Das gefährliche St. Pauli. Walter Brendel
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Für einen erfolgreichen Abend benötigt man eine Menge Geld. Von den Reeperbahnfilialen der Haspa werden durchschnittlich 120 Euro pro Person abgebucht. Freitags von 0 bis 24 Uhr verbuchen die Automaten 70.000-90.000 Euro. Da hilft es schon vorher zu sparen und sich eventuell Freikarten für Diskos im Internet zu erwerben. Wer beim Männerabend sein Glück im Casino oder am Spielautomaten herausfordern möchte, schont seinen Geldbeutel, indem er vorab online Strategien testet – ein Bonuscode hält die Einsätze in den virtuellen Spielewelten gering.
Wertsachen sollte man lieber nicht mitnehmen, da an einem normalen Wochenende auf der Davidwache 120-200 Strafanzeigen eingehen. Pro Woche kommen im Schnitt 80-120 Meldungen wegen Diebstahl zusammen.
Prostitution in Hamburg gehört seit Jahrhunderten zum gesellschaftlichen Leben der Hafenstadt. Die Hurentour präsentiert nun einen interessanten neuen Blick auf das Rotlichtviertel St. Pauli, bei dem dieser wichtige Aspekt der Hansestadt anschaulich näher gebracht wird.
Aufklärung über Prostitution funktioniert hier mal anders: nicht staubig und trocken, sondern lebendig und mit vielen Hintergründen, dabei sachlich-seriös und genau dort, wo die Prostitution allgegenwärtig ist: rund um die Reeperbahn des Hamburger Vergnügungs- und Rotlichtviertels St. Pauli. Die auffällige rot-gelbe Flügelmütze war einst Pflicht für die damaligen Huren.
Die Reeperbahn ist die zentrale Straße im Vergnügungs- und Rotlichtviertel des Hamburger Stadtteils St. Pauli. Sie ist etwa 930 Meter lang und verläuft vom Millerntor in Richtung Westen bis hin zum Nobistor (Hamburg-Altona), wo sie in die Königstraße übergeht. Die große Anzahl an Bars, Nachtclubs und Diskotheken, vor allem aber das auf und um die Reeperbahn konzentrierte Rotlichtmilieu, hat ihr den Spitznamen „die sündigste Meile der Welt“ eingebracht.
Parallel zur Reeperbahn verläuft etwas versteckt im Süden die bekannte Herbertstraße, eine Bordellstraße, die nur zu Fuß und durch zwei Sichtblenden hindurch betreten werden kann.
Die Reeperbahn erhielt ihren Namen von Taumachern und Seilern, den sogenannten Reepschlägern, die für die Herstellung von Schiffstauen eine lange, gerade Bahn benötigen. Dementsprechend gibt es auch in anderen Städten Straßen dieses oder ähnlichen Namens, beispielsweise in Kiel, Elmshorn, Schleswig, Stade, Buxtehude, Bremen (Reepschlägerbahn) oder im dänischen Aalborg. Auf einer Hamburg-Karte von 1791 ist dies nördlich des „Hamburger Bergs“ mit dem Namen „Reepschläger Bahn“ nebst den „Reepschläge-Hütten“ eingetragen.
Der Begriff Reiferbahn ist Hochdeutsch für Reeperbahn, bedeutet also dasselbe, während auf einer Seilerbahn geringwertigere Seile produziert wurden. Daher ist eine Seilerbahn auch nicht länger als etwa 50 m, während eine Reeperbahn mindestens über 300 m Länge verfügt. Die letzte echte auf Hamburger Gebiet verbliebene Reeperbahn ist heute in Hamburg-Hausbruch auf der südlichen Elbseite zu finden. Reifer und Reeper sind vermutlich auf protogermanisch *raipaz zurückzuführen, was auch denselben Vorläufer für englisch rope und niederländisch reep darstellt.
Die Reeperbahn lag bis zur Aufhebung der Hamburger Torsperre 1860/1861 und der sukzessiven Ausdehnung Hamburgs in der Vorstadt Hamburger Berg (alte Bezeichnung St. Paulis) genau zwischen den beiden Städten Hamburg mit der Stadtgrenze Millerntor und Altona mit der Stadtgrenze Nobistor auf Höhe der Einmündung der Großen Freiheit. Menschen und Gewerbe, die in beiden Städten unerwünscht waren, konnten sich so in unmittelbarer Nähe ansiedeln und waren dennoch in das Stadtleben eingebunden. Eine erste Wohnbebauung wurde 1826–1827 nach Entwürfen von Wimmel als kleinteilige Wohnhäuser im Stil einer Hausreihe auf der Nordseite der Reeperbahn zwischen Millerntor und dem Hamburger Berg vorgenommen. Für die in den 1880er Jahren angelegten Querstraßen (Hein Hoyer-Straße, Bremer Straße) wurden später einzelne Häuser abgerissen.
