Compliance-Handbuch Kartellrecht. Jörg-Martin Schultze

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Compliance-Handbuch Kartellrecht - Jörg-Martin Schultze Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch

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in der Umsetzung dieser Vorgaben grobe Fehler, weil die Voraussetzungen der Vertikal-GVO missverstanden oder ignoriert werden. So wird z.B. ein aktives Weiterverkaufsverbot ausgesprochen, obgleich es innerhalb der EU überhaupt keine oder keine durchgängig exklusiv zugewiesenen Kundengruppen oder Gebiete gibt; oder es wird ein Weiterverkaufsverbot vereinbart, ohne dass in erforderlicher Weise zwischen dem aktiven, d.h. vom Vertreiber selbst veranlassten Verkauf und dem passiven Vertrieb, d.h. der Reaktion auf unveranlasste Kundenanfragen unterschieden wird. Schließlich wird der Händler nicht selten unzulässig verpflichtet, ein für ihn gültiges aktives Weiterverkaufsverbot auch an seine Abnehmer weiterzugeben.214

      Im selektiven Vertrieb muss es dem Händler stets freistehen, innerhalb des Gebiets, für das der selektive Vertrieb gilt, alle Endkunden, ungeachtet ihres Wohnsitzes, zu beliefern. Sowohl die aktive als auch die passive Weiterverkaufsbeschränkung ist innerhalb des Systems damit eine unzulässige Kernbeschränkung. Der Händler muss zudem frei bleiben, Querlieferungen an und Querbezüge von anderen zugelassenen Händlern im System zu tätigen, auch wenn diese in anderen Ländern angesiedelt sind. Ein Weiterverkaufsverbot innerhalb des selektiven Vertriebssystems ist damit auf den Verkauf an nicht zugelassene Händler beschränkt.215

      Angesichts von Bußgeldern nationaler Behörden außerhalb der EU, wie insbesondere der Schweiz,222 ist zudem genau zu prüfen, inwieweit Exportverbote in Nicht-EWR-Länder gegen dortiges nationales Kartellrecht verstoßen und danach ebenfalls bußgeldpflichtig sein können. Ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht ist bei Exportverboten außerhalb des EWR nur dann anzunehmen, wenn diese Exportbeschränkungen Reimporte in den EWR verhindern.

       1.4 Beschränkungen des Internetvertriebs

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      Die unzulässige Beschränkung des Internetvertriebs stellt eine weitere praxisrelevante Kernbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung dar, die von den Behörden, allen voran dem Bundeskartellamt, scharf sanktioniert wird. Unter kommerziellem Blickwinkel steht die (unzulässige) Beschränkung des Internetvertriebs der (unzulässigen) Preisbindung nahe, da beide Verbote aus kaufmännischer Sicht insbesondere vereinbart werden, um eine gewisse Marken- oder Preispflege zu betreiben und einer unerwünschten Verramschung insbesondere von Markenartikeln entgegenzuwirken.

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       1.5 Nicht freigestellte Beschränkungen

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      Im Hinblick auf ihre wettbewerbswidrige Wirkung werden Wettbewerbsverbote als „nicht freigestellte Beschränkungen“ gemäß Art. 5 Vertikal-GVO als weniger schwerwiegend als Kernbeschränkungen angesehen. Enthält eine vertikale Vereinbarung eine solche nicht freigestellte Klausel, ist dies in der Regel nicht bußgeldrelevant, sondern führt „nur“ zur Unwirksamkeit der betroffenen Klausel. Das Schicksal der restlichen Vereinbarung bestimmt sich nach nationalem Recht, in Deutschland also nach § 139 BGB. Im Unternehmensalltag besonders relevant ist insbesondere die Frage nach der Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten und Bezugsverpflichtungen im Vertriebskontext.

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      Nach Art. 5 lit. a der Vertikal-GVO sind vertragliche Wettbewerbsverbote, die einem Händler auferlegt werden, nur dann automatisch vom Kartellverbot ausgenommen, wenn sie für eine Laufzeit von höchstens fünf Jahren vereinbart werden. Wettbewerbsverbote in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit Regelungen zur automatischen Verlängerung gelten als unbefristete Wettbewerbsverbote und sind damit nicht von der Vertikal-GVO freigestellt.227

      Wettbewerbsverbote des Lieferanten in Form von Alleinbelieferungsverpflichtungen unterliegen der zeitlichen Befristung des Art. 5 Vertikal-GVO dagegen nicht. Sofern die Marktanteilsschwellen der Vertikal-GVO nicht überschritten sind, können diese also auch länger vereinbart werden.

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