Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt. Fritz Krafft

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Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt - Fritz Krafft marixwissen

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Antike über die Natur tradiert und aus den seit der Karolingischen Renaissance des ausgehenden 8. Jahrhunderts zugänglichen Kompendien des Boethius über die Disziplinen der mathematischen Künste des Quadriviums entnommen worden waren, hinausgehendes Wissen zu erlangen. Das war angeregt durch die Universalienfrage, ob Allgemeinbegriffe (Ideen) tatsächlich existieren (Realismus) oder bloße vom Menschen erfundene Begriffe und ›Namen‹ sind, dem allein existierenden Einzelding nur beigegeben (Nominalismus), woraufhin sich das Interesse wieder mehr den individuellen materiellen Dingen zuwandte. Adelard von Bath reiste daraufhin an die Orte der Quellen, Salerno (Medizinschule), Sizilien und Syrien, und wurde durch seine lateinischen Übersetzungen und die Kenntnisse der Muslime verarbeitenden Schriften zum ersten gezielten Vermittler griechisch-arabischer Wissenschaft an das christliche Abendland, was dann insbesondere auf Sizilien und in Spanien, wo die beiden Kulturen aufeinander trafen, eine rege Übersetzertätigkeit auslöste. Daraufhin wurden im Laufe des 12. Jahrhunderts die meisten der arabisch sprechenden Gelehrtenwelt bekannten griechischen und die wichtigsten arabischen Werke in lateinischen Übersetzungen zugänglich, bis um 1250 dann sogar die arabische Kommentarliteratur zu Aristoteles und anderen wichtigen Autoren. So wurde in kurzer Zeit dem am von Boethius allein ins Lateinische übersetzten ›Organon‹ des Aristoteles logisch-wissenschaftstheoretisch geschulten christlich-lateinischen Abendland eine gewaltige Fülle mathematisch-naturwissenschaftlichen Wissens, das sich über anderthalb Jahrtausende angesammelt hatte, mit einem Schlage bekannt – das jetzt natürlich in die christlichen Glaubensvorstellungen zu integrieren war; und das machte ähnliche Schwierigkeiten, wie sie den muslimischen Gelehrten von den Wächtern der Theologie entgegengebracht worden war. – Weniger Schwierigkeiten, Vernunft und Glauben zu vereinen, hatten dagegen die mehr augus­tinisch-neuplatonisch ausgerichteten Gelehrten, deren ›Physik‹ noch an dem seit der Antike lateinisch zugänglichen ›Timaios‹ Platons ausgerichtet war und die somit einerseits Mathematik in die erklärende Physik einbeziehen, andererseits aber auch im Sinne des Aristoteles zwischen den Aussagefähigkeiten der ›Physik‹ und ›Mathematik‹ unterscheiden konnten. Prädestiniert für eine Vernunft (Naturwissen) und Glauben verbindende Sehweise erwies sich daraufhin die Optik als Ausdruck neuplatonischer Lichtmetaphysik, galt doch seit Augustinus und anderen Neuplatonikern das Licht als Analogon einerseits der göttlichen Gnade und andererseits der Erleuchtung des menschlichen Gei­stes durch die göttliche Wahrheit. Einer der einflussreichsten Vertreter einer solchen Lichtmetaphysik war Robert Grosseteste.

      Grosseteste wurde wahrscheinlich in Lincoln unterrichtet, studierte dann Philosophie, Mathematik und Medizin in Oxford, wo er 1198 im Hause des Bischofs von Hereford wohnte. Spätestens seit 1209 lehrte er auch an der Universität Oxford, deren ›Kanzler‹ er 1215–1221 war, nachdem er die theologische Magi­sterprüfung (wahrscheinlich in Paris) abgelegt hatte. Ihm wurden zwar in der Folgezeit mehrere kirchliche Ämter übertragen, doch blieb er seiner Universität als Lehrer treu und wurde 1229/30 zusätzlich ›lector‹ der Theologie für die Franziskaner, die 1224 in Oxford eine der Universität angeschlossene Ordensschule gegründet hatten. Der Einfluss, den Grossetestes auf die Ausbildung der englischen Franziskaner, die er auf gründliche Studien der Mathematik und Naturwissenschaften ausdehnte, ausübte, hielt auch an, als er 1235 Bischof von Lincoln wurde und deshalb Oxford verließ; denn dieses unterstand wie die Universität seinem Bischofsstuhl. Zu einem großen Teil verdankte die Universität ihr Emporkommen und den guten Ruf im Mittelalter der umsichtigen Tätigkeit Grossetestes als Kanzler und Bischof.

