Kreuz und Rose. Anna-Katharina Dehmelt
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Anna-Katharina Dehmelt
Kreuz und Rose
Meditation in der Anthroposophie
Verlag Freies Geistesleben
Inhalt
Zum Geleit
Von Johannes Kiersch
Vorwort
DER ZUSAMMENHANG
«Aber das Nötige geschieht schon, wenn man nur Geisteswissenschaft studiert und richtig bewusst versteht»
Anthroposophische Meditation: Die denkende Individualität als Ausgangspunkt
«Die Umrisse der Anthroposophie als eines Ganzen» Der Geheimwissenschaft im Umriß zum Hundertsten
IM MITTELPUNKT: DIE ROSENKREUZ-MEDITATION
Die Rosenkreuz-Meditation von Rudolf Steiner
Von Meditation zu geistiger Forschung
Die 12 Nebenübungen in der Geheimwissenschaft Selbsterziehung und Moral
IN DER MEDITATIVEN WERKSTATT
Vom lebendigen Denken und vom leeren Bewusstsein
«Alles in der Welt ist bewusst» Anthroposophische Meditation als Weg zur Erforschung des Bewusstseins
Wirkungen anthroposophischer Meditation auf Konstitution und Gesundheit
AUSBLICKE IM WERK RUDOLF STEINERS
Vom Lichtseelenprozess – Zwischen Wahrnehmung und Denken. Erkenntniswissenschaft, Goetheanismus und Meditation
Vom Verstehen zum Schauen. Zum Unterschied zwischen Anthroposophischer Gesellschaft und Freier Hochschule für Geisteswissenschaft
Beobachtungen zum Verhältnis zwischen dem anthroposophischen Schulungsweg und dem Übungsweg der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Zugleich eine kleine Geschichte der Meditation bei Rudolf Steiner
Erstveröffentlichungen
ANHANG
zum Download auf der Website des Verlags: www.geistesleben.de/Dehmelt
– Literatur zur anthroposophischen Meditation
– Einführende Texte
– Ausgewählte Meditationen und Übungen im Wortlaut Rudolf Steiners
– Fenchel meditieren – Ein Beispiel geistiger Forschung
– Literatur zur anthroposophischen Meditation
– Vorstellungen oder Bildebewegungen?
Eine kommentierte Bibliographie zu Rudolf Steiners Buch Die Geheimwissenschaft im Umriß
– Zwischen Herzdenken und Emotionaler Intelligenz.
Eine kommentierte Bibliographie zu den sechs «klassischen» Nebenübungen Rudolf Steiners
Zum Geleit
Von Johannes Kiersch
In seiner Autobiografie Mein Lebensgang berichtet Rudolf Steiner, wie er gegen Ende seiner Weimarer Zeit, Jahre nach dem Erscheinen der Philosophie der Freiheit, die Kunst der anthroposophischen Meditation entdeckt hat. «Das errungene Seelenleben», schreibt er, «brauchte die Meditation, wie der Organismus auf einer gewissen Stufe seiner Entwickelung die Lungenatmung braucht.»1 Was sagt dieser Vergleich? Ein Fisch atmet frische Luft, indem er kontinuierlich sauerstoffgesättigtes Wasser durch Mund und Kiemen strömen lässt. Ein Frosch, sobald er sein jugendliches Fischdasein aufgibt und an Land geht, unterbricht diesen Strom durch den Wechsel von Ein- und Ausatmung mit Hilfe seiner neu gebildeten Lunge. Das Innehalten dabei rhythmisiert diesen Vorgang. Es bildet damit die physische Grundlage für das Gefühlsleben aller höheren Tiere und des Menschen, schließlich auch für den Durchbruch zum Selbstbewusstsein und zur Freiheit.
