Pflanzenbrauch im Jahreslauf. Coco Burckhardt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Pflanzenbrauch im Jahreslauf - Coco Burckhardt страница 3
Nun noch ein paar erklärende Worte zum Inhalt und Aufbau des Buches.
In ganz Europa, zeitweise bis in die Türkei hinein, war die keltische Kultur verbreitet. Eine Kultur, dessen Erbe uns leider nur noch als Flickenteppich aus römisch/griechischen Schriften, frühen Dokumenten christlicher Mönche Irlands und der Britischen Inseln, aus alten Kinderliedern und Bräuchen und dem Marienkult überliefert ist. Es war die letzte Kultur unserer Breiten, die noch ein enges, vertrautes Verhältnis zur Natur hatte. Sie wurde vom Christentum abgelöst, einer Wüstenreligion, die den Himmel und nicht die Erde verehrte. In der Wüste ist Mutter Erde nicht freigiebig, üppig, grün und lebensspendend wie in unseren Breiten.* Damit die neue Religion Fuß fassen konnte, setzte man unter anderem die wichtigsten Ereignisse des Kirchenjahres auf die bereits bestehenden Feiertage der alten Religion, wobei vier der Hochfeiertage, die sogenannten Kreuzvierteltage, die zuvor an den Vollmonden des jeweiligen Monats stattfanden, nun auf ein bestimmtes Datum festgelegt wurden.** Es verwundert nun kaum, dass mit der Übernahme der Feiertage auch viele Bräuche vollständig oder in leicht abgeänderter Form übernommen wurden.
Altes und Neues möchte ich in diesem Buch vereinen. Daher beschreibe und erläutere ich die Hintergründe der Jahreszeitfeste aus der Tradition der »alten keltischen« und »neuen christlichen« Religion heraus, wobei ich mich bei der Definition und dem Beginn der Jahreszeiten an den keltischen Überlieferungen orientiere und nicht an unserem heutigen Kalender oder der heutigen Definition.
Vieles, was an der jüdisch-christlichen Glaubenswelt etwas befremdet, kann durch die keltische verstanden werden. Den Festtagserläuterungen folgen dazu gehörige tradierte Pflanzenbräuche*** und solche ohne Tradition – es sind neue, von mir erdachte, in meinem Verständnis in die Zeit passende. Manche der »neuen« sind nur an die Jahreszeiten und nicht an den Festtag gebunden, und ein kleiner Teil speziell für den (Wald-)Kindergarten gedacht.
Neben tradierten Kultspeisen, stelle ich noch ein paar weitere Kochrezepte vor. Bei den süßen Speisen steht das Wort »Zucker« als Synonym für Süßungsmittel. Gesündere Alternativen zur raffinierten Zuckerrübe und Zuckerrohr wären beispielsweise Honig, Rohrohrzucker oder Agavendicksaft.
Für jeden Feiertag gibt es eine Geschichte, die von den alten Göttern oder von der Entstehung der Bräuche erzählt. Auch das Geschichtenerzählen ist eine alte Tradition, die es gilt, ähnlich den Pflanzenbräuchen, wiederzubeleben. Außerdem hilft sie uns, nicht nur kognitiv, sondern emotional zu verstehen, zu lernen und auf liebevolle, verspielte Art zu verinnerlichen.
Jede Jahreszeit hat zusätzlich einen Themenschwerpunkt – im Winter das Räuchern und die Rauhnächte, im Frühling die Wildkräuterküche, im Sommer die Heilpflanzenverarbeitung und im Herbst Pflanzentinten. Diese Schwerpunkte sind ausführlich skizziert, aber nur skizziert und daher lückenhaft. Wenn ihr die einzelnen Themen vertiefen wollt, findet ihr im Anhang dazu Literaturempfehlungen.
Jede Jahreszeit beherbergt auch vier ausführliche Pflanzenportraits. Es sind Pflanzen, die mir viel bedeuten, sie sind teils vergessen oder verkannt und sie sollen Lust auf eine intensive Freundschaft mit »Floras Kindern« machen.
Floras Freundschaft und das Erleben der Jahreszeiten und das Eingebundensein in ihnen können die Basis sein für eine Rückkehr zu einem besseren, bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit Mutter Erde und all ihren Geschöpfen.
In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen und beim Feiern!
