Am Jenseits. Karl May

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Am Jenseits - Karl May

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miteinander zu sprechen wagten. Sie saßen oder lagen still beisammen, und wenn einer etwas sagte, so geschah es so leise, daß wir es nicht hören konnten.

      Das Viertel des Mondes war aufgegangen und übergoß die beiden Gruppen, die kleinere der Mekkaner und die größere der Haddedihn, mit genugsam Licht, um uns alles, was die ersteren taten, deutlich sehen zu lassen. Die verhüllte, nach Mekka gerichtete Leiche machte einen ganz eigenen Eindruck auf uns, wenigstens auf mich. Seit wann war der blinde Münedschi schon tot? Wir wußten es nicht. In der Wüste pflegt man, wie in muhammedanischen Ländern überhaupt, Verstorbene sehr schnell zu begraben. Wir mußten darauf verzichten, etwas darüber zu erfahren, denn nach dem Vorgefallenen konnte es uns nicht einfallen, ferner ein Wort mit diesen Leuten zu sprechen. Ebenso würden, so glaubten wir, sie sich vollständig schweigend gegen uns verhalten. Darum waren wir nicht wenig erstaunt, als nach einiger Zeit Ei Ghani aufstand, bis zur Hälfte zu uns herüberkam und mir die Worte zuwarf:

      »Dein Name ist Hadschi Akil Schatir, wie ich gehört habe. Darf ich mit dir sprechen? »

      »Ja.«, antwortete ich, verwundert darüber, daß der Anfang meines Namens trotz der Fußtritte in seinem Gedächtnisse sitzengeblieben war.

      Da fiel, ohne das weitere erst abzuwarten, Halef ein:

      »Aber befleißige dich ja der Ausdrücke ganz ergebenster Hochachtung, denn dieser Effendi stammt aus dem Wadi Draha im fernen Moghreb und ist der größte und berühmteste Gelehrte des Morgen, des Mittag und des Abendlandes!«

      »Ich möchte gern wissen, ob ihr uns richtig gesagt habt, wer und was ihr seid.«

      »Wir haben die Wahrheit gesprochen«, antwortete ich.

      »Darf ich prüfen, ob du wirklich ein so großer Gelehrter bist, Effendi?«

      »Ich habe nichts dagegen, obgleich du jedenfalls nicht der Mann bist, deres sonst unternehmen dürfte, mich zu prüfen.«

      »Was haben wir vorhin gebetet?

      »Einen Teil der Burda.«

      »Von wem ist dieses Gedicht?

      »Von El Buschiri.«

      »Sage mir seinen vollständigen Namen!«

      »Scharaf ed Din Abu Abdallah Muhammad Ben Said Ben Hammad Ben Muchsin Ben Abdallah Ben Schamhagh Ben Hilal Aschamhagi. Das ist der Name, den du wahrscheinlich selbst nicht auswendig gewußt hast.«

      »Ich wußte ihn, denn jeder Gelehrte kennt ihn genau, darum weiß ich jetzt, daß du wirklich ein Gelehrter bist. Aber wie beweisest du mir, daß diese Leute auch wirklich zum Stamme der Haddedihn gehören?«

      »ich habe dir gar nichts zu beweisen; es ist uns höchst gleichgültig, ob du es glaubst oder nicht.

      »Dieses dein Verhalten beweist, daß es wahr ist. Nun will ich fragen, ob es euch stört, wenn wir die vorgeschriebenen Gebete über den Toten weitersprechen?«

      »Die Vorschriften der Religion soll man erfüllen.«

      »Werdet ihr uns noch Wasser geben?«

      »Nein. Höchstens dann, wenn ihr uns darum bittet.

      »Geht euer Ritt nach Mekka, der heiligen Stadt?«

      »Ja. »

      »Der unserige auch. Wir werden jetzt den Toten begraben und dazu beten. Dann brechen wir auf. Da ihr unsere Kamele getränkt habt, halten sie es nun bis zum Bir Hilu aus; wir aber würden verdursten, wenn wir nicht noch hier und unterwegs trinken könnten. Darum bitten wir euch noch um einen Schlauch.«

      »Gut, weil du bittest, werdet ihr ihn bekommen. Ihr habt Schläuche bei euch, von denen einer gefüllt werden mag.«

