Das Vermaechtnis des Inka. Karl May
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Читать онлайн книгу Das Vermaechtnis des Inka - Karl May страница 4
Der Gaucho blickte zu ihm auf, griff nach dem Glase, that einen Zug und meinte dann in freundlichem Tone:
»Ich danke Ihnen, Señor. Man soll sich gewöhnen, über dem Notwendigen nicht das Angenehme zu vergessen. Und das Trinken, lateinisch potio, ist nicht nur angenehm, sondern sogar notwendig.«
Er wollte weiter lesen, da er aber bemerkte, daß der Kellner noch stehen blieb, fragte er:
»Belieben Sie noch eine Bemerkung, Señor?«
»Wenn Sie gestatten, ja. Sie sprachen vorher von Jüterbogk. Kennen Sie diese Stadt?«
»Natürlich kenne ich sie; ich wohne nämlich dort.«
»Sie wohnen dort? Sollten Sie ein Deutscher sein?«
»Der bin ich allerdings, wie auch mein Name Morgenstern beweist. Wäre ich ein Römer, so würde ich lateinisch jubar heißen.«
»Das freut mich ungeheuer, Señor! Darf ich deutsch mit Ihnen reden?«
»Deutsch? Sind Sie denn ein Deutscher?«
»Na, und wat for einer! Ick bin in Stralau bei Berlin jeboren, also een näherer Landsmann von Sie, Herr Doktor. Denn dat Sie ooch Doktor sind, dat habe ick vorhin jehört.«
»Ein Stralauer! Wer hätte das gedacht! Ich habe Sie für einen Argentiner gehalten. Wie kommen Sie denn über die See herüber?«
»Als jeborene Wasserjungfer, wat man sonne Libelle nennt. Sie wissen doch, von wejen dem Stralauer Fischzug und dem Rummelsburger See. Da ist man dat Wasser jewöhnt und jeht dem Wasser nach. So bin ick nach Hamburg jekommen und dann weiter ins Südamerika.«
»Was wollten Sie hier?«
»Reich werden wollte ick natürlich.«
»Nun, und?«
»Ja, nun, und! Das Reichwerden jeht nicht so schnell, wie ick mich’s jedacht hatte. Es kommen auch arme Zeiten mit mang, und wenn die nicht wieder uffhören, da bringt man die Million, von welcher ick jeschwärmt habe, eben nicht zusammen.«
»Haben Sie Verwandte zu Hause?«
»Nee. Hätte ick so wen oder wat jehabt, so wäre ick daheim jeblieben. Dann wollt’ ick jern beis Militär, denn mein Herz ist stets jut patriotisch jestimmt jewesen; aber da ick um zwei Zoll zu kurz
jewesen bin, haben sie mir nicht assentiert, sondern for untauglich erklärt. Darüber bin ick so ergrimmt jewesen, daß ich in die Fremde jegangen bin, um zu sehen, ob man mir da für tauglich halten wird.«
»Wie lange sind Sie nun schon hier?«
»Fünf Jahre, wat mit die fünfundzwanzig Lenze stimmt, die ich bisher in Blüte jestanden habe.«
»Und womit haben Sie sich während dieser Zeit beschäftigt?«
»Mit allem möglichen, wat ehrlich war, doch ohne es zu wat zu bringen. Jetzt bin ick Kellner hier, doch auch nicht fest, sondern nur zur Aushilfe für heute, weil man viel Jäste erwartet hat. Zuletzt habe ick mir mit Hafenarbeit beschäftigt.«
»Waren Sie schon im Innern des Landes? Ich frage nämlich nicht ohne Ursache.«
»Damit kann ick auch dienen. Ick bin schon zweimal bis nach Tucuman hinein jewesen, und zwar als Pferdeknecht.«
»So können Sie reiten?«
»Wie im Löwenritt von Freiligrath. So wat lernt sich hier zu Lande oft und manchmal schneller, als man’s vorher jedacht hat.«
»Das ist gut, sehr gut! Und nun die Hauptsache. Es soll hier in Argentinien sehr viel Knochen geben?«
»Massenhaft!«
»Ausgezeichnet! Ich suche welche.«
»Knochen? Weshalb?«
»Aus Interesse für die Sache.«
»So? Dat ist freilich ein Interesse, wie ick noch keins jefunden habe. Aber da kann ick Ihnen trösten. Wenn Sie Knochen haben wollen, so kann ick Ihnen janze Schiffsladungen voll verschaffen.«
»Antediluvianische?«
»Dat verstehe ick nicht; ick sage nur, dat sie von allen Sorten zu haben sind.«
»Vom Mastodon?«
»Von Mastrindern? Soviel Sie haben wollen.«
»Ich meine, ob vom Riesenelefanten.«
»Dat wohl weniger, denn ick habe noch nicht jehört, daß hier Riesenelefanten jemästet und jeschlachtet werden.«
»Aber vom Megatherium?«
»Wahrscheinlich auch.«
»Und vom Glyptodon?«
»Dieses Vieh kenne ick nicht.«
»Das ist begreiflich, da es schon vor der Sündflut gelebt hat.«
»Dann ist’s futsch und hat keine Knochen mehr. Hier jibt’s nach der Sündflut nur noch Knochen von Rindern, Pferden und Schafen.«
»Sie verstehen mich nicht. Ich suche nach Knochen von vorweltlichen Tieren, wie man sie im hiesigen naturhistorischen Museum findet.«
»Ah, ick verstehe! Von Professor Burmeistern jesammelt? Die stecken in der Erde, wo man sie herausbuddeln muß. Habe ick ooch jesehen. Die sind in der janzen Pampa zu finden. Man soll sogar vorsündflutliche Pferde jefunden haben.«
»Sehr richtig! Das ist übrigens aus dem Grunde sehr interessant, weil bisher behauptet worden ist, daß das Pferd nur der alten Welt angehört.«
»Also sonne Sachens wollen Sie suchen und ausgraben?«
»Ja, dazu brauche ich Leute. Ich werde Gauchos engagieren, und habe deshalb, um ihnen gleich von vornherein als ein sympathischer Mensch zu erscheinen, mich so wie sie gekleidet. Vor allen Dingen brauche ich einen Diener, auf den ich mich verlassen kann. Sie gefallen mir, Sie haben ein ehrliches und zugleich pfiffiges Gesicht und scheinen nicht an Dummheit zu leiden, was der Lateiner Vecordia nennt. Haben Sie nicht Lust, sich von mir engagieren zu lassen?«
»Warum nicht, wenn Sie mir jut behandeln und mir auch sonst oft und manchmal so stellen, daß ick nicht zu klagen brauche.«
»So kommen Sie morgen früh zu mir, damit wir das Nötige besprechen können. Kennen Sie den Bankier Salido?«
»Ja. Er hat sein Jeschäft hier janz in der Nähe, wohnt aber in seiner Quinta draußen vor der Stadt.«
»Da wohne auch ich, denn ich bin ihm empfohlen und sein Gast. Jetzt lassen Sie mich weiter lesen.«
»Jut, lesen Sie man immer weiter, Herr Doktor. Morjen werde ick mir einstellen, und ick denke, daß wir beide dabei ein jutes Jeschäft machen werden. Ich schaffe Ihnen jeden Knochen aus der Erde, und wenn er noch so groß ist.«
Er zog sich zurück, und man sah es ihm an, daß er sich über die zu erhoffende Stellung freute. Er besaß, wie Morgenstern ganz richtig gesagt hatte, ein ehrliches Gesicht und jenen gesunden