Auf zwei Planeten. Kurd Laßwitz
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Читать онлайн книгу Auf zwei Planeten - Kurd Laßwitz страница 37
»Gehen’s«, sagte er etwas verlegen, »Sie wollen mich gewiß zum besten haben. Was muß ich denn jetzt tun?«
»Das wird sich schon finden. Recht liebenswürdig sein müssen Sie!« sagte Se. »Und jetzt gute Nacht! Sie müssen morgen zeitig aufstehen, eigentlich schon heute, der Flugwagen nach der Außenstation geht um ein Uhr.«
»Auf Wiedersehen morgen am abarischen Feld!« rief La.
Und beide nickten ihm freundlich zu, grüßten Grunthe und schwebten mit ihrem leichten, gleitenden Schritt nach der Tür. Die Wolke glühender Funken wogte um Se, und über den schlanken Formen ihres Halses schimmerte der zarte Regenbogen ihres Haars. Über Las Haupt glänzte es wie ein Heiligenschein, und aus ihren tiefen Augen fiel ein langer Blick auf Saltner zurück. Dann schloß sich die Tür. Die Feen der Insel waren verschwunden.
Saltner stand noch lange stumm und blickte nach der geschlossenen Tür. Was meinten sie wohl? Wie sollte er sie verstehen? Und welche von beiden –
Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und pfiff leise vor sich hin.
»Das ist gescheit«, sagte er, »die scheinen halt nicht eifersüchtig. Aber – am Ende ist das gar nicht sehr schmeichelhaft für mich. Wer kann sich auch gleich bei den Feen auskennen? Kommen Sie, Grunthe, wir wollen soupieren.«
Die beiden Männer zogen sich in ihr Zimmer zurück, aßen zu Abend und sprachen dabei hin und her über die Frage, ob sie imstande sein würden, dem Wunsch der Martier zu widerstehen und am Pol zurückzubleiben.
»Ich ging schon gern hin«, sagte Saltner endlich, »aber von Ihnen geh ich nicht, alter Freund. Und nun sehen Sie zu, was Sie durchsetzen.«
15 - 6.356 Kilometer über dem Nordpol
Grunthe und Saltner ruhten noch in ihren Betten, als bereits im abarischen Feld ein reges Leben herrschte. Die Martier, welche das Raumschiff besteigen sollten, begaben sich in Abteilungen von je vierundzwanzig Personen nach der Außenstation. So viele faßte der Flugwagen, der den Verkehr von der Insel nach dem Abgangspunkt der Raumschiffe vermittelte, nach jenem in der Höhe von 6.356 Kilometern über dem Pol schwebenden Ring. Es waren also, um die Reisenden und diejenigen ihrer Freunde, die sie bis an das Schiff begleiten wollten, nach dem Ring zu befördern, drei Flugwagen erforderlich. Der Aufstieg nahm ungefähr eine Stunde in Anspruch, und da sich niemals mehr als ein Wagen im abarischen Feld befinden durfte, so verließ der erste Wagen schon am frühsten Morgen, richtiger noch in der konventionellen Schlafenszeit, denn die Sonne ging ja nicht auf noch unter, die Inselstation. Dies war nach der Tageseinteilung, welche die Martier für den Nordpol der Erde festgesetzt hatten, um 11,6 Uhr, nach mitteleuropäischer Zeit ungefähr um 11 Uhr vormittags, eine Stunde vor dem Aufstehen, wie es sonst auf der Insel üblich war.
Diesmal mußten Grunthe und Saltner freilich etwas früher ihre Ruhe unterbrechen, denn der dritte Flugwagen, der sie nach der Außenstation bringen sollte, verließ die Insel gegen 0,6 Uhr, um eine Stunde vor der Abfahrt des Raumschiffes am Ring zu sein.
Die Martier waren schon fast vollständig in der Abfahrtshalle am abarischen Feld versammelt, als Grunthe und Saltner ankamen. Die meisten der Anwesenden waren ihnen bereits bekannt, und alle begrüßten sie aufs liebenswürdigste. Auch Hil, der Arzt, hatte sich eingefunden. Da die Menschen zum erstenmal eine Fahrt im abarischen Feld machten – wenn man die unfreiwillige in ihrem Luftballon nicht mitrechnen wollte –, so war es ihm von größtem wissenschaftlichem Interesse, ihr Verhalten dabei zu beobachten. Auch konnte man ja nicht wissen, ob nicht vielleicht unter den ungewohnten Bedingungen, denen die Menschen hier ausgesetzt waren, seine Hilfe vonnöten würde. Indessen wußten sich Grunthe und Saltner schon ganz geschickt zu benehmen, als sie die auf Marsschwere gestellte Vorhalle betraten. Zu ihrer Verwunderung sahen sie, daß die Martier die Pelzkragen nicht mehr trugen, in denen sie den Weg über die Insel zurückgelegt hatten, sondern sich in ihrer gewöhnlichen Zimmertoilette befanden.
