Венера в мехах. Уровень 3 / Venus im Pelz. Леопольд фон Захер-Мазох

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Венера в мехах. Уровень 3 / Venus im Pelz - Леопольд фон Захер-Мазох страница 2

Венера в мехах. Уровень 3 / Venus im Pelz - Леопольд фон Захер-Мазох Легко читаем по-немецки

Скачать книгу

Gutsbesitzer wie für sein Alter – er war kaum über dreißig – eine auffallende Nüchternheit vom Wesen, einen gewissen Ernst, ja sogar Pedanterie. Er lebte nach einem minutiös ausgeführten, halb philosophischen, halb praktischen System, gleichsam nach der Uhr. Und nicht das allein: zu gleicher Zeit nach dem Thermometer, Barometer, Aerometer, Hydrometer, Hippokrates, Hufeland, Plato, Kant, Knigge und Lord Chesterfield. Dabei bekam er aber zu Zeiten heftige Anfälle von Leidenschaftlichkeit. Da machte er Miene, mit dem Kopfe durch die Wand zu gehen. Ihm ging jeder gerne aus dem Weg[10].

      Während er also stumm blieb, sang dafür das Feuer im Kamin, sang der große Samowar Ich habe mich im Ahnherrnstuhl geschaukelt. Meine Zigarre rauchte. Das Heimchen im alten Gemäuer sang auch. Ich ließ meinen Blick über besondere Geräte, die Tiergerippe, ausgestopften Vögel, Globen, Gipsabgüsse. Sie waren in seinem Zimmer angehäuft. Zufällig blieb mein Blick auf einem Bild. Ich habe es oft genug gesehen. Aber gerade heute machte es mir einen unbeschreiblichen Eindruck.

      Es war ein großes Ölgemälde in der kräftigen farbensatten Manier der belgischen Schule gemalt. Sein Gegenstand war seltsam genug.

      Ein schönes Weib, ein sonniges Lachen auf dem feinen Antlitz, mit reichem, geschlungenem Haare. Der weiße Puder lag wie leichter Reif auf es. Es hat Auf den linken Arm gestützt. Es war nackt in einem dunkeln Pelz auf einer Ottomane. Ihre rechte Hand spielte mit einer Peitsche. Während ihr bloßer Fuß stützte sich nachlässig auf den Mann. Er lag vor ihr wie ein Sklave, wie ein Hund. Und dieser Mann war mit den scharfen, aber wohlgebildeten Zügen. Auf diesen Zügen lag brütende Schwermut und hingebende Leidenschaft. Er sah mit dem schwärmerischen brennenden Auge eines Märtyrers zu ihr empor. Dieser Mann war Severin, aber ohne Bart, wie es schien um zehn Jahre jünger.

      «Venus im Pelz!» rief ich. Ich deutete auf das Bild. «So habe ich sie im Traum gesehen.» – «Ich auch», sagte Severin, «nur habe ich meinen Traum mit offenen Augen geträumt.»

      «Wie?»

      «Ach! das ist eine dumme Geschichte.»

      «Dein Bild hat offenbar Anlass zu meinem Traum gegeben», fuhr ich fort, «aber sage mir endlich einmal, was damit ist. Es hat eine Rolle in deinem Leben gespielt, und vielleicht eine sehr entscheidende, kann ich mir denken. Aber das weitere erwarte ich von dir.»

      «Sieh dir einmal das Gegenstück an», sagte mein seltsamer Freund, ohne auf meine Frage zu antworten.

      Das Gegenstück bildete eine treffliche Kopie der bekannten «Venus mit dem Spiegel» von Titian in der Dresdener Galerie.

      «Nun, was willst du damit?»

      Severin stand auf und wies mit dem Finger auf den Pelz, mit dem Titian seine Liebesgöttin bekleidet hat.

      «Auch hier “Venus im Pelz“», sprach er fein lächelnd. «Ich glaube nicht, dass der alte Venetianer damit eine Absicht verbunden hat. Er hat einfach das Porträt von einer vornehmen Messaline gemacht. Er hat die Artigkeit gehabt, ihr den Spiegel halten zu lassen. Darin prüft sie ihre majestätischen Reize mit kaltem Behagen. Aber die Arbeit scheint ihm sauer genug zu werden. Das Bild ist eine gemalte Schmeichelei. Später hat ein ›Kenner‹ der Rokokozeit die Dame auf den Namen Venus getauft. Der Pelz der Despotin ist zu einem Symbol der Tyrannei und Grausamkeit geworden, welche im Weib und seiner Schönheit liegt.

      Aber genug, so wie das Bild jetzt ist, erscheint es uns als die pikanteste Satire auf unsere Liebe. Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen christlichen Welt in einen großen schweren Pelz schlüpfen muss, um sich nicht zu erkälten[11]

      Severin lachte und zündete eine neue Zigarette an.