Wir dürfen uns vorstellen, wie Steiner nach jener großen Entdeckung der Meditation, mitten im Trubel der Boom-Stadt Berlin, seine lockere Literatenexistenz in stillen Stunden beharrlichen Suchens und Übens grundlegend verwandelt hat und mit bewundernswerter Selbstdisziplin zum ernsten Geistesforscher wird. Die Aufsatzreihen Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? und Die Stufen der höheren Erkenntnis bilden ab, was sich – zunächst noch im Rahmen der Blavatsky-Theosophie, aber sehr schnell unabhängig davon – bei diesen ersten Versuchen ereignet hat. Im Jahre 1911 folgt beim Internationalen Philosophenkongress in Bologna eine präzise psychologische Begründung des inzwischen Erreichten. Im Jahre 1917 dann wird greifbar, was alle anthroposophischen Übungen, psychologisch gesehen, gemeinsam haben: das besinnliche, geduldige Verweilen an den Grenzen des Erkennens, wo die bloße Gedankenlogik hilflos stecken bleibt. Steiner gelangt jetzt zum Begriff der Grenzvorstellung, die sich dagegen wehrt, in die Welt der festen Dinge, unser gewohntes Gegenstandsbewusstsein, hineingezwungen und damit «herabgelähmt» zu werden. «Aus dem besonnenen Erleben», schreibt er, «das [die Seele] mit den verschiedenen Grenzvorstellungen haben kann, besondert sich ihr die allgemeine Empfindung einer geistigen Welt zu einem mannigfaltigen Wahrnehmen derselben.»2 Das besonnene Erleben mit Grenzvorstellungen wird damit zum elementaren Erfahrungsgrund, von dem alle anthroposophischen Übungswege ausgehen. Und von diesem Erfahrungsgrund handelt das vorliegende Buch.
Von Anfang an ist dabei klar, worin Steiner den höheren Zweck anthroposophischer Übungen sieht: nicht in einer Hilfe für persönliches Wohlbefinden, wie so viele der modischen Meditationslehrer unserer Gegenwart sie versprechen, sondern als selbstlosen Dienst an der Evolution des Menschheitsbewusstseins. Der Journalist Wolfgang Müller hat mit einem mutigen Aphorismus in seiner Zumutung Anthroposophie zum Ausdruck gebracht, worum es dem übenden Anthroposophen geht: «Ein Zeichen für die ernste Größe der Anthroposophie kann man auch darin erblicken, dass nicht wenige Menschen in diesen hochmütigen Zeiten ihr dienen wollen; also nicht nur eine Erkenntniseitelkeit in ihr ausleben (obwohl es das natürlich auch gibt) oder nicht nur eine letztlich austauschbare Lebenszuflucht in ihr suchen (dies auch), sondern sich frei und intelligent in etwas Größeres einordnen, dessen Weltbedeutung sie zu erkennen glauben.»3 Gewiss war Steiner auch als Lebensberater im üblichen Sinne tätig, etwa in den Vorträgen über Die praktische Ausbildung des Denkens4 oder Nervosität und Ichheit,5 oder mit den «Nebenübungen» in der Geheimwissenschaft im Umriß.6 Im Grunde aber will er immer dazu anregen, die Realität der geistigen Welt zu entdecken und mit den Wesen dieser Welt in eine produktive Zusammenarbeit zu kommen. Er greift dabei die Hierarchienlehre des Dionysius Areopagita auf, des großen Inspirators der abendländischen Kultur des Mittelalters. Wie weit er dabei ging, zeigt besonders schön der erste Vortrag der Allgemeinen Menschenkunde, der den Kreis eines Lehrerkollegiums mit den Geistern der dritten Hierarchie in einen Arbeitszusammenhang bringen wollte.7 Wir erschrecken heute, wenn wir uns eingestehen müssen, was Steiner von ernsthaft praktizierenden Anthroposophen gefordert hat. Und in den Lehrstunden der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, dem wichtigsten Vermächtnis Rudolf Steiners, treten noch weitere gewaltige Dimensionen der neuen Wissenschaft vom Geist in Erscheinung, die unser beschränktes Begriffsvermögen herausfordern.
Anna-Katharina Dehmelt ist in der