Satan und Ischariot II. Karl May

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Satan und Ischariot II - Karl May

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wohl sagen, wer er ist?«

      »Mein Name heißt in der Sprache der Yuma Tave-schala.«

      »Tave-schala, Old Shatterhand!« fuhr er auf, indem er zwei Schritte zurückwich und mich wie ein Gespenst anstarrte. »Old Shatterhand hier, mitten unter uns, in unserm Schachte!«

      Er traute seinen Ohren nicht.

      »Wenn du es nicht glaubst, so frage die weiße Tochter. Ich habe sie und ihre Leute vom großen Wasser aus bis in die Berge begleitet, um zu erfahren, was Melton mit ihnen beabsichtigte, und sie aus seinen Händen zu befreien.«

      »Old – — Shatter – — hand, der Feind unseres Stammes! Mitten in unserm Lager, mitten in Almaden!«

      »Du irrst; ich bin nicht der Feind eures Stammes; ich bin stets ein Freund aller roten Stämme gewesen.«

      »Aber du hast den »kleinen Mund«, den Sohn unseres vornehmsten Häuptlings, getötet!«

      »Er zwang mich dazu, weil er den jungen Mimbrenjokrieger, der vor dir steht, seinen Bruder und seine Schwester töten wollte.«

      »Der »große Mund« hat dir den Tod geschworen!«

      »Das weiß ich; aber ist das ein Grund für dich, auch mein Todfeind zu sein?«

      »Ich muß dem »großen Mund« gehorchen!«

      »Kein roter Krieger muß, und ein Häuptling, wie du bist, braucht erst recht nicht zu müssen. Der »große Mund« mag die Sache, welche er gegen mich hat, selbst mit mir ausfechten; er braucht keine Helfer dazu. Ich habe dich befreit und dadurch bewiesen, daß ich nicht ein Feind der Yumas bin. Wäre ich das, so hätte ich alle eure Krieger getötet, die ich von der Hazienda del Arroyo bis hierher getroffen habe. Es sind vierzig Mann, die ich alle gefangen genommen habe.«

      »Alle – gefangen – genommen!« wiederholte er erstaunt. »Wo befinden sie sich?«

      »Bei unserer Mimbrenjoschar, mit welcher ich gekommen bin.«

      »Hast du die Mimbrenjos hier bei dir?«

      »Nein. Sie warten unter dem Befehle Winnetous, des großen Apatschen, auf meine Rückkehr. Sie stehen an einem Orte, wo ihr sie nicht finden könnt. Ich bin mit dem jungen Krieger ganz allein ausgeritten, um Almaden zu erkundschaften, und werde alle Bleichgesichter, welche sich hierunten befinden, befreien, ohne daß ich dazu der Hilfe noch eines andern Menschen bedarf.«

      Der Ausdruck eines unbeschreiblichen Erstaunens war noch immer nicht aus seinem Gesichte gewichen. Er fand keine Worte zu dem, was ich sagte; ich fuhr fort:

      »Es würde uns nicht schwer werden, die Yumas, welche Almaden bewachen, zu besiegen; aber ich wünsche nicht, ihr Blut zu vergießen. Die »listige Schlange« mag mir sagen, ob sie mein Feind bleiben oder mein Freund werden will!«

      Der Indianer war mir schon gestern, als ich ihn mit der Jüdin reden hörte, als ein ehrlicher Mann erschienen, darum verhielt ich mich heut gegen ihn ganz anders, als ich mich sonst verhalten hätte, und auch sein jetziges Benehmen machte einen guten Eindruck auf mich. Er hatte ein ungemein treues und redliches Auge. Indem er den Blick fast unausgesetzt auf mich gerichtet hielt, überlegte er wohl einige Minuten lang; dann antwortete er:

      »Es ist mir befohlen worden, Old Shatterhands Feind zu sein, und diesem Befehle muß ich gehorchen; aber er hat mich und die weiße Blume vom Tode errettet; darum drängt es mich, ihm meine Freundschaft zu schenken. Ich kann nicht tun, wonach mein Herz begehrt, und doch auch das nicht, was mir befohlen ist; ich bin nicht Old Shatterhands Freund und auch nicht sein Feind. Er mag mit mir tun, was ihm beliebt.«

      »Gut! Mein Bruder hat da sehr verständig gesprochen. Wird er sich aber auch in das fügen, was ich über ihn bestimme?«

      »Ja. Der Tod war mir hier gewiß; nimm mir das Leben, und ich werde mich nicht wehren!«

      »Dein Leben begehre ich nicht, wohl aber deine Frei- Freiheit, wenigstens für einige Zeit. Willst du dich als meinen Gefangenen betrachten?«