      Eben ging die Tür auf. Eine hübsche volle Blondine mit klugen freundlichen Augen, in einer schwarzen Seidenrobe, kam herein. Sie brachte uns kaltes Fleisch und Eier zum Tee. Severin nahm eines der letzteren und schlug es mit dem Messer auf. «Habe ich dir nicht gesagt, dass ich sie weich gekocht haben will?» rief er mit einer Heftigkeit. Die junge Frau zitterte.

      «Aber lieber Sewtschu —» sprach sie ängstlich.

      «Was Sewtschu», schrie er, «gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst du», und er riß den Kantschuk, welcher neben seinen Waffen hing, vom Nagel.

      Die hübsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem Zimmer.

      «Warte nur, ich erwische dich noch», rief er ihr nach.

      «Aber Severin», sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, «wie kannst du die hübsche kleine Frau so erschrecken!»

      «Sieh dir das Weib nur an», antwortete er. Er winkte humoristisch mit den Augen zu, «hätte ich ihr geschmeichelt, so hätte sie mir die Schlinge um den Hals geworfen[12]. Weil ich sie mit dem Kantschuk erziehe, betet sie mich an.»

      «Geh mir!»

      «Geh du mir, so muss man die Weiber dressieren.»

      «Leb meinetwegen wie ein Pascha in deinem Harem, aber stelle mir nicht Theorien auf —»

      «Warum nicht», rief er lebhaft, «nirgends passt Goethes ›Du musst Hammer oder Amboss sein‹[13] so vortrefflich wie auf das Verhältnis von Mann und Weib. Das hat dir beiläufig Frau Venus im Traum auch zugegeben. In der Leidenschaft vom Mann ruht die Macht vom Weib. Es versteht sie zu benützen, wenn der Mann sich nicht vorsieht. Er hat nur die Wahl, der Tyrann oder der Sklave vom Weib zu sein. Wie er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche fühlen[14]

      «Seltsame Maximen!»

      «Keine Maximen, sondern Erfahrungen», sagte er mit dem Kopf nickend, «ich bin im Ernst gepeitscht worden. Ich bin geheilt, willst du lesen wie?»

      Er erhob sich und holte aus seinem massiven Schreibtisch eine kleine Handschrift, welche er vor mir auf den Tisch legte.

      «Du hast früher nach jenem Bild gefragt. Ich bin dir schon lange eine Erklärung schuldig. Da – lies.»

      Severin setzte sich zum Kamin, den Rücken gegen mich. Er schien mit offenen Augen zu träumen. Wieder war es still, und wieder sang das Feuer im Kamin, und der Samowar und das Heimchen im alten Gemäuer und ich schlug die Handschrift auf und las:

      «Bekenntnisse eines Übersinnlichen», an dem Rande vom Manuskript standen als Motiv die bekannten Verse aus dem Faust variiert:

      «Du übersinnlicher sinnlicher Freier,

      Ein Weib betrügt dich!»

Mephistopheles.

      Ich schlug das Titelblatt um und las: «Das Folgende habe ich aus meinem damaligen Tagebuch zusammengestellt, weil man seine Vergangenheit nie unbefangen darstellen kann. So aber hat alles seine frischen Farben, die Farben der Gegenwart.»

      Gogol, der russische Molière, sagt – ja wo? – nun irgendwo – «die echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tränen herabrinnen[15]

      Ein wunderbarer Ausspruch!

      So ist es mir recht seltsam zumute, während ich das niederschreibe. Die Luft scheint mir mit einem Blumenduft gefüllt.

Скачать книгу


<p>10</p>

Ihm ging jeder gerne aus dem Weg. – Всем нравилось избегать его.

<p>11</p>

Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen christlichen Welt in einen großen schweren Pelz schlüpfen muss, um sich nicht zu erkälten. – Венера, которой на абстрактном севере, в ледяном христианском мире приходится кутаться в большую тяжелую шубу, чтобы не простудиться.

<p>12</p>

…hätte ich ihr geschmeichelt, so hätte sie mir die Schlinge um den Hals geworfen. – … если бы я ей польстил, она бы накинула мне петлю на шею.

<p>13</p>

Du musst Hammer oder Amboss sein. – Ты должен быть молотом или наковальней (быть хозяином своей судьбы или жертвой обстоятельств).

<p>14</p>

Wie er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche fühlen. – Как только он сдастся, его голова уже будет в ярме, и он почувствует удар кнута.

<p>15</p>

…die echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tränen herabrinnen. – … настоящая комическая муза – та, у которой под маской смеха текут слезы.