      Die Erneuerung naturwissenschaftlicher Studien im lateinischen Mittelalter ging im wesentlichen von England aus, und Grosseteste, der Lehrer von Roger Bacon, war einer ihrer Prot­a­gonisten. Er wirkte nicht nur als Übersetzer von Schriften des Aristoteles und anderer griechischer Autoren unter Umgehung, wenn auch nicht in Unkenntnis der arabischen Tradition – 1230 hatte er eigens dazu mit dem Studium der griechischen Sprache begonnen – und als Kommentator theologischer und naturwissenschaftlicher Werke der Antike, sondern auch durch eine Reihe selbständiger naturwissenschaftlich-philosophischer Werke. Hierin stellte er seine kosmologisch-physikalischen Theorien dar und erprobte seine wissenschaftliche Methode hauptsächlich an optischen und astronomischen Problemen. Die Methode hatte er im Anschluss an Aristoteles innerhalb eines Kommentares zu dessen Wissenschaftstheorie, den ›Analytica posteriora‹, ent­wickelt. Sie stellt die erste systematische Theorie einer Experimentalwissenschaft (im Sinne von Erfahrungswissenschaft) dar und wurde von Roger Bacon weiter ausgebaut. Zugrunde liegt ihr die aristotelische Unterscheidung zwischen der Erkenntnis einer Sache (›demonstratio quia‹, ›demonstratio a posteriori‹) und der Erkenntnis der Gründe für eine Sache (›demonstratio propter quid‹, ›demonstratio a priori‹). Drei wesentliche Aspekte kommen dabei zum Tragen, der induktive (im weiteren Sinne wie bei Aristoteles), der experimentelle (ohne dass diesem bereits das Vertrauen des 17. Jahrhunderts entgegengebracht würde, häufig dagegen ›experimentum‹ noch bloße Erfahrung meinte) und der mathematische (Einfluss Platons). Aufgabe der Induktion sei es, aus der bestimmten, sinnlich wahrnehmbaren Wirkung durch einen aufsteigenden Abstraktionsprozess die Ursachen zu entdecken, um dann deduktiv aus diesen Ursachen wieder die Wirkungen abzuleiten. Er nannte die beiden Abschnitte ›resolutio‹ (griechisch ›analysis‹) und ›compositio‹ (›synthesis‹). In der ›resolutio‹ werden die aufbauenden Prinzipien oder Elemente, die ein Phänomen zu bestimmen scheinen, nach Ähnlichkeit und Verschiedenheit aussortiert und klassifiziert. Daraus ergibt sich eine erste, ›nominelle‹ Definition. Aus einer Sammlung von Beispielen für das untersuchte Phänomen werden allen gemeinsame Eigenschaften ausgesondert; was die Beobachtung empirisch als Beziehung erfasst hatte, wird so als ›gemeinsame Formel‹ bestätigt, und zwischen häufig zusammen auftretenden Eigenschaften werden Kausalbeziehungen vermutet. Die ›compositio‹ ordnet dann das gewonnene Material so um, dass die Beziehung vom Allgemeinen zum Besonderen die der Ursache zur Wirkung wird. Wie für Aristoteles bleibt so auch für Grosseteste die Möglichkeit bestehen, durch Intuition ein Grundprinzip wiederholt beobachteter Erfahrungen zu erkennen. Zwischen falschen und richtigen Theorien entscheiden dann speziell angeordnete Experimente oder – wo dies nicht möglich ist – eine ›reductio ad absurdum‹ beziehungsweise analoge Beobachtungen (Experimente) und eine Ableitung der Phänomene aus den intuitiv gewonnenen Prinzipien. Als Voraussetzung für die Erkennbarkeit des auszusondernden Falschen gilt für Grosseteste die als Prinzip der göttlichen Schöpfung postulierte Uniformität der Natur und ein Ökonomieprinzip. – Trotz aller Methode sei aber die Strenge eines mathematischen Beweises in der Naturwissenschaft nicht erreichbar, ihre Aussagen blieben stets von minderer Sicherheit – selbst wenn sie sich mathematischer Begriffe bediene. Aus deren Anwendbarkeit – allerdings nur auf die Beschreibung der Wirkungen – ergebe sich somit zwar der Grad der Sicherheit, doch seien mathematische und physikalische Voraussetzungen für die Theorie gleich wichtig.

      Es handelt sich also um eine Methode, die ausgehend von Aristoteles als Theorie gerade wieder das 17. Jahrhundert be­herrschen sollte (scheinbar neu entwickelt von Francis Bacon und Galileo Galilei). Alle Diskussionen über die Methode setzen jedoch eine Naturphilosophie, eine Vorstellung von dem, was Ursachen und Prinzipien sind, und von deren Wirkungen

       voraus; und diese war bei Grosseteste noch die des Aristoteles. Folglich unterscheiden sich auch die ›experimentellen‹ Ergebnisse der Theoretiker des 13. Jahrhunderts von denen der des 17. Jahrhunderts grundlegend. Aber die ›Physik‹ des Grosse­teste wird so notwendig zum Versuch einer Synthese jener des Aristoteles und jener Platons (des Neuplatonismus), und es ist verständlich, dass in diesem Rahmen die geometrische Optik eine große Rolle spielt und Grosseteste versucht, im Anschluss an neuplatonische Ideen in dem Objekt dieser mathematischen Wissenschaft, im korpuskular aufgefassten Licht, das materielle und dynamische Grundprinzip der sinnlichen und übersinnlichen Welt zu sehen.

      Das Licht, ›lux‹ als ›prima materia‹ und ›prima forma‹ im ari­stotelischen Sinne, selbsterzeugend und selbstvermehrend mit instantaner kugelförmiger Ausbreitung, sei die erste körperliche Form (›corporeitas‹), und auch der Raum sei erst eine Funktion des Lichtes und seiner Wirkungsgesetze. (Ähnliches sollte sehr viel später Albert Einstein von der Gravitation annehmen.) So entstünden aus dem Urlicht nicht nur die wahrnehmbaren Arten des Lichtes (›lumen‹, Farben und anderes), sondern auch die Trägerkörper, und somit der

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