Satan und Ischariot I. Karl May

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Satan und Ischariot I - Karl May

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eine Art von Geschäft er betrieben hat!«

      »Er hat meist in Rauchwaren gemacht und nebenbei ein flottes Pfandleihgeschäft betrieben. Dabei hat er sich ein kleines Vermögen erworben, und das ist ihm in den dummen Kopf gestiegen.«

      »Er meint, in Mexiko in kurzer Zeit Krösus werden zu können. Sind Sie vielleicht von derselben Ansicht besessen?«

      »Fällt mir nicht ein! So leichtgläubig wie Jakob Silberstein, so heißt er nämlich, bin ich nicht. Ich hege vielmehr die Ueberzeugung, daß der Agent ein Schurke war und daß die armen von ihm Betrogenen hier Gefahren entgegengehen, von denen sie keine Ahnung haben. Darum bin ich mit herüber. Ich will Judiths Beschützer sein und bin überzeugt, daß sie dann zur Einsicht kommen wird.«

      Er ließ sich auf seinen Platz nieder und schwieg; ich machte keinen Versuch, das Gespräch fortzusetzen. Später, als der Schuner vor einer leidlich starken Brise ging, durch welche die Sonnenglut erträglicher wurde, kehrte ich auf das Verdeck zurück und setzte mich an ein stilles Plätzchen, um von dort aus ungestört meine Beobachtungen zu machen. Bald kam Silberstein zu mir, um das Thema über seine Tochter weiter zu spinnen; ich ließ ihm aber deutlich merken, daß mir an demselben nichts gelegen sei, und so entfernte er sich bald wieder, ohne mich abermals zu fragen, ob ich seinem Lieblinge vorgestellt sein wolle.

      Der Mormone kam auch für kurze Zeit, um einige Worte mit mir zu wechseln. Er schritt das Deck ab, um von einer Person zur andern zu gehen und sich mit allen in der leutseligsten Weise zu unterhalten, gab diesem und jenem eine Cigarre, streichelte den Kindern die Wangen und that überhaupt alles, um sich das Vertrauen und die Zuneigung der Leute zu erwerben.

      Am längsten stand er bei Judith, mit welcher er sich eifrig unterhielt, während der Herkules an der nach den Kabinen führenden Luke stand und beide beobachtete. Seine Brauen waren zusammengezogen und seine Lippen fest geschlossen. Es war mir, als beginne in diesem Augenblicke ein Wölkchen aufzusteigen, welches später den ganzen Horizont bedecken und sich mit Blitz und Donner entladen werde.

      Es war auf dem Schiffe für die Passagiere ziemlich gut gesorgt. Sie wohnten nicht eng zusammengepfercht und bekamen genug Trinkwasser und auch kräftiges Essen. Niemand hatte zu klagen, und jedermann sah der Zukunft mit ungetrübter Hoffnung entgegen. Ich war der einzige, der anders dachte; den Herkules rechne ich nicht, da sein Mißtrauen ein unbestimmtes war und auf keinem besondern, klaren Grunde beruhte. Sollte ich dem Mormonen in meinen Gedanken unrecht thun? Ich wollte zu Winnetou über die Grenze hinüber und Lobos lag genau in dieser Richtung. Die Fahrt kostete mich nichts, konnte mir das nicht genug sein? War es nicht besser, in Lobos meinen eigenen Weg unter die Füße zu nehmen, ohne mich um den Mormonen und seine Polen weiter zu kümmern?

      Ich wog diese Gedanken und Fragen hin und her, konnte aber trotz alledem die Ahnung nicht loswerden, daß die Auswanderer ins Verderben geführt würden. Als ich dann nach dem Hinterteile schlenderte, redete mich der Kapitän an:

      »Lassen Sie sich gratulieren, Master! Melton sagte mir, daß Sie als Buchhalter engagiert werden sollen. Greifen Sie ja zu, denn eine solche Stellung wird Ihnen nicht gleich wieder angeboten.«

      »Kennen Sie denn diese Stelle, Kapt‘n?«

      »Und ob! Der Haziendero ist, sozusagen, ein alter Freund von mir, ein steinreicher Herr und dabei ein Ehrenmann. Wenn er einmal einen Menschen engagiert, so sorgt er auch in ausgiebiger Weise für ihn. Darauf können Sie sich verlassen.«

      »So meinen Sie, daß Ihre jetzigen Passagiere es gut bei ihm haben werden?«

      »Ich meine es nicht, sondern ich bin überzeugt davon.«

      Der Kapitän hatte das Aussehen eines ehrlichen Mannes; ich mußte ihm glauben; dennoch fragte ich:

