Kreuz und Rose. Anna-Katharina Dehmelt

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Kreuz und Rose - Anna-Katharina Dehmelt

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mit ihrer Unterrichts- und Forschungstätigkeit entstanden sind. Was sie darin vorträgt, beleuchtet das unübersichtliche Gelände der Äußerungen Rudolf Steiners über anthroposophisches Meditieren von den verschiedensten Seiten her, klärt Missverständnisse und konturiert das Prinzipielle. In der von 2003 bis 2010 bestehenden ‹Firma für Anthroposophie› und seit 2012 im von ihr begründeten ‹Institut für anthroposophische Meditation› hat sie sich mit befreundeten Forschern ausgetauscht und auf der Basis von Anregungen Steiners Erfahrungen gewonnen, von denen bisher nirgendwo die Rede war. Wir Anthroposophen sind ja heute wie Tiere im Zoo von Zuschauern umgeben, die an allem herumschnuppern, was wir tun, aber nicht selber zupacken können oder wollen. Die wenigen, die sich zum Mittun aufraffen, werden in den rückhaltlosen Berichten Dehmelts über ihren eigenen Weg zur lebenspraktischen Anthroposophie hilfreiche Orientierungen finden. So etwa den Ratschlag, auf die «kleinen Wunder» im eigenen Leben zu achten und dadurch nicht in eine «Unterhaltungs-» oder eine «Trost-Anthroposophie» abzudriften oder gar in eine «Privat-Anthroposophie mit Fanatismus und Dogmatismus».

      Überall in diesem Buch merkt man, wie sehr die Autorin davon profitiert hat, dass sie sich unvoreingenommen für andere Milieus und Übungswege interessiert hat. Das Eigene wird klarer und verbindlicher, wenn man andere spirituelle Strömungen nicht ignoriert oder abwertet, sondern ihre Andersartigkeit wohlwollend zu verstehen sucht. Dehmelt praktiziert dieses Wohlwollen auch in ihren Berichten über die anthroposophische Sekundärliteratur zum Thema.8 Wie schön wäre es, wenn wir alle so souverän die Arbeitsergebnisse unserer Geistesfreunde nüchtern referieren und würdigen könnten, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind!

      Dehmelts Betrachtungen sind schließlich noch aus einem ganz anderen Grunde aktuell. Nach mehr als hundert Jahren erleben wir gegenwärtig – neben all den Nörgeleien und hässlichen Verleumdungen, die wir als Anthroposophen auszuhalten haben – eine erste Welle seriöser Steiner-Forschung. Ernstzunehmende Fachleute werden auf das erstaunliche Phänomen des Lebens, des Werkes und der Wirkungen des Begründers der Anthroposophie aufmerksam und bemühen sich redlich darum, zu verstehen, was sie da vorfinden. Ihnen zeigt Dehmelt, welch einzigartiges Kunstwerk beispielsweise der exemplarische Gedankengang darstellt, mit dem Steiner in seiner großen Kosmologie, der Geheimwissenschaft im Umriß, die Eigenart anthroposophischer Meditation erfahrbar macht: den Aufbau des Symbolbildes vom schwarzen Kreuz mit den sieben roten Rosen und das besinnliche Umgehen damit. Oder die Logik des Aufstiegs vom gewöhnlichen Gegenstandsbewusstsein, in das wir ohne unser Zutun eingesponnen sind, zu den drei höheren Erkenntnisarten, denen wir uns stufenweise nähern können. Oder das wissenschaftstheoretische Potential des Buches Von Seelenrätseln, mit dem Steiner im Krisenjahr 1917 die Praxisbewegungen eingeleitet hat, für die er heute bewundert wird. Produktive Gespräche zwischen Forschern, die sich für so etwas ernsthaft interessieren, werden in der vorliegenden Aufsatzsammlung ihre Schwerpunkte finden.

      1 Rudolf Steiner: Mein Lebensgang (GA 28), Dornach 1962, S. 323.

      2 Rudolf Steiner: Von Seelenrätseln (GA 21), Dornach 1976, S. 22.

      3 Wolfgang Müller: Zumutung Anthroposophie. Frankfurt am Main 2021, S. 27.

      4 Vortrag vom 11. Februar 1909 in Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist? (GA 37), Dornach 1984.

      5 Vortrag vom 11. Januar 1912 in Rudolf Steiner: Erfahrungen des Übersinnlichen (GA 143), Dornach 1994.

      6 Vgl. die eingehende Darstellung in diesem Buch auf S. 137ff.

      7 Vortrag vom 21. August 1919 in ders.: Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik (GA 293), Dornach 1992.

      8 Siehe den als Download erhältlichen Anhang zu diesem Buch unter www.geistesleben.de/Dehmelt

      Vorwort

      Kreuz und Rose: zusammen werden sie zum Rosenkreuz. Es ist eines der wichtigsten Symbole in der Anthroposophie und steht für die Entwicklungsfähigkeit des Menschen und die Verwandlung und Spiritualisierung von Welt und Leben. Rudolf Steiner hat das Rosenkreuz zu einer Meditation geformt, mit der man sich in die Anthroposophie von innen einleben kann; sie ist wie der Zipfel, an dem die ganze Anthroposophie sich von außen nach innen wendet.

