Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl May
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Читать онлайн книгу Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May страница 5
Der Ritter nickte und Liebenow fuhr fort:
»Da prauche ich vor Euch keine Angst zu hapen und kann Euch sagen, wer ich pin, denn Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, Ihr werdet meinen Herrn, den Ritter Dietrich von Quitzow nicht verrathen, wenn Ihr ihn etwa auf Garlosen findet!«
»Dachte mir’s – denn nur ein Mann Dietrichs wagt es, mit einem Ritter so zu reden. Ich habe Euer Unglück vernommen und auch gehört, daß Herr Dietrich entkommen sei. Denkst Du, ihn auf Garlosen zu finden?«
»Nein, aper der Claus sitzt den ganzen Tag pei den Poldewins, und von ihm kann ich erfahren, ob sich Herr Dietrich vielleicht bei ihm verporgen hält. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, ich will auf der ganzen Welt weiter Nichts hapen, als nur meinen Herrn, und nachher wollen wir den Nürnperger Purggrafen zusammenfuchteln, daß er all’ sein Leptage daran denken soll!«
Während dieser geharnischten Rede waren auf einem Waldwege seitwärts aus den Büschen zwei Reiter hervorgekommen, welche auf den ersten Blick die Aufmerksamkeit der Beiden in Anspruch nahmen. Der Vorderste war von einem ungeheuren Leibesumfange und saß auf einem ebenso dicken Schimmel, so daß seine kurzen Beine kaum über den halben Leib des Thieres herabreichten; aus dem vollen, runden Gesichte ragte eine Nase hervor, welche, hochroth gefärbt, fast die knorrige Gestalt einer ungeheuren Kartoffel hatte und an ihrer Spitze in allen Nuancen der blauen Farbe erglänzte; die kleinen, listigen Aeuglein waren kaum im Stande, über die mit Fett gepolsterten Backen hinweg zu sehen; die Zügel hingen lose über dem Halse des Thieres und die beiden Hände des Reiters hatten sich in sorgloser Beschaulichkeit über den Bauch gefaltet, als könne es dem Schimmel im ganzen Leben nicht einfallen, einen ordnungswidrigen Schritt zu thun. Und wirklich arbeitete der corpulente Gaul seine schwere Körpermasse mit einer Behaglichkeit weiter, die auf eine wahre Engelsfrömmigkeit schließen ließ und höchstens die Gefahr besorgen ließ, daß er einmal in seinem eignen Fette stecken bleiben könne.
Hinter diesem wohlgenährten Bilde der Gemüthlichkeit schaukelte mit steifen Beinen sich eine Rosinante vorwärts, deren mattgelb durchschimmernde Knochen nur durch eine Haut zusammengehalten wurden, auf welcher es nur nach angestrengtem Suchen möglich war, ein vereinsamtes Haar zu entdecken; auf dem grad emporstehenden, kahlen Schwanzstummel wiegte sich ein Etwas, dessen Aehnlichkeit mit einem von den Motten zerfressenen Borstenwische unverkennbar war; die beiden Ohren gaben sich alle erdenkliche Mühe, eine aufwärts gerichtete Stellung einzunehmen, fielen aber immer wieder ermüdet auf den schwindsüchtigen Hals herab, und die Lippen des wackern Vierfüßlers hatten jene in sich gekehrte und Mitleid erregende Haltung eingenommen, welche ein Zeichen von der vollkommenen Unschädlichkeit des Gebisses ist. Auf dem scharfkantigen Rücken balancirte sich eine Gestalt, deren lange, spindeldürre Beine fast bis herab zur Erde reichten, während die spitzen Ellbogen fast eine halbe Pferdeslänge über den Rücken ihres Besitzers hinausragten; eine fürchterliche Stößernase sprang aus dem schmalen, blassen Gesichte hervor, und über die schmalen Lippen hingen hüben und drüben zwei oder drei Haare herab, welche als Stellvertreter des Schnurrbartes zu dienen hatten. Und das Ganze krönte ein Ding, welches, halb Hut, halb Helm, halb Sturmhaube, selbst nicht zu wissen schien, weshalb es eigentlich da oben auf dem Schädel sitze. —
Als die beiden Neuangekommenen unsre zwei Bekannten erblickten, hielten sie an, um die fremden Erscheinungen einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen. Der Schimmel spreizte, um das sicherste Gleichgewicht zu erhalten, die Beine so weit wie möglich auseinander, und sein magerer College verdrehte die Augen vor Betrübniß darüber, daß es hier auf der Straße keinen Nagel gab, an dem er einstweilen seinen müden Kopf aufhängen könnte.