Ein kleiner historischer Fehler ist der, dass die Hamburger Reeperbahn angeblich nicht die eigentliche Bahn der Reeper war, sondern die im Vergleich zur Reeperbahn schnurgerade verlaufende parallele Simon-von-Utrecht-Straße. Zwischen diesen beiden liegt noch heute die Seilerstraße; deren Name ist Programm. Der Begriff „Reeperbahn“ steht also – neben Produktionsstätte für Tauwerk und Straße in Hamburg – heute als Synonym für: „Die sündige Meile“ bzw. ihr näheres Umfeld, meist aber einfach nur liebevoll „der Kiez“ genannt. Beim „Bummel über die Reeperbahn“ beschränkt man sich üblicherweise nicht auf die Straße Reeperbahn allein.
Nachdem die Anzahl der Gewaltdelikte auf St. Pauli kontinuierlich angestiegen war, wurde 2007 ein Waffenverbot für die Reeperbahn und die Seitenstraßen erlassen, Waffen, Messer und andere gefährliche Gegenstände mitzuführen. Die ansässigen Geschäfte wurden aufgefordert, keine Glasflaschen mehr zu verkaufen. Durch das Glasflaschenverbotsgesetz wurde 2009 auch das Mitführen von Glasflaschen und Gläsern in den Wochenendnächten und vor Feiertagen vollständig verboten und kann mit bis zu 5000 € Geldbuße bestraft werden. Gelbe Hinweisschilder grenzen das Gebiet ein. Ein Rückgang der Gewalt ist durch diese Maßnahme allerdings nicht festgestellt worden.
Dass dies die Straße der tollsten Gegensätze ist, dass hier das bürgerliche Restaurant neben der Kaschemme, das elegante Nachtlokal neben dem vulgären Hippodrom steht – das ist nichts Neues und doch immer wieder erregend im Wechsel der Atmosphäre, an dem Ausgleich aller sozialen Gegensätze. Der vollgefressene Gent erregt zwischen Chinesen, Dirnen und Arbeitern nicht ein Blinzeln – im Hippodrom bei dreißig Pfennig der Ritt, ‚Galopp eine Mark‘, fallen alle gleichmäßig vom Gaul, nicht nur die dazu eigens angestellten Mädchen mit endlosen Seidenbeinen; das Primat der Brieftasche ist aufgehoben.
Das soll erst mal als Einleitung genügen. Ich denke, dass die Leser nun wissen, in welcher Umgebung unser Buch nun handelt und was in St. Pauli beheimatet ist.
Kommen wir zu Kehrseite des Vergnügens und beschäftigen uns mit Aufstieg und Handeln der Kiezgrößen.
Rosis Bar
Was man so mitbekommt, in den Kneipen und auf den Straßen zeigt das echte Gauner Milieu und sogar das Verbrechertum in St. Pauli an. Banden, nach Vorbild der italienischen Mafia organisiert, und die dazugehörigen „Paten“ verkörpern die Kehrseite des Kiezes.
St. Pauli entwickelt sich besonders in den Nachkriegsjahren zu einem Sammelbecken für Ausgestoßene, Gestrandete und Glücksritter. Das Rotlicht lockt viele an, die ihrem Schicksal als Hafenarbeiter oder Handlanger entkommen wollen. Einigen gelingt das auch und sie sind bis heute als Milieu-Größen bekannt.
Eine der Größen ist Rosi. Seit 60 Jahren auf dem Kiez. Ihre Kneipe „Rosis Bar“ betreibt sie seit 1970. Rosis Vater sagte: „Bring mir keinen Kellner oder Türsteher mit nach Hause!“. Das tat Rosi auch nicht. Sie brachte stattdessen einen englischen Musiker mit nach Hause. Tony Sheridan McGinnity, ihren zukünftigen Mann, einen Singer-Songwriter und Gitarristen, der in Hamburg unter anderem mit seiner Band „The Jets“ und als Solo-Sänger spielte oder der von einer Band, bestehend aus ein paar jungen Musikern aus Liverpool, begleitet wurde – den Beatles.
Gegründet von ihrem Vater betrieb Rosi seit 1969 die Kneipe „Zu den drei Hufeisen“. Das konnten sich ihre englischen Musikerfreunde jedoch nie merken. Stattdessen liefen sie immer über den Kiez und fragten „Where can we find Rosi?“. So stand schnell der neue Name fest und das neue Wohnzimmer für zahlreiche Musiker und spontane Sessions war gefunden.
Noch heute betreibt Rosi die Bar. Man sieht es ihr mit ihrem frischen Anstrich kaum an, aber Rosi’s Bar ist eine der ältesten Bars auf dem Hamburger