Der Golem / Голем. Густав Майринк

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Der Golem / Голем - Густав Майринк Exklusive Klassik

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style="font-size:15px;">      «Er will zum ›Loisitschek‹ zur Tanzmusik», nahm ihm Vrieslander das Wort vorweg.

      Prokop lachte und schlug mit der Hand den Takt zu den Klängen, die die dünne Winterluft her über die Dächer trug.

      Dann nahm er meine alte, zerbrochene Gitarre von der Wand, tat, als zupfe er die zerbrochenen Saiten und sang mit kreischendem Falsett und gespreizter Betonung in Rotwelsch ein wunderliches Lied:

      «An Bein-del von Ei-sen

      recht alt

      «An Stran-zen net gar

      a so kalt

      «Messinung, a’ Räucherl

      und Rohn

      «und immerrr nurr putz-en —

      «Wie großartig er mit einem Mal die Gaunersprache beherrscht!» und Vrieslander lachte laut auf und brummte mit:

      «Und stok-en sich Aufzug

      und Pfiff

      «Und schmallern an eisernes

      G’süff.

      «Juch, —

      «Und Handschuhkren, Harom net san —

      «Dieses kuriose Lied schnarrt jeden Abend beim ›Loisitschek‹ der meschuggene Nephtali Schaffranek mit dem grünen Augenschirm, und ein geschminktes Weibsbild spielt Harmonika und grölt den Text dazu», erklärte mir Zwakh. «Sie sollten auch einmal mit uns in diese Schenke gehen, Meister Pernath. Später vielleicht, wenn wir mit dem Punsch zu Ende sind, – was meinen Sie? Zur Feier Ihres heutigen Geburtstages?»

      «Ja, ja, kommen Sie nachher mit uns», sagte Prokop und klinkte das Fenster zu, – «man muß so etwas gesehen haben».

      Dann tranken wir den heißen Punsch und hingen unsern Gedanken nach.

      Vrieslander schnitzte an einer Marionette.

      «Sie haben uns förmlich von der Außenwelt abgeschnitten, Josua», unterbrach Zwakh die Stille, «seit Sie das Fenster geschlossen haben, hat niemand mehr ein Wort gesprochen».

      «Ich dachte nur darüber nach, als vorhin die Mäntel so flogen, wie seltsam es ist, wenn der Wind leblose Dinge bewegt», antwortete Prokop schnell, wie um sich wegen seines Schweigens zu entschuldigen: «Es sieht gar so wunderlich aus, wenn Gegenstände plötzlich zu flattern anheben, die sonst immer tot daliegen. Nicht? – Ich sah einmal auf einem menschenleeren Platz zu, wie große Papierfetzen, – ohne daß ich vom Winde etwas spürte, denn ich stand durch ein Haus gedeckt, – in toller Wut im Kreise herumjagten und einander verfolgten, als hätten sie sich den Tod geschworen. Einen Augenblick später schienen sie sich beruhigt zu haben, aber plötzlich kam wieder eine wahnwitzige Erbitterung über sie, und in sinnlosem Grimm rasten sie umher, drängten sich in einen Winkel zusammen, um von neuem besessen auseinander zu stieben und schließlich hinter einer Ecke zu verschwinden.

      Nur eine dicke Zeitung konnte nicht mitkommen; sie blieb auf dem Pflaster liegen und klappte haßerfüllt auf und zu, als sei ihr der Atem ausgegangen und als schnappe sie nach Luft.

      Ein dunkler Verdacht stieg damals in mir auf: was, wenn am Ende wir Lebewesen auch so etwas Ähnliches wären wie solche Papierfetzen? – Ob nicht vielleicht ein unsichtbarer, unbegreiflicher «Wind» auch uns hin und her treibt und unsre Handlungen bestimmt, während wir in unserer Einfalt glauben unter eigenem, freiem Willen zu stehen?

      Wie, wenn das Leben in uns nichts anderes wäre als ein rätselhafter Wirbelwind? Jener Wind, von dem die Bibel sagt: Weißt du, von wannen er kommt und wohin er geht? – Träumen wir nicht auch zuweilen, wir griffen in tiefes Wasser und fingen silberne Fische, und nichts anderes ist geschehen, als daß ein kalter Luftzug unsere Hände traf?»