      »Ich – danke – dir!«

      Er dehnte die Silben weit auseinander und legte einen ungewöhnlichen Nachdruck darauf, was mich aber nicht veranlassen konnte, mein Wort nicht zu halten. Als er an seinen Platz zurückgekehrt war und sich dort niedergesetzt hatte, begannen sie, die Haschrijeh, ein Begräbnislied, zu singen, in welchem der Jüngste Tag beschrieben wird, Es beginnt:

      »Ich preise die Vollkommenheit dessen, der alles geschaffen hat, was Gestalt besitzt. Er unterwarf seine Diener dem Tode, weicher alle Geschöpfe samt den Menschen zur Vernichtung bringt.«

      Als dieser in widerlich klingenden Fisteltönen vorgetragene Gesang beendet war, wühlten sie, etwas entfernt von ihrem jetzigen Platze, mit ihren Händen in dem lockeren Sande eine Grube auf, holten den Toten und legten ihn hinein. Dann knieten sie, den Vorbeter ausgenommen, dort nieder.

      Dieser blieb stehen und rief:

      »Kommt herbei, ihr Gläubigen, denn ich habe das Leichengebet über den verstorbenen Muslim, weicher hier anwesend ist, zu sprechen!«

      Diese Aufforderung ist Vorschrift. Wir gingen zwar nicht hin, standen aber auf, weil es nach den Regeln des Islam eine unverzeihliche Sünde gewesen wäre, sitzen zu bleiben. Jetzt erhob er die Hände bis zum Kopfe, berührte mit den Daumen die Ohren und rief:

      »Gott ist groß; Gott ist sehr groß.«

      Die Mekkaner wiederholten diese Worte laut. Er rezitierte hierauf die Fathha, das erste Kapitel des Koran, rief nochmals »Gott ist sehr groß«, was wiederholt wurde, und fügte hinzu.

      »O Gott, sei günstig unserm Herrn Muhammed, dem der Schrift unkundigen Propheten, auch seiner Familie und seinen Gefährten, und behüte sie! – — – Gott ist sehr groß!«

      Nachdem auch dieser Ruf wiederholt worden war, betete der Ghani:

      »O Gott, wahrlich, das ist dein Diener und der Sohn deines Dieners. Er ist weggegangen aus dem Schlafe der Welt und ihrer Geschäftigkeit und von allem, was er liebte, und von denen, die ihn hier liebten, in die Finsternis des Grabes und zu dem, was er erfährt. Er bekannte, daß es keinen Gott gibt, als dich allein, daß du keinen Genossen hast, und daß Muhammed dein Diener, dein Gesandter sei und daß du hinsichtlich seiner allwissend seiest. O Gott, er ist hingegangen, zu wohnen bei dir, denn du bist der beste, bei dem man wohnen kann. Er bedarf deines Erbarmens, und du bedarfst seiner Strafe. Wir sind zu dir gekommen, flehend, daß wir für ihn eintreten möchten. O Gott, wenn es einer war, der Gutes tat, so rechne ihm seine guten Taten an; wenn er aber einer war, der übel tat, so rechne ihm seine bösen Taten nicht an! Gewähre in deinem Erbarmen, daß er deinen Beifall finde, und spare ihm die Prüfung des Grabes und dessen Qual; mache ihm sein Grab weit, und halte ab die Erde von seinen Seiten, und gewähre in deinem Erbarmen, daß er Sicherheit finde vor deiner Qual, bis du ihn wohlbehalten sendest zu deinem Paradiese! 0 du Erbarmendster unter denen, die sich erbarmen! – — – Gott ist sehr groß! – — – O Gott, verweigere uns nicht unsern Lohn für den Dienst, den wir ihm erwiesen, und führe uns nicht zur Prüfung nach ihm! Vergib uns und ihm und allen Moslemin, o Herr aller Geschöpfe!«

      Nach diesem Schlusse des eigentlichen Gebetes verneigte er sich nach rechts und nach links und sagte dabei zweimal:

      »Friede sei über euch und das Erbarmen Gottes!«

      Dieser Gruß gilt den Engeln, welche nach muhammedanischem Glauben unsichtbar zu beiden Seiten stehen. Dann forderte er seine Leute nach der Vorschrift auf:

      »Gebt euer Zeugnis über diesen Toten!«

      »Er war einer von den Tugendhaften«, antworteten sie.

      Als

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