Wege zur Rechtsgeschichte: Das BGB. Hans-Peter Haferkamp
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4.5.1.2 Versöhnung mit dem BGB? – Die Privatrechtswissenschaft und das Erbe der NS-Zeit
4.5.1.3 Wertungsjurisprudenz II
4.5.2 Die „Naturrechtsrenaissance“ des Bundesgerichtshofes
4.5.3 Vertiefung: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
4.5.4 Verfassungsprivatrecht
4.5.5 Das neue Familienrecht
4.5.6 Herausforderungen durch die Sozialwissenschaften
4.5.7 Verbraucherrecht
4.5.8 Die Schuldrechtsreform 2002
5 100 Jahre Bürgerliches Gesetzbuch
Personenregister
1 Einführung
Dieses Lehrbuch beschäftigt sich mit dem Wissen zum BGB, das selten gelehrt wird. In den dogmatischen Vorlesungen fehlen Grundlagenperspektiven nahezu immer. In den historischen Vorlesungen ist das BGB oft nur ein Nebenthema. Rechtstheorie, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie nehmen das BGB in Vorlesungen meist kaum wahr.
Dieses Buch möchte einerseits das Konzept eines Bürgerlichen Gesetzbuches erklären. Warum hat man ein solches Gesetzbuch verfasst? Und wie wollte man es verfassen, welche Sprache, welchen Aufbau, welche Themengebiete wählte man und warum? Andererseits möchte es der BGB-Dogmatik eine historische Dimension zurückgeben. Im Studium des „geltenden“ Rechts wird Privatrecht überwiegend so behandelt, als wäre es sozusagen gestern in einer Sekunde entstanden. In den Fußnoten der Hausarbeiten werden manchmal Urteile zu Ketten verknüpft, die 100 Jahre Rechtsprechungsgeschichte historisch einebnen. Das stabilisiert juristische Konstruktionen, behindert aber ihr Verständnis. Man versteht die strenge Halterhaftung im Straßenverkehrsgesetz (StVG) besser, wenn man sich klarmacht, dass 1909, bei Inkrafttreten dieses Gesetzes, überwiegend Chauffeure am Steuer der Autos saßen.
Bei näherer Betrachtung verkapseln die Rechtsinstitute, dogmatischen Lösungen, richterlichen Leitentscheidungen, die Jurastudenten heute so lernen, als seien sie gestern plötzlich alle gleichzeitig da gewesen, Geschichte. Vieles, was wir heute dem BGB zuschreiben, hatte da nie drinstehen sollen, war nie geplant gewesen. Der Wandel des BGB und seiner Interpretation reagierte meist nicht einfach auf die ewige Welt juristischer Dogmatik, sondern auf einen Wandel des Kontexts: Neue ökonomische, soziale, technische Probleme, neue politische Ziele, wissenschaftstheoretische Neuausrichtungen, aber auch schlicht andere Juristen veränderten das BGB-Recht. Juristische Dogmatik ist in diesem Sinne immer geschichtlich. Und diese Geschichte zu verstehen ist notwendig, wenn wir die Probleme verstehen wollen, die irgendeine juristische Aussage lösen will. Das kann bedeuten, dass wir Dinge mitschleppen, die eigentlich gar kein Problem mehr finden, das sie lösen sollen. Das kann bedeuten, dass juristische Aussagen scheinbar konstant sind, in Wahrheit aber durch den Wandel der Probleme, die sie lösen, auch ihren Inhalt verändert haben. Das Buch lebt also vom Glauben daran, dass man ein besserer Jurist ist, wenn man Gesetze, Dogmatik und richterliche Urteile auch als Ergebnis historischer Situationen versteht.
Für das BGB stellt sich daher hier nicht nur die Frage, was es wollte, sondern auch, was daraus geworden ist. Wer hat das BGB wie und warum verändert? Das BGB galt im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, während des Nationalsozialismus, in der DDR bis 1976, und es gilt bis heute in der Bundesrepublik. Geht man davon aus, dass ein Gesetzbuch eine Gesellschaft steuert: Wie kann man ein solches Phänomen erklären? Das gleiche Gesetz regelt eine Monarchie, zwei Republiken, eine Diktatur „des Proletariats“ und eine Diktatur Adolf Hitlers? Das BGB wurde geändert, es wurde uminterpretiert, es wurde durch Spezialgesetze an den Rand gedrängt. Und doch ist es nie ganz abgeschafft worden. Was blieb von den Konzepten der Verfasser? Was lernen wir über das Verhältnis des Juristen zu seinem Text? Was können Gesetze und was können sie nicht? Der nachfolgende Text stellt also „große“ Fragen, ohne immer den Anspruch zu erheben, auch sichere Antworten zu liefern. Das Nachdenken darüber anregen will er aber schon.
