen überhaupt nicht wieder aus dem Kopf ging. Von innerer Erregung erfasst, doch irgendwie instinktiv ein bisschen ins Fenster zurückgeduckt, sah er alsbald deutlich: Es war sie! Eindeutig! Ja! Ja! Es war sie! Da schritt sie hin, kam näher.

      In Uwes Kopf wirbelten die Gedanken, überschlugen sich geradezu. Sollte er so ausgesprochen demonstrativ am Fenster bleiben? Sie ging drüben auf dem Fußsteig, musste ihn also nicht unbedingt gesehen haben. Sollte sie aber doch, was durchaus wahrscheinlich war, würde von ihr als eine Reaktion gewertet werden, wenn er jetzt vom Fenster wegging. Sie konnte es als Desinteresse auslegen, auch als Feigheit. Das wollte er vermeiden.

      Gar schnell und also einigermaßen kopflos auf die Straße und zu ihr hinüber zu eilen, verbot sich. Was hätte er sagen sollen? Bestimmt wäre nur irgendetwas Blödes herausgekommen. Ja, wenn er tollkühn wäre, so ein richtiger Casanova wie im Kino! Außerdem, wurde ihm klar, hatte er verschlissene Hausschuhe an, und darin irgendwelche Annäherung zu beginnen, wäre nichts als absurd und lächerlich gewesen. So überstürzten sich seine Gedanken. Und sie schritt dahin unten auf der Straße, schaute nicht einen Moment hoch zu ihm und war vorbei.

      Aussichtslos! Aussichtslos an so eine Frau heranzukommen! Uwe blickte ihr einigermaßen verzweifelt nach, bis sie oben am Ende der Straße um die Ecke bog. Er konnte also nicht einmal feststellen, in welche Haustür sie gehen würde. Das wäre eine Chance gewesen, ihr vielleicht näher zu kommen. Er hätte ausspionieren müssen, ob sie etwa gar dort wohnt, oder wen sie besucht. Jetzt war nur die Möglichkeit zu warten für den Fall, dass sie und ob sie zurückkommt. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Schon schmerzten die Ellenbogen vom Aufstützen auf dem Fensterbrett. Schließlich wurde Mutter ungeduldig. Er ahnte, was sie dachte. Statt ihr bei der Vorbereitung des Abendbrotes ein bisschen zur Hand zu gehen, trödelte er nichtsnutzig herum. Draußen dunkelte es bereits.

      "Was ist?", fragte Mutter plötzlich hinter seinem Rücken. Was sollte sein? Uwe hatte keinen Grund, seinen Kopf noch länger zum Fenster hinaus zu stecken. Jedenfalls keinen, den er Mutter hätte mitteilen können. Also schloss er schweren Herzens das Fenster und half still und in sich gekehrt, den Tisch zu decken. Dass ihm dabei ein Teller herunterfiel, der in viele Stücke zersprang, war für Mutter einmal mehr das Zeichen, dass ihr verträumter Sohn fürs Lebenspraktische offenbar nicht so recht taugte. Und Uwe empfand diese zusätzliche Demütigung vom Schicksal besonders schoflig.

      Lassen sich die menschlichen Geschicke überhaupt zwingen? Uwe bezweifelte das immer heftiger. Warum musste einen eine völlig unbekannte Frau so ganz und gar aus dem Gleichgewicht bringen? Und wenn, dann wäre es doch - schicksalsmäßig gesehen - nur recht und billig, wenn's bei der Frau auch irgendwie einschlägt. Wozu sonst die ganze Aufregung?

      Das stand für Uwe inzwischen fest: Diese kleine Hübsche hatte, als sie unbeschwert die Straße lang ging, auch nicht ein bisschen zu ihm hochgeschaut. Offen war allerdings, auch das stand fest, ob sie ihn nicht vielleicht doch gesehen, es aber bewusst vermieden hatte, es ihm zu zeigen. Und überhaupt! Wieso bildete er sich ein, dass diese ihm völlig unbekannte junge Frau irgendein Auge für ihn haben könnte!? Schließlich war er ihr ja völlig unbekannt!

      Einige Zeit später schien das Schicksal Uwe doch ein ganz klein wenig gewogen. Aber wirklich nur ein klein wenig. Und eigentlich machte es alles nur noch viel komplizierter. Mitten im Einkaufstrubel der Hauptstraße seiner Heimatstadt erblickte er nämlich plötzlich seine heimlich Angebetete. Doch nicht allein! Sie lief munter plaudernd mit einem jungen Mann, den er mit Entsetzen als seinen Freund Günter erkannte. Prompt schlug ihm das Herz gnadenlos bis in den Hals. Was nun?

      Erst einmal heimlich hinterher! Das war das Mindeste. Und sich nicht entdecken lassen. Auch klar. Und während Uwe erst einmal möglichst geschickt wie ein Detektiv hinterherlief, überlegte er fieberhaft, wie er sich überhaupt verhalten sollte. Immerhin gab es zum Beispiel die Möglichkeit, die beiden Bummler einzuholen und Günter betont nebenbei zu begrüßen. Was vielleicht helfen könnte herauszubekommen, ob da gar eine enge Freundschaft im Gange war. Eine Freundschaft? Waren die beiden etwa fest zusammen?

      Schon der Gedanke löste bei Uwe ein Gefühl aus, das er bisher nicht kannte, das ihn aber übermächtig ergriff. Eifersucht! So unmäßige Erregung konnte nur Eifersucht sein. Uwe begriff, dass er in solch unerhörter, unkontrollierbarer Aufgeregtheit unmöglich vor die beiden treten konnte. Er hätte sich auffällig so dämlich benommen, dass Günter wahrscheinlich gefragt hätte, ob ihm etwas fehle. Und die kleine Hübsche hätte wahrscheinlich sogar irgendetwas geahnt und still und vielleicht sogar boshaft in sich hinein geschmunzelt. Nein, solch eine Niederlage durfte er sich nicht zufügen.

      Uwe entschied, die beiden zunächst einmal weiter zu verfolgen. Was nicht so einfach war. Einmal, ganz plötzlich, wäre beinahe alles schief gegangen. Günter drehte sich nämlich überraschend um und kam ihm entgegen. Offenbar hatte er etwas vergessen, war an einem Geschäft vorbeigelaufen, wo er eine Besorgung hatte machen wollen. Und die Kleine lief nicht etwa weiter, sondern machte mit ihm kehrt.

      Zum Glück fand Uwe noch gerade hinter einer Litfaßsäule Deckung. Fast war er jetzt entschlossen, das Versteckspiel zu beenden und aufs Ganze zu gehen. Was sollte schon geschehen, wenn er, den Ahnungslosen spielend, auch in das Porzellangeschäft gehen würde, in dem die beiden eben verschwunden waren? Aber Uwe fand so schnell nicht den Mut. Noch bevor er sich zu dem Schritt durchgerungen hatte, tauchten die beiden wieder auf der Straße auf. Jetzt hakte sie sich auch noch bei ihm ein! Uwe ließ alle Hoffnung fahren. Diesen ersten Fall ernsthaften Interesses für eine Frau musste er wohl ad acta legen. Jedenfalls rein büromäßig gesehen. Ob sich Gefühle allerdings so einfach kommandieren ließen, musste er noch ausfinden

      Schon

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