*Nach Untersuchung der IPBES (ein unabhängiges internationales Beratungsgremium aus Experten) werden bis Mitte des Jahrhunderts 1 Mio. größere und bekanntere Pflanzen- und Tierarten aussterben; laut dem Weltklimarat ist der Temperaturanstieg von 1,5 Grad (im Vergleich zum Jahr 1900) in 10 Jahren erreicht; das vorhandene Grund- und Trinkwasser wird in vielen Regionen Deutschlands durch Nitratverseuchung aus der Überdüngung unbrauchbar gemacht; schon jetzt findet sogar innerhalb Europas eine Klimamigration z.B. von Süd- nach Nordfrankreich statt.
*Zahlenspiele zur Veranschaulichung: 2020 betrug die Stromverbrauch der Server- und Rechenzentren in Deutschland 10 Milliarden KWh, das entspricht dem Strombedarf von 2.800.000 Haushalten mit 5 Personen. Die Informations- und Kommunikationstechnik macht 3,7 % aller Treibhausgasemmissionen aus, das sind doppelt soviel wie der gesamte zivile Luftverkehr.
*Diese Tatsache gilt unter Theologen und Religionswissenschaftlern als einer der Hauptursachen für das gestörte Verhältnis zur Natur, das sich in unseren Breiten entwickelt hat.
**Es ist zu vermuten, dass dies auch ein »Bekehrungsstreich« war, um das zyklische Erleben der naturreligiösen Heiden zu unterbinden.
***Die Vielzahl an Bräuchen und Ritualen zu den Jahreskreisfesten bzw. christlichen Hochfeiertagen weisen noch stark naturreligiöse Züge auf, dieses Buch beschränkt sich allerdings auf die noch verbliebenen Pflanzenbräuche.
Keltischer Jahreskreis
Die keltischen Götter hatten sehr komplexe Charakter, mal Held, mal Gott. Je nach Mythos und Region standen unterschiedliche Eigenschaften im Vordergrund. In diesem Buch habe ich sie bewusst vereinfacht dargestellt, reduziert auf ihre Aufgaben als Natur-und Vegetationsgottheiten.
Der keltische Jahreskreis begann mit dem Ende, mit dem Novembervollmond. Das Licht der Sonne wurde von den Wintergöttern Samhain und Morrigan unter die Erde geholt, dort sollte es ruhen, neue Kraft schöpfen. Doch damit war auch das Ende aller Vegetation auf der Erde verbunden. Nur durch die immergrünen Pflanzen konnten Mensch und Tier die Hoffnung bewahren, dass das Leben zurückkehren würde. Der Höhepunkt der winterlichen Regentschaft war die Wintersonnwende, der Tag, an dem das Sonnenkind von neuem geboren wurde.
Die Wintergötter wurden zum Februarvollmond von der holden Birkenfee Brigit und ihrem Gefährten dem Bären abgelöst. Gemeinsam weckten sie die Natur, schenkten ihr neue Kraft und standen zur Frühlings-Tagundnachtgleiche in ihrer ganzen Kraft.
Der Maivollmond stellte den nächsten Wendepunkt im Jahreskreis dar. Ab diesem Zeitpunkt hüteten Belisama, die Blumenmaid, und Belenos, ihr Geliebter, die Natur. Sie schenkte den Blüten ihre Farben und Gerüche und er, der lichtbringende Sonnengott, schenkte Kraft und Wärme, auf dass alles noch mehr leuchtete und duftete. Ihr Hochfest, ihre Hochzeit war die Sommersonnwende, der Tag, an dem die Sonne kaum unterzugehen scheint.
Zum Vollmond im August wurden die beiden Liebenden von Lugus und Anona abgelöst, dem feurigen Sonnengott und der gütigen Kornmutter. Sie ließen Natur und Menschen reifen. Sie standen für die Vervollkommnung, für den Abschluss des vollbrachten Jahreskreises. An ihrem hohen Fest, der Herbst-Tagundnachtgleiche, begann das Licht sich wieder zurückzuziehen und überließ der Dunkelheit die Zeit.
An all diesen Festtagen, denen der Sonne (den Sonnwenden und den Tagundnachtgleichen) und denen des Mondes* (im November, Februar, Mai und August, den sogenannten Kreuzvierteltagen) schwand die Grenze zwischen der irdischen und der Anderswelt, der