Nana. Emile Zola

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nana - Emile Zola страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Nana - Emile Zola

Скачать книгу

Niemand kannte Nana. Wo kam denn Nana eigentlich hergeschneit? Allerhand Histörchen kursierten, Späße und Witze wurden von Ohr zu Ohr getuschelt. Es war ein allerliebstes Kosewort, dieser kurze Name, dessen Silbenpaar im Flug jedem Munde vertraut war. Ein Fieber der Neugierde jagte die Menschen, die der leicht auszusprechende Name in kindische Freude versetzte, jene der Pariser Luft eigentümliche Neugierde, die der Heftigkeit eines hitzigen Fieberanfalls gleichkommt. Alle Welt wollte Nana sehen. Einer Dame wurden die Volants ihres Kleides abgerissen, ein Herr verlor seinen Hut.

      »Ah, ich bitte, meine Herrschaften! Sie verlangen wahrhaftig auch zu viel von mir!« rief Bordenave, den etwa zwanzig Menschen mit Fragen und Bitten umlagerten. »Sie sollen sie ja sehen ... Ich mache mich jetzt aus dem Staube; man braucht mich anderwärts.«

      Er verschwand, entzückt darüber, sein Publikum in Flammen gesetzt zu haben. Mignon zuckte mit den Achseln und rief Steiner wiederholt zu, daß Rose auf ihn warte, um ihm das Kostüm zu zeigen, das sie im ersten Akt tragen werde.

      »Sieh doch, da unten steigt Lucy aus dem Wagen«, sagte Faloise zu Fauchery.

      Lucy Stewart war es wirklich, ein kleines, häßliches Frauenzimmer von ungefähr vierzig Jahren, mit einem zu langen Hals, einem mageren, abgelebten Gesicht mit dickem, fleischigem Mund, aber so lebendig und graziös, daß sie noch immer einen hohen Reiz ausübte. Sie brachte Caroline Héquet, eine kalte Schönheit, und deren Mutter, eine sehr würdige Person mit urdummem Gesicht, mit ins Theater.

      »Fauchery, du kommst mit uns, ich habe einen Platz für dich aufgehoben!« wandte sich Lucy an den jungen Mann.

      »Wo denkst du hin? Wohl daß ich nichts sehen soll!« erwiderte dieser. »Ich habe einen Fauteuil belegt, denn ich sitze immer gern dem Orchester so nahe wie möglich.«

      Lucy ärgerte sich. Wagte er es vielleicht nicht, sich an ihrer Seite sehen zu lassen? Dann sprang sie, mit einem Male wieder beruhigt, ohne Übergang auf einen anderen Gegenstand über.

      »Warum«, fragte sie, »hast du mir denn nicht gesagt, daß du Nana kennst?«

      »Ich? Nana? – Ich habe sie im Leben nicht gesehen!«

      »Ganz gewiß? Man hat mir hoch und heilig versichert, du wüßtest in ihrem Schlafzimmer vortrefflich Bescheid.«

      Aber in diesem Augenblick stellte sich Mignon vor sie und bedeutete ihr, indem er den Finger auf die Lippen legte, zu schweigen. Auf einen fragenden Blick Lucys zeigte er auf einen jungen, eben vorübergehenden Mann und flüsterte: »Nanas Liebster!«

      Aller Blicke richteten sich auf ihn. Er war ein hübscher Bursche. Fauchery kannte ihn: Daguenet war es, ein Junggeselle, der mit Weibern dreihunderttausend Franken durchgebracht hatte und jetzt an der Börse spielte, um seinen alten Flammen hier und da einen Blumenstrauß oder ein Diner zu verehren. Lucy fand, daß er schöne Augen habe.

      »Ah, da kommt Blanche!« rief sie aus. »Die hat mir gesagt, daß du Nana so genau kennst.«

      Blanche de Sivry, eine große, fette Blondine, deren hübsches Gesicht dick mit Schminke belegt war, kam in Gesellschaft eines schmächtigen, mit großer Sorgfalt gekleideten Mannes von sehr distinguiertem Aussehen.

      »Der Graf Xavier von Vandeuvres«, flüsterte Fauchery seinem Vetter ins Ohr.