      In der Meditation des Rosenkreuzes, wie sie Rudolf Steiner in der Geheimwissenschaft im Umriß vorstellt, steckt ein klarer methodischer Weg, der sich auf die aktive Entwicklung des Bewusstseins des Meditierenden richtet. Damit bleiben Methode und Bewusstseinsentwicklung rational fassbar und somit auch anschlussfähig an allgemeinere Diskurse. Die Verwandlung des Bewusstseins und die Übertragung des in anderen Bewusstseinszuständen Erfahrenen ins gewöhnliche Bewusstsein sind der Schwerpunkt rosenkreuzerischen Übens; weniger interessiert im Folgenden das Herbeiführen von passiver Hellsichtigkeit.

      Daneben hat die Rosenkreuz-Meditation eine Beziehung zu der spirituellen Strömung der Rosenkreuzer, über die Rudolf Steiner zeitweise ausführlich gesprochen hat. In den in diesem Buch versammelten Aufsätzen steht jedoch die Meditation selbst im Zentrum, die auch ganz unabhängig von dem überlieferten Rosenkreuzertum verstanden und meditiert werden kann.

      Ich habe diese Meditation 1983 im Anthroposophischen Studienseminar bei Frank und Brigitte Teichmann kennengelernt. Wir haben die Anleitung zu dieser Meditation, die in der Geheimwissenschaft im Umriß schriftlich vorliegt, studiert wie auch andere Texte Rudolf Steiners. Davon, dass man diese Meditation tatsächlich durchführen könne, war, den damaligen Usancen gemäß, keine Rede. Es war in der anthroposophischen Szene völlig unüblich, über Meditation und geistige Forschung zu sprechen, und es gab auch nur ganz wenige Bücher zu diesem Thema. Das hat sich erst in den folgenden Jahrzehnten grundlegend verändert.

      Die Rosenkreuz-Meditation ist dann zum Zentrum im Aufbau meines meditativen Lebens geworden, und ich habe mich ihr durch Jahrzehnte hindurch fast täglich gewidmet. Alles, was ich seither über anthroposophische Meditation und das sich daraus ergebende Verständnis anderer anthroposophischer Aspekte veröffentlicht habe, entspringt letztlich diesem Umgang mit Steiners Rosenkreuz-Meditation.

      Dazu gehören die ersten Seminare mit dieser Meditation im Frankfurter und im Stuttgarter Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft noch in den neunziger Jahren, intensiviert dann im neuen Jahrtausend. Dazu gehört die Beobachtung, dass der komplexe Aufbau der Meditation und das Meditieren selbst für viele Menschen zu anspruchsvoll ist, weshalb ich mir Gedanken gemacht habe, wie man vom heutigen Alltagsbewusstsein ein Brücke bauen kann zum Ausbilden grundlegender geistiger Fähigkeiten, die für anthroposophisches Meditieren nützlich sind. Und dazu gehört die Entwicklung eines geistigen Forschungsweges, der dem Aufbau der Rosenkreuz-Meditation in der Geheimwissenschaft entspricht, und dessen Anwendung auf verschiedene Gebiete. Davon zeugen insbesondere die beiden Aufsätze ‹Die Rosenkreuz-Meditation› und ‹Von Meditation zu geistiger Forschung› sowie das ausführliche Beispiel ‹Fenchel meditieren› im Anhang. Auch der Geheimwissenschaft im Umriß, die den unmittelbaren Kontext für die Rosenkreuz-Meditation bildet und deren Formulierung des Schulungsweges mich am meisten geprägt hat, ist ein Aufsatz gewidmet.

      Von da aus weitet sich der Blick auf den anthroposophischen Schulungsweg insgesamt: zunächst zu den «12 Nebenübungen» der Geheimwissenschaft, später dann zum «Lichtseelenprozess». Einen Überblick über anthroposophisches Meditieren darüber hinaus findet man in ‹Die denkende Individualität als Ausgangspunkt anthroposophischer Meditation›.

      Drei Aufsätze geben einen Einblick in die meditative Werkstatt: in das Erüben eines leeren Bewusstseins, in das Erforschen des Bewusstseins selbst und in die Wirkungen anthroposophischer Meditation auf Konstitution und Gesundheit. Das Buch endet mit zwei Untersuchungen zum Verhältnis zwischen anthroposophischer Schulung im allgemeinen und dem Übungsweg der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, wobei die zweite

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