Borgia. Klabund

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Borgia - Klabund

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grübelte.

      Das Kind verzog jetzt sein verwittertes, greisenhaftes Gesicht noch mehr, so daß es aussah, als ob eine unsichtbare Hand ein Paket Pergamentpapier zerknittere. Dann öffnete es plötzlich die verklebten Augen einen kleinen Spalt. Es schien zwischen den Lidern hindurch den fetten, großen Mann, der vor ihm stand, prüfen und ergründen zu wollen.

      Du bist mein Vater? fragte es erstaunt. Hast du irgendwelche Vorstellungen von mir gehabt, als du mich schufst? Wolltest du einen Menschen deines unreinen Blutes; oder wolltest du vielleicht etwas Liebliches, Schönes, Sanftes, Zartes, Edles – alles Eigenheiten, die dir und deiner Familie fremd sind? Wolltest du dich selber überdauern – einen Hauch Ewigkeit in den Sturm der Zeit blasen —, oder bin ich dir nur zufällig so entwischt – wie du nach dem Essen, dich zu erleichtern, einen Dampf aus dem Darm fahren läßt?

      Die Augen des Kindes hinter den Lidern fragten, ohne eine Antwort zu bekommen. Sie glitzerten in einem unbestimmten, silbrigen Glanz, und es war noch nicht zu erkennen, ob es blaue, braune oder schwarze Augen geben würde.

      IX

      Am siebenten Geburtstag Cesares erscheint Rodrigo Borgia in seines Sohnes Zimmer, um ihn mit einem väterlichen Kuß zu wecken.

      Adriana Mila, die Tante, trägt einen Maiskuchen, in dem sieben Kerzen stecken, die eine verdächtige Ähnlichkeit mit Phallen haben. Rodrigo dreht eine Pergamentrolle in der Faust.

      Der Knabe, noch ganz verschlafen, streckt die Hände danach aus.

      Sollst du haben, mein Söhnchen, sollst du haben, und alles, was auf dem Papier geschrieben steht, dazu.

      Und Rodrigo Borgia entfaltet die Rolle und beginnt zu lesen:

      Alle Einkünfte der Präbenden und Kanonikate des Domes von Valencia fallen Signor Cesare Borgia zu. – Der Signor Cesare Borgia bist du! sagt stolz der Vater und tippt dem Knaben auf die Stirn. – Er wird zum Schatzmeister von Cartagena ernannt. – Der Schatzmeister von Cartagena, das bist du. Rodrigo lacht, daß seine etwas feisten Wangentaschen scheppern.

      Der Knabe wird böse.

      Lach nicht, Papa. Das Leben ist ernst. Don Rodrigo hält inne, stutzt. Dann streichelt er den Sohn zärtlich mit der päpstlichen Bulle.

      Du hast recht, Cesarino, bist sieben Jahre alt und so klug, so klug. Wirst es weit bringen. Er geht und läßt das Pergament.

      Der Knabe springt aus dem Bett. Ihn kommt ein natürliches Bedürfnis an. Er zieht ein silbernes Nachtgefäß unter dem Bett hervor. Und da es ihm an Papier mangelt, zerreißt er die päpstliche Bulle Sixtus‘ IV., die ihn soeben zum Schatzmeister von Cartagena ernannte.

      X

      Lucrezia wird als Primadonna d‘Italia von ihrer Tante Adriana zusammen mit Julia Farnese, genannt ‚die Schöne‘, aufgezogen.

      Die beiden jungen Mädchen wetteifern miteinander an Schönheit und Grazie.

      Jeden Abend, wenn die Tante zu Bett gegangen, treten sie nebeneinander nackt vor den Spiegel.

      Sie beobachten, wie ihre Brüste sanft sich zu runden beginnen, wie immer dichter der Flaum zwischen ihren Schenkeln sproßt.

      Jede ist auf die andere eifersüchtig, und jede preist verlogen die Schönheit der andern. Julia sagt:

      Wie wunderschöne kornblonde Haare du hast, Lucrezia!

      Lucrezia sagt:

      Wie zart die Wölbung deiner Brüste! Es sind die beiden Hälften der Erdkugel, die aus dir hervorquellen.

      Sie funkeln sich haßerfüllt an.

      Julia sagt spitz:

      Wie meinst du das mit dem ‚Hervorquellen‘? Bin ich dir vielleicht zu dick? Lucrezia kräuselt die Lippen:

      Aber Julia! Du bist schlank wie ein Knabe – so schlank wie Cesare.

      Julia wird rot wie ein Hummer:

      Also bin ich zu mager, wie?

      Sie fährt auf Lucrezia los und ihr mit dem Kamm ihrer Finger durch das gelöste blonde Haar.

      Lucrezia schreit auf und beißt Julia in die Schulter, daß das Blut rinnt.

      Julia läßt los:

      Du bist grob! Und du bist schlecht erzogen.

      Genau wie du – von Tante Adriana.

      Sie sehen sich unter Tränen an.

      Dann lächeln sie plötzlich.

      Sie stürzen sich in die Arme, und selig spürt jede den nackten heißen Leib der andern.

      Lucrezia ließ sich aus diplomatischen Gründen, ohne Widerrede und ohne daß sie ihn auch nur gesehen hätte, fünfzehnjährig mit Giovanni Sforza in absentia vermählen.

      Wenn er kein Borgia ist, so ist ein Mann wie der andere. Wenn er einmal die Woche badet, sich zweimal täglich den Mund spült und dreimal des Nachts seine eheliche Pflicht erfüllt, wird sich mit ihm leben lassen.

      Einige Wochen nach der Hochzeit verfolgte sie auf einem Spaziergang rechts des Tibers ein stattlicher junger Mann, dem sie nicht zu entgehen vermochte.

      Sie floh in einen Olivenhain.

      Der Jüngling folgte ihr.

      Da er ihr gefiel, gab sie sich ihm hin.

      Erst später, als er sich vorstellte, zeigte es sich, daß es Giovanni Sforza, ihr Mann, war, mit dem sie, ohne es zu wissen, die Ehe vollzogen hatte.

      Diese Ehe sollte nicht lange dauern. Die Gründe, die Rodrigo zu dieser Ehe bewogen hatten, bestanden bald nicht mehr.

      Die Sforza konnten ihm nicht mehr von Nutzen sein.

      Er hatte sich getäuscht. Er korrigierte sich sofort.

      Er ließ von einem Kardinalskollegium die Ehe der Lucrezia Borgia und des Giovanni Sforza wegen ‚impotentia coeundi‘ des Ehemannes trennen.

      XI

      Cesare wird vom Vater zum geistlichen Stand bestimmt, während Juan, der Erstgeborene, die weltliche, die politische Karriere einschlägt.

      Cesare soll in Perugia, der Hauptstadt Umbriens, Jura und Theologie studieren. Als Hofmeister wird ihm der Spanier Francesco Remolino beigegeben.

      Cesare bildet sich zum vollkommenen Cortegiano, zum Mann von Welt aus.

      Er reitet, schwimmt, tanzt.

      Er liest die griechischen und lateinischen Klassiker, vor allem Cäsar, Livius und Herodot.

      Er ficht Florett und Degen.

      Er springt, ringt, singt.

      Man muß, so sagt er zu Francesco Remolino, sein Leben als schönes Kunstwerk leben. Häßliche Dinge läßt man die anderen tun.

      Sein liebster Umgang war ein verwachsener Zwerg namens Gabriellino, den er unterwegs auf der Reise

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