Die beschränkte Perspektive bitte ich mitzudenken. Das Buch ist, besonders in seinem Abschnitt zum 20. Jahrhundert, keine Privatrechtsgeschichte, sondern nur ein Teilausschnitt, der immer wieder nur danach fragt, welche Rolle das BGB in dieser Geschichte spielte. Neben dieser Leitfrage werden im Kapitel 3 drei präzisierende Perspektiven entwickelt. Es geht um „frei“ und „sozial“, „Wirklichkeit“ und „Wert“, Richterrecht und Gesetzesanwendung und zugleich um die drei hier akzentuierten Akteure: den Gesetzgeber, die Rechtswissenschaft und die Justiz. Das ist der gedankliche Rahmen, der meine Stoffauswahl bestimmt hat.
Das Buch ist für Studierende und Nachwuchsforscher geschrieben und will daran gemessen werden. Das umfasst Zuspitzungen, Verkürzungen und klare Schwerpunktsetzungen. Es ist undenkbar, den gesamten inhaltlichen, dogmatischen und methodischen Wandel, den das BGB erlebt hat, abzubilden. Jedem Spezialisten wird etwas fehlen, viele hätten andere Schwerpunkte gesetzt, einige werden kleine Mängel aus ihren Spezialgebieten aufspießen und sich ärgern, dass sie nicht zitiert werden. Auch eine zu starke Betonung der Entwicklung dogmatischer Einzelfragen hätte die Linienführung zerstört. Meine Schwerpunkte folgen dem, was mich interessiert, was ich für didaktisch wertvoll halte und was ich fachlich beherrsche. Solch ein Buch ist ein persönliches Buch und kann als solches nie den Anspruch haben, allen zu gefallen. Es wurde seit 2003 in Vorlesungen, die ich an der Universität zu Köln halte, vorbereitet: Die Vorlesung „Historische und methodische Grundlagen des BGB“ für das Hauptstudium war der Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Daneben halte ich eine Schwerpunktbereichsvorlesung zur „Privatrechtsgeschichte im 20. Jahrhundert“. Für beide Vorlesungen habe ich nie ein taugliches Lehrbuch gefunden. Daher habe ich dieses geschrieben.
Didaktisch werde ich es folgendermaßen nutzen: Im Buch steht die große Linie, die Vorlesung vertieft, greift heraus, problematisiert. Sie wird daher ein Stück weit von der Stoffvermittlung entlastet und kann das sein, was eine Vorlesung im Idealfall ist: ein Ort zum gemeinsamen Denken und Verstehen. Für die besonders Interessierten kann es so auch ein im juristischen Studium leider sehr seltenes Tor zur Wissenschaft sein. Literaturangaben laden daher zum Vertiefen ein. Hier wird bewusst kaum Ausbildungsliteratur verwendet, sondern anspruchsvolle Forschungsliteratur. Es soll auch ein Buch sein, das bis zu einer Promotion begleiten kann.
Ein Hinweis zur Literaturverwendung: Lehrbücher können und sollten nicht komplett auf eigener Forschung beruhen. Durchweg habe ich mich bemüht, den aktuellen Forschungsstand zu einem Gesamtbild zu verweben. Sehr viele hier vorgestellte Deutungen beruhen daher auf fremden Forschungen. Es entspricht eigentlich wissenschaftlicher Redlichkeit, diese Übernahmen fremder Ergebnisse immer konkret auszuweisen. Dies in einem Lehrbuch zu tun, hätte es mit einem umfangreichen Fußnotenapparat belastet, der die Lesbarkeit für Studierende zu stark beeinträchtigt und das Buch nochmals deutlich dicker gemacht hätte. Ich habe mich daher dazu entschieden, die von mir verwendete Literatur im Anschluss an den Text jeweils en bloc anzuhängen. In Fußnoten nachgewiesen werden nur