Hil forderte sie auf, ebenfalls ihre Mäntel abzulegen, da sie nun bis zu ihrer Rückkehr nicht mehr ins Freie kämen. Wagen und Ringstation seien selbstverständlich künstlich erwärmt.
Vergeblich sah sich Saltner nach La und Se um. Schon ertönte das Signal zum Einsteigen, als La eilig hereinkam und die Anwesenden begrüßte. Ihre Blicke flogen alsbald zu Saltner, der sich ihr noch schnell näherte und ihr die Hand reichen wollte. Sie aber legte beide Hände auf seine Schultern und sah ihm zärtlich in die Augen. Die Begrüßung überraschte ihn, er mußte sich einen Augenblick sammeln, denn er wußte, daß diese Form des Willkomms nur unter ganz nahestehenden Freunden oder Liebenden üblich war und ungefähr die Bedeutung eines Kusses unter den Menschen besaß. Aber ihre Blicke gaben ihm schnell den Mut, sie zu erwidern, und zu seiner großen Freude glückte es ihm, ihre Schultern mit seinen Händen zu berühren, ohne zu hoch in die Luft zu greifen, und sie auch wieder zu entfernen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Nur das rosig schimmernde Haar streiften seine Finger, und er fühlte diese Berührung wie ein leises Überspringen elektrischer Funken.
Schon bestiegen die übrigen den Flugwagen. Hil geleitete Grunthe hinein. La faßte Saltner an der Hand, um ihn beim Hinaufsteigen der ungewohnten Stufen ins Innere des Wagens zu unterstützen. Ehe er dieselben betrat, blickte er noch einmal zurück, um nach Se zu schauen, ob sie nicht käme.
»Heute nicht«, sagte La, seinen Gedanken erratend, »morgen sehen Sie sie wieder. Heute müssen Sie mit mir vorliebnehmen.«
Es war keine Zeit zu Erklärungen. Der Wagen wurde geschlossen. Dies geschah, indem der außenstehende Beamte die Falltür hob, durch welche die Reisenden in das Innere des Wagens gestiegen waren. Der Boden bildete jetzt die ebene, mit weichen Teppichen belegte Fläche eines geräumigen Zimmers. Die Decke war gleichfalls eben, während der ganze Wagen äußerlich die Gestalt einer vollkommenen Kugel besaß. In den beiden Segmenten, welche durch Boden und Decke gebildet waren, befand sich je ein Wagenführer, die beide durch Signale mit der untern wie mit der oberen Station verkehrten.
Nirgends zeigte sich ein Fenster, von der Außenwelt war nichts zu sehen. Eine Anzahl von Kugeln, welche an unsichtbaren Lisfäden von der Decke herabhingen, verbreitete ein angenehmes Licht. Die Deutschen sahen hier zum erstenmal die künstliche Beleuchtung der Martier durch fluoreszierende Lampen, die nur aus absolut luftleer gemachten, durchscheinenden Kugeln bestanden und infolge der schnellen Wechselströme leuchteten, welche von dem mittleren Teil der Wagenwand ausgingen. In diesem befand sich auch der Heizapparat. Das Zimmer hatte im Grundriß die Gestalt eines Quadrats, so daß zwischen seinen Wänden und der Kugel noch Raum für einige kleinere Gelasse blieb. Die Ausstattung war die bei den Martiern übliche mit einem festen Tisch in der Mitte, der zugleich als Büffet diente. Nur dadurch unterschied sie sich von der eines gewöhnlichen Gesellschaftszimmers, daß sich ringsum an den Wänden auffallende Gestelle hinzogen, deren Zweck Grunthe nicht zu erraten vermochte. Er war geneigt, sie für Turngeräte zu halten, und etwas Ähnliches waren sie auch. Eigentümlich waren ferner die Stühle, sämtlich mit Seitenlehnen und Leisten an den Füßen versehen. Diese Stühle konnte man zwar, infolge einer besonderen Mechanik, nach Verlangen hin- und herschieben, nicht aber vom Boden aufheben.
Kaum war der Wagen verschlossen, als ein zweites Signal ertönte. Schnell suchte sich jeder der Martier eines der Gestelle am Rand des Zimmers und begab sich in dasselbe. Grunthe und Saltner wurden angewiesen, wie sie sich dabei zu benehmen hätten. Sie steckten die Füße in schuhartige Vorsprünge am Boden, so daß sie nicht ausgleiten konnten, stemmten sich mit den Armen fest an den zur Seite befindlichen Griffen und lehnten sich mit dem Rücken an die gepolsterte Wand, während der Kopf zwischen weichen Kissen wie in einer Grube ruhte.
»Nun bin ich