Endlich schien der Dicke zu einem Entschlusse gekommen zu sein. Er versuchte, durch bittende Worte und ermahnende Püffe sein Pferd zum Weitergehen zu bewegen, und als ihm dies endlich gelungen war, hielt er grad’ auf Heyso zu, räusperte sich nachdrücklich und begann:
»Hrrr! Hm! Woher des Weges, Ritter? Hrrr! Hm!«
»Von daher!« lachte der von Steinfurth, indem er nach rückwärts zeigte.
»Hrrr! Hm! Und wohin des Weges? Hrrr! Hm!«
»Dahin!« antwortete Heyso, noch lauter lachend, indem er nach vorwärts zeigte.
»Hrrr! Hm!« räusperte sich weiter der Dicke, indem er seine über dem Bauche gefalteten Hände löste und die Rechte nach hinten streckte. »Balthasar, mein Schwert!«
Der Knappe ergriff den verlangten Gegenstand, welcher bisher quer über seinen beiden Knieen gelegen hatte, und reichte ihn seinem Herrn hin, indem er zugleich nach seinem eigenen Schwerte griff.
»Hrrr! Hm! Wollt Ihr mir nun wirklich sagen, woher Ihr des Weges kommt – hrrr! hm! – und wohin des Weges Ihr wollt, Ritter?«
Es war eigenthümlich, was für eine Veränderung mit den vier zwei— und vierbeinigen Wesen in dem Augenblicke vorging, in welchem der Sprecher nach der mächtigen, zweischneidigen Waffe griff. Er selbst schien mehrere Zoll größer geworden zu sein, seine Aeuglein blitzten höchst unerschrocken unter den überhängenden Brauen hervor, und die ganze Gestalt zuckte in eine Haltung empor, die augenblicklichen Respect einflößte. Ebenso ging es mit Balthasar, dem Knappen, dem man es sehr deutlich ansah, daß jetzt mit ihm nicht sehr zu spaßen sei; der Schimmel begann vor Vergnügen zu tänzeln und schnaubte muthig durch die Nüstern, und der magere Fuchs stieß gar ein helles, trompetenartiges Wiehern aus und sprang vor Vergnügen mit allen Vieren zugleich in die Luft.
»Was soll das heißen?« frug Heyso jetzt ernst.
»Hrrr! Hm! Das soll heißen, daß der Ritter Claus von Quitzow auf Stavenow sich die schuldige Antwort mit dem Schwerte holt, wenn er sie nicht freiwillig bekommt. – Hrrr! Hm! Zieht blank, Ritter, ich werde Euch die Lippen öffnen!«
»Herr Claus von Quitzow?« rief Heyso, halb erfreut, halb betroffen, denn der Ruf des Muthes und der Tapferkeit, in welchem Claus stand, machte ihn doch an dem Eindrucke, welchen die äußere Erscheinung desselben auf ihn hervorgebracht hatte, ein wenig irre. »Verzeiht, Ritter, das habe ich nicht gewußt! Gebt Euer Schwert immerhin wieder zurück. Ich bin der Steinfurth auf Alvensleben und gedachte, Euch auf Garlosen bei den Baldewins zu treffen.«
»Der Ritter Heyso? Hrrr! Hm! Das läßt sich hören. Balthasar, hier hast Du das alte Eisen wieder.«
Der Knecht folgte dem Rufe, und während die beiden Herren neben einander voranritten, lenkte er seinen Fuchs an die Seite des Wachtmeisters, um mit ihm nachzufolgen.
»So, also!« schnarrte er, »zum Heyso von Steinfurth gehörst Du? Bei dem giebt es ein lustiges Leben, keine Sorge, keine Noth, Schlägerei und Wein die Hülle und die Fülle. Verdammtes Leben dagegen auf Garlosen und Stavenow! Wein genug, aber keine Fehde, keinen ehrlichen Kampf die ganze ewige Winterszeit. Bin in die Haut gerostet wie eine alte, verschimmelte Schlackwurst und sehne mich einmal nach einem guten, richtigen Degenstoß!«
»Heyso von Steinfurth, sagst Du? Der mag meinetwegen ein ganzer Kerl sein, aper gegen meinen Ritter kommt er doch nicht auf. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper einen Herrn wie den Dietrich von Quitzow giebt’s nicht wieder, so weit man denken kann!«
»So, also?« rief erstaunt der Andere. »Du gehörst zu dem edeln Herrn Dietrich, den sie jetzt in Friesack eingeschlossen haben?«
»Eingeschlossen? Herausgeworfen hapen Sie ihn, herausgeworfen wie einen Dachs, dem die Hunde zu viel geworden sind.