      »Ja.«

      »Muß ich dich da wieder fesseln, um deiner sicher zu sein?«

      »Du magst mich binden oder nicht, ich bleibe bei dir, bis du mir sagst, daß ich wieder frei bin. Weiter aber darfst du nichts von mir verlangen. Ich kann dir nicht behilflich sein und werde dir keine Auskunft erteilen.«

      »Gut, so sind wir einig. Du bist mein Gefangener und gehorchst allen meinen Anweisungen. Zu dem, was ich vorhabe, bedarf ich deiner Hilfe nicht.«

      Ich band nun auch der Jüdin die Hände vom Rücken los und ging an die Aufsuchung der andern Eingesperrten. Der Raum, in welchem Judith gesteckt hatte, war klein. Man hatte da einen Gang begonnen, ihn aber wieder verlassen, da man nach dieser Richtung nichts gefunden hatte. Die andern Gefangenen waren nur hinter der zweiten Tür zu suchen. Als ich dieselbe geöffnet hatte, befanden wir uns in einer Art ausgehauener Kammer, aus welcher drei Gänge nach drei verschiedenen Richtungen führten. Hier herrschte eine schlimme Luft. Es roch nach Schwefel; man atmete schwer. Zwei von den Gängen waren unverschlossen, Vor dem dritten befand sich eine Tür mit zwei Riegeln. In derselben war eine Klappe angebracht, wie man sie an Gefängnistüren findet. Ich öffnete sie, um hindurchzublicken, zog aber die Nase sehr schnell zurück, denn es drang mir ein Dunst entgegen, der kaum auszuhalten war. Als ich das Licht an die Oeffnung hielt, schien es verlöschen zu wollen.

      Noch fast schlimmer wurde es, als ich die beiden Riegel entfernte und dann die ganze Tür öffnete. Eine dicke Luft drang heraus und das, was man roch, war geradezu unbeschreiblich. Die Luft, welche früher im Zwischendecke berüchtigter Auswandererschiffe zu herrschen pflegte, war das reine Ozon und Parfüm dagegen. Die Tür war, dem Gange angemessen, den sie verschlossen hatte, viel niedriger als die andere. Um sich in demselben zu bewegen, mußte man sich bücken, wie ich sah, und doch beherbergte er so viele Menschen! Sie lagen gleich vorn, hinter der Tür, Männer, Frauen und Kinder, alle bunt durcheinander. Als der Schein unseres Lichtes auf sie fiel, erhoben sie sich, und es ertönte Kettengerassel, da die Hand- und Fußschellen durch Ketten verbunden waren. Die Kinder begannen vor Furcht zu weinen; die Frauen riefen nach Brot; die Männer fluchten und schrien mich zornig an und drängten sich herbei, um mich zurückzuschieben und aus ihrem engen Gewahrsam zu entkommen. Ich wurde gepackt; man erhob die Fäuste mit den Schellen und Ketten gegen mich; es war ein Augenblick der größten Aufregung. Aber es bedurfte nur einiger laut gerufener Worte von mir, so verwandelte sich der mir Gefahr drohende Grimm in das Gegenteil. Man jubelte; ich wurde trotz der Ketten umarmt. Jeder wollte mir die Hand drücken; einige küßten mich sogar, und viele weinten vor Freude. Es dauerte lange, ehe sie sich soweit beruhigt hatten, daß ich auf meine Erkundigungen Antworten bekam.

      Der Häuptling hatte von fern zugeschaut. Als ich nicht mehr so eng umdrängt wurde, benützte er dies, um zu mir zu treten und mir zu sagen:

      »Ich habe gesagt, daß Old Shatterhand keine Hilfe von mir zu erwarten habe; eins aber will ich ihm doch sagen: Dort in der Ritze der Mauer steckt der Schlüssel, mit welchem die Ketten geöffnet werden können.«

      Obwohl ein halbwilder Mensch, konnte er dem An- Anblicke der Elenden nicht widerstehen; sein gutes Herz trieb ihn, mir die Mitteilung zu machen. Ich hätte den Schlüssel wohl auch ohnedies gefunden, da ich mir sagen konnte, daß man ihn in der Nähe des Ortes, wo die Leute eingesperrt waren, zu suchen habe. Einer half dem andern; in Zeit von noch nicht fünf Minuten waren die Ketten abgenommen und auf einen Haufen geworfen. Nun wollten die Befreiten sofort hinaus, hinauf ins Freie. Ich hatte Mühe, sie zu bewegen, ruhig zu sein. Der Lärm konnte leicht hinauf zu Melton dringen und ihn auf das, was unten geschah,

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