      Der Graf tauschte einen Händedruck mit dem Journalisten, während sich zwischen Blanche und Lucy eine lebhafte Auseinandersetzung entspann. Sie nahmen den ganzen Gang ein mit ihren bauschigen, dicht mit Volants besetzten Kleidern; die eine ging in Blau, die andere in Rosa; und der Name Nana kam so oft über ihre Lippen, daß jedermann ihnen zuhörte. Der Graf von Vandeuvres führte Blanche beiseite. Aber jetzt erklang der Ruf »Nana« an allen vier Ecken des Vestibüls. Fing man denn noch immer nicht an? Die Männer zogen ihre Uhr aus der Tasche; Verspätete sprangen aus ihren Wagen heraus, noch ehe die Kutscher angehalten hatten; Gruppen verließen den Gehsteig, auf dem Spaziergänger langsam durch die leergebliebene Gaslichtfläche schritten, den Hals weit vorreckend, um einen Blick in das Theater zu werfen. Ein Gassenjunge, ein Liedchen pfeifend, pflanzte sich vor eins der Plakate und schrie, indem er weiterschlurfte, mit heiserer Schnapsstimme: »Nana! Ohe, Nana!«

      Über dem tosenden Lärm erschallte jetzt die gellende Zwischenaktsklingel. Ein Stimmengewirr pflanzte sich fort bis auf den Boulevard. »Es hat geklingelt! Es hat geklingelt!« Und jetzt folgte ein Drängen und Schieben und Stoßen, ein jeder wollte zuerst hinein. Mignon, der sichtlich unruhig geworden war, bemächtigte sich endlich Steiners, der sich Roses Kostüm nicht angeschaut hatte. Beim ersten Erklingen der Glocke hatte sich Faloise, Fauchery mit sich schleppend, den Weg durch die Menge gebahnt, um ja nicht den Beginn zu verpassen. Diese ungestüme Hast des Publikums irritierte Lucy Stewart.

      »Die Leute tun gerade, als ob man hier immer nur besondere Stücke zu sehen bekäme!« meinte sie, während sie die Treppe hinaufstieg.

      Im Saal schauten sich Fauchery und Faloise von neuem um. Die beiden Vettern suchten Gesichter von Bekannten. Mignon und Steiner standen beisammen in einer Parterreloge, mit den Fäusten auf den Samt der Brüstung gestützt. Blanche de Sivry schien für sich allein die Proszeniumsloge im Parterre belegt zu haben. Aber Faloise betrachtete vornehmlich Daguenet, der in der zweiten Reihe vor ihm einen Parkettsitz innehatte. Neben ihm saß ein blutjunger Mensch von höchstens siebzehn Jahren, der aussah, als sei er eben dem Gymnasium entlaufen, und riß seine schönen Cherubaugen weit auf. Fauchery lächelte, während er ihn betrachtete.

      »Wer ist denn die Dame in der Balkonloge«, fragte plötzlich Faloise, »neben der ein junges Mädchen im blauen Kleid Platz genommen hat?«

      Er zeigte auf eine korpulente, prall in ihr Korsett gezwängte Dame; das Haar war verfärbt, der Teint vergilbt, und das runde, verschminkte Gesicht quoll auf unter einem wahren Regen von kleinen Löckchen.

      »Das ist Gaga«, gab Fauchery zur Antwort.

      Und als er bemerkte, daß dieser Name seinen Vetter aufhorchen ließ, fügte er hinzu:

      »Du kennst Gaga nicht? Während der ersten Regierungsjahre Louis Philippes hat sie die Herzen aller Männer berauscht. Jetzt schleppt sie ihre Tochter überall mit sich umher.«

      Faloise hatte keinen Blick für das junge Mädchen. Der Anblick Gagas regte ihn auf; seine Blicke verließen sie nicht mehr. Er fand, daß sie noch vortrefflich aussehe, wagte es aber nicht zu sagen.

      Fauchery zeigte seinem wißbegierigen Vetter die Logen der Journalisten, nannte ihm die dramatischen Kritiker, einen dürren Herrn mit vertrocknetem Gesicht und schmalen, hämisch aufgeworfenen Lippen, einen anderen, dick und behäbig, mit einem wahren Kleinkindergesicht, der sich auf die Schulter seiner Nachbarin stützte, einer harmlosen Unschuld, die er mit väterlichem, liebevollem Blick hütete.

      Aber er unterbrach seine Rede, als er Faloise mit Leuten Grüße wechseln sah, die eine Loge ihnen gegenüber innehatten. Er schien erstaunt zu sein.

      »Wie«, rief er überrascht, »du kennst den Grafen Muffat de Beuville?«

      »Oh, schon seit langer Zeit!« versetzte Hector. »Die Muffat haben ein Besitztum neben dem unsrigen. Ich verkehre oft bei ihnen ... Der Graf sitzt dort mit seiner Frau und seinem Schwiegervater, dem Marquis de Chouard.«

      Aus Eitelkeit, glückselig ob des Erstaunens, welches sein Vetter bezeigte, erging er sich nun in Einzelheiten: Der Marquis war Staatsrat, der Graf dagegen war soeben zum Kammerherrn der Kaiserin ernannt worden. Fauchery, der nach seinem Opernglase gegriffen hatte, betrachtete die Gräfin, eine volle Brünette mit weißer Haut und schönen schwarzen Augen.

Скачать книгу