      »Aber der Kontrakt! Steht es richtig mit ihm?«

      »Was fällt Ihnen ein! Sie sollen sogleich sehen, wie ehrlich es Sennor Timoteo mit seinen neuen Arbeitern meint.«

      Er forderte einen in der Nähe stehenden Auswanderer auf, seinen Kontrakt zu holen. Der Mann hatte denselben eingesteckt und zeigte ihn mir. Das Papier war von ihm, dem Agenten und der Behörde unterschrieben und enthielt einen einzigen Paragraphen. Der Inhalt desselben lautete ungefähr: Der Arbeiter bekommt freie Ueberfahrt, Reise und gute Verpflegung bis an Ort und Stelle und verpflichtet sich, auf der Besitzung Timoteo Pruchillos resp. dessen etwaigem Rechtsnachfolger täglich acht Stunden gegen einen Tagelohn von anderthalb Pesos und freie Station zu arbeiten. Nach sechs Jahren erlischt der Kontrakt.

      Ich war erstaunt. Das war nicht nur ehrlich, sondern sogar sehr anständig, da bei diesem Tagelohne der Arbeiter im stande war, sich jährlich gegen zweitausend Mark zu sparen. Jetzt wunderte ich mich nicht mehr darüber, daß es dem Agenten gelungen war, für die weltentlegene Hazienda eine Gesellschaft von dreiundsechzig Köpfen zusammenzubringen. Ich sah ein, daß mein Mißtrauen ein unbegründetes gewesen war. Wirklich unbegründet? Pruchillo meinte es ehrlich; aber war auch der Mormone ein Ehrenmann? Warum nicht? Hatte ich denn Beweise gegen ihn? War ich nicht vielleicht durch allerdings vielfältige Erfahrungen allzuvorsichtig und mißtrauisch geworden? Stand Melton nicht im Begriffe, mir eine Wohlthat zu erweisen, welche, selbst wenn ich ihrer nicht bedürftig war und sie also nicht annehmen konnte, mich ihm doch zu großem Danke verpflichten mußte? Ich wurde irre an mir und kam bis zum Abende zu dem Entschlusse, in Lobos auszusteigen und allein meines Weges zu gehen, da die Auswanderer auf der Hazienda ganz vorzüglich aufgehoben waren. Da aber ereignete sich etwas, wodurch diese Ansicht widerlegt und dieser Entschluß vollständig über den Haufen geworfen wurde.

      Nach dem Abendessen fiel mir nämlich auf, daß die Auswanderer alle aufgefordert wurden, sich in ihre Schlafkojen hinabzuverfügen. Auch ich wurde von dieser Maßregel nicht ausgenommen. Da es Abend geworden war, die Sonne nicht mehr brannte und im Gegenteile ein kühles Lüftchen wehte, wären die Leute noch sehr gern eine Weile auf Deck geblieben; sie mußten sich aber natürlich fügen. Aus den verwunderten Gesichtern, welche sie zu diesem ihnen erteilten Befehle machten, ersah ich, daß die Maßregel eine neue war und sie bisher des Abends und wohl auch des Nachts ganz nach Belieben im Freien hatten bleiben dürfen. Ich erfuhr dies auch sofort, als ich als der letzte, denn ich hatte gezögert, bis keiner mehr oben war, in meine Koje kam und von dem Athleten mit den mürrischen Worten empfangen wurde:

      »Was fällt dem Master Harry Melton ein, uns herabzuschicken! Haben Sie eine Ahnung davon, weshalb er es gethan hat?«

      »Nein.«

      »Hole ihn der Teufel! Wenn man sich des Tages über von der Sonne verbrennen ließ oder hier unten in dem dumpfen Loche zubringen mußte, ist es eine Wohlthat und sogar ein Bedürfnis, des Abends in der freien, frischen Luft zu sein. Das haben wir bisher stets gedurft.«

      »Wirklich? Diese Einrichtung ist also eine neue!«

      »Ja. Und ich bin überzeugt, daß sie von Melton ausgeht.«

      »Warum glauben Sie dies?«

      »Erstens, weil man uns herabschickt, seit er sich an Bord befindet, und zweitens, nun, der zweite Grund ist ein etwas unklarer, und ich will lieber schweigen.«

      »Sie schweigen, weil Sie kein Vertrauen zu mir haben?«

      »Erwarten Sie es anders? Sie sind erst vor so kurzer Zeit zu mir hereingekrochen und können also nicht verlangen, daß ich Ihnen schon alle meine Gedanken mitteile.«

      Da mir daran lag, diese seine Gedanken zu erfahren, antwortete ich:

      »Sie fürchten sich also vor dem Mormonen und schweigen nur deshalb, weil Sie denken, daß ich ihm ihre Worte mitteile.«

      Ich hatte ihn richtig

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