Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May

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angefertigt worden war, aus Fleck auf Fleck und Flick auf Flick bestand und dem kleinen Männchen das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beinchen hervor, die in ausgefransten Leggins steckten, welche so hochbetagt waren, daß sie das Männchen schon vor Jahrzehnten ausgewachsen haben mußte, und die dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in welchen zur Not der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können. Die Füße hatten jene außerordentliche Dimension, von welcher man in Deutschland zu sagen pflegt: »Mit fünf Schritten über die Rheinbrücke hinüber.« In der Hand trug dieser Mann eine Flinte, die das Aussehen eines alten Prügels hatte, der im Walde abgeschnitten worden war. Die Waffen, welche wahrscheinlich in seinem Gürtel steckten, konnte man nicht sehen, weil der Jagdrock sie verdeckte.

      Und sein Pferd? Es war kein Pferd, sondern ein Maultier, aber augenscheinlich ein so altes, daß die Eltern desselben kurz nach der Sündflut gelebt haben mußten. Die langen Ohren, mit denen es wie mit Windmühlenflügeln spielte, waren kahl; eine Mähne gab es wohl schon längst nicht mehr; der Schwanz bestand aus einem nackten Stummel, an welchem sich zehn oder zwölf Härchen langweilten, und dazu war das Tier wirklich zum Erschrecken dürr. Aber seine Augen waren hell wie bei einem jungen Füllen und von einer Lebhaftigkeit, einem Ausdrucke, welche wenigstens dem Kenner Respekt einzuflößen vermochten.

      Derjenige, der ihm nach dem Tische folgte, war nicht weniger ein Original. Unendlich lang und entsetzlich fleischlos und ausgetrocknet, hing seine knochige Gestalt weit vