Durch die Wüste. Karl May

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Durch die Wüste - Karl May

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und dachte sich, daß ihm diese Versicherung mehr nützen werde, als die prahlerischsten Drohungen, wenn sie gegen mich selbst gerichtet gewesen wären. Uebrigens war es mir ja gar nicht in den Sinn gekommen, ihn in seinen Rechten zu kränken; nur konnte ich mich bei seinem Verhalten je länger desto weniger einer Ahnung entschlagen, daß in seinem Verhältnisse zu der Kranken irgend ein dunkler Punkt zu finden sei.

      »Ist es Zeit?« fragte ich.

      »Komm!«

      Wir gingen. Er schritt voran, und ich folgte ihm.

      Zunächst kamen wir durch einige fast in Trümmern liegende Räume, in denen allerlei nächtliches Getier sein Wesen treiben mochte; dann betraten wir ein Gemach, welches als Vorzimmer zu dienen schien, und nun folgte der Raum, der allem Anscheine nach als eigentliches Frauengemach benutzt wurde. Alle die umherliegenden Kleinigkeiten waren solche, wie sie von Frauen gesucht und gern benutzt werden.

      »Das sind die Zimmer, welche du sehen wolltest. Siehe, ob du den Dämon der Krankheit in ihnen zu finden vermagst!« meinte Abrahim-Mamur mit einem halb spöttischen Lächeln.

      »Und das Gemach nebenan – —?«

      »Die Kranke befindet sich darin. Du sollst es auch sehen, aber ich muß mich vorher überzeugen, ob die Sonne ihr Angesicht verhüllt hat vor dem Auge des Fremden. Wage ja nicht, mir nachzufolgen, sondern warte ruhig, bis ich wiederkomme!«

      Er trat hinaus, und ich war allein.

      Also da draußen befand sich Güzela. Dieser Name bedeutet wörtlich »die Schöne«. Dieser Umstand und das ganze Verhalten des Aegypters brachte meine frühere Vermutung, daß es sich um eine ältere Person handle, ins Wanken.

      Ich ließ mein Auge durch den Raum schweifen. Es war hier ganz dieselbe Einrichtung getroffen, wie in dem Zimmer des Hausherrn: das Geländer, der Diwan, die Nische mit den Kühlgefäßen.

      Nach kurzer Zeit erschien Abrahim wieder.

      »Hast du die Räume geprüft?« fragte er mich.

      »Ja.«

      »Nun?«

      »Es läßt sich nichts sagen, bis ich bei der Kranken gewesen bin.«

      »So komm, Effendi. Aber laß dich noch einmal warnen!«

      »Schon gut! Ich weiß ganz genau, was ich zu tun habe.«

      Wir traten in das andere Gemach. In weite Gewänder gehüllt, stand eine Frauengestalt tief verschleiert an der hintern Wand des Zimmers. Nichts war von ihr zu sehen, als die kleinen, in Samtpantoffeln steckenden Füße.

      Ich begann meine Fragen, deren Enthaltsamkeit den Aegypter vollständig befriedigte, ließ sie eine kleine Bewegung machen und bat sie endlich, mir die Hand zu reichen. Fast wäre ich trotz der ernsten Situation in eine laute Heiterkeit ausgebrochen. Die Hand war nämlich so vollständig in ein dickes Tuch gebunden, daß es ganz und gar unmöglich war, auch nur die Lage oder Form eines Fingers durch dasselbe zu erkennen. Sogar der Arm war in derselben Weise verhüllt.

      Ich wandte mich zu Abrahim:

      »Mamur, diese Bandagen müssen entfernt werden.«

      »Warum?«

      »Ich kann den Puls nicht fühlen.«

      »Entferne die Tücher!« gebot er ihr.

      Sie zog den Arm hinter die Hüllen zurück und ließ dann ein zartes Händchen erscheinen, an dessen Goldfinger ich einen sehr schmalen Reifen erblickte, welcher eine Perle trug. Abrahim beobachtete meine Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit. Während ich meine drei Finger an ihr Handgelenk legte, neigte ich mein Ohr tiefer, wie um den Puls nicht bloß zu fühlen, sondern auch zu hören, und – täuschte ich mich nicht – da wehte es leise, leise, fast unhörbar durch den Schleier:

      »Kurtar Senitzaji – rette Senitza!«

      »Bist du fertig?« fragte jetzt Abrahim, indem er rasch näher trat.

      »Ja.«

      »Was fehlt ihr?«

      »Sie hat ein großes, ein tiefes Leiden, das größte, welches es gibt, aber – — – ich werde sie retten.«

      Diese letzten vier Worte richtete ich mit langsamer Betonung mehr an sie als an ihn.

      »Wie heißt das Uebel?«

      »Es hat einen fremden Namen, den nur die Aerzte verstehen.«

      »Wie lange dauert es, bis sie gesund wird?«

      »Das kann bald, aber auch sehr spät geschehen, je nachdem Ihr mir gehorsam seid.«

      »Worin soll ich dir gehorchen?«

      »Du mußt ihr meine Medizin regelmäßig verabreichen.«

      »Das werde ich tun.«

      »Sie muß einsam bleiben und vor allem Aerger behütet werden.«

      »Das soll geschehen.«

      »Ich muß täglich mit ihr sprechen dürfen.«

      »Du? Weshalb?«

      »Um meine Mittel nach dem Befinden der Kranken einrichten zu können.«

      »Ich werde dir dann selbst sagen, wie sie sich befindet.«

      »Das kannst du nicht, weil du das Befinden eines Kranken nicht zu beurteilen vermagst.«

      »Was hast du denn mit ihr zu sprechen?«

      »Nur das, was du mir erlaubst.«

      »Und wo soll es geschehen?«

      »Hier in diesem Raume, grad wie heute.«

      »Sage es genau, wie lange du kommen mußt!«

      »Wenn Ihr mir gehorcht, so ist sie von heute an in fünf Tagen von ihrer Krankheit – — frei.«

      »So gib ihr die Medizin!«

      »Ich habe sie nicht hier; sie befindet sich unten im Hofe bei meinem Diener.«

      »So komm!«

      Ich wandte mich gegen sie, um mit dieser Bewegung einen stummen Abschied von ihr zu nehmen. Sie hob unter der Hülle die Hände wie bittend empor und wagte die drei Silben:

      »Eww‘ Allah, mit Gott!«

      Sofort aber fuhr er herum:

      »Schweig! Du hast nur zu sprechen, wenn du gefragt wirst!«

      »Abrahim-Mamur,« antwortete ich sehr ernst, »habe ich dir nicht gesagt, daß sie vor jedem Aerger, vor jedem Kummer bewahrt werden muß? So spricht man nicht zu einer Kranken, in deren Nähe der Tod schon steht!«

      »So mag sie zunächst selbst dafür sorgen, daß sie sich nicht zu kränken braucht. Sie weiß, daß sie nicht sprechen soll. Komm!«

      Wir kehrten in das Selamlük zurück, wo ich nach Halef schickte, der alsbald mit der Apotheke erschien. Ich gab Ignatia nebst

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