      «Prokop, Sie sprechen in Worten wie Pernath, was ist’s mit Ihnen?» sagte Zwakh und sah den Musiker mißtrauisch an.

      «Die Geschichte vom Buch Ibbur, die vorhin erzählt wurde, – schade, daß Sie so spät kamen und sie nicht mit anhörten, – hat ihn so nachdenklich gestimmt», meinte Vrieslander.

      «Eine Geschichte von einem Buche?»

      «Eigentlich von einem Menschen, der ein Buch brachte und seltsam aussah. – Pernath weiß nicht, wie er heißt, wo er wohnt, was er wollte, und obwohl sein Aussehen sehr auffallend gewesen sein soll, lasse es sich doch nicht recht schildern».

      Zwakh horchte auf.

      «Das ist sehr merkwürdig», sagte er nach einer Pause, «war der Fremde vielleicht bartlos, und hatte er schrägstehende Augen?»

      «Ich glaube», antwortete ich, «das heißt, ich – ich – weiß es ganz bestimmt. Kennen Sie ihn denn?»

      Der Marionettenspieler schüttelte den Kopf. «Er erinnerte mich nur an den ›Golem‹».

      Der Maler Vrieslander ließ sein Schnitzmesser sinken:

      «Golem? – Ich habe schon so viel davon reden hören. Wissen Sie etwas über den Golem, Zwakh?»

      «Wer kann sagen, daß er über den Golem etwas wisse?», antwortete Zwakh und zuckte die Achseln. «Man verweist ihn ins Reich der Sage, bis sich eines Tages in den Gassen ein Ereignis vollzieht, das ihn plötzlich wieder aufleben läßt. Und eine Zeitlang spricht dann jeder von ihm, und die Gerüchte wachsen ins Ungeheuerliche. Werden so übertrieben und aufgebauscht, daß sie schließlich an der eigenen Unglaubwürdigkeit zugrunde gehen. Der Ursprung der Geschichte reicht wohl ins siebzehnte Jahrhundert zurück, sagt man. Nach verlorengegangenen Vorschriften der Kabbala soll ein Rabbiner da einen künstlichen Menschen – den sogenannten Golem – verfertigt haben, damit er ihm als Diener helfe die Glocken in der Synagoge läuten, und allerhand grobe Arbeit tue.

      Es sei aber doch kein richtiger Mensch daraus geworden und nur ein dumpfes, halbbewußtes Vegetieren habe ihn belebt. Wie es heißt, auch das nur tagsüber und kraft des Einflusses eines magischen Zettels, der ihm hinter den Zähnen stak und die freien siderischen Kräfte des Weltalls herabzog.

      Und als eines Abends vor dem Nachtgebet der Rabbiner das Siegel aus dem Munde des Golem zu nehmen versäumt, da wäre dieser in Tobsucht verfallen, in der Dunkelheit durch die Gassen gerast und hätte zerschlagen, was ihm in den Weg gekommen.

      Bis der Rabbi sich ihm entgegengeworfen und den Zettel vernichtet habe.

      Und da sei das Geschöpf leblos niedergestürzt. Nichts blieb von ihm übrig als die zwerghafte Lehmfigur, die heute noch drüben in der Altneusynagoge gezeigt wird».

      «Derselbe Rabbiner soll einmal auch zum Kaiser auf die Burg berufen worden sein und die Schemen der Toten beschworen und sichtbar gemacht haben», warf Prokop ein, «moderne Forscher behaupten, er habe sich dazu einer Laterna magica bedient».

      «Jawohl, keine Erklärung ist abgeschmackt genug, daß sie bei den Heutigen nicht Beifall fände», fuhr Zwakh unbeirrt fort. – «Eine Laterna magica!! Als ob Kaiser Rudolf, der sein ganzes Leben solchen Dingen nachging, einen so plumpen Schwindel nicht auf den ersten Blick hätte durchschauen müssen!

      Ich kann freilich nicht wissen, worauf sich die Golemsage zurückführen läßt, daß aber irgend etwas, was nicht sterben kann, in diesem Stadtviertel sein Wesen treibt und damit zusammenhängt, dessen bin ich sicher. Von Geschlecht zu Geschlecht haben meine Vorfahren hier gewohnt, und niemand kann wohl auf mehr erlebte und ererbte Erinnerungen an das periodische Auftauchen des Golem zurückblicken als gerade ich!»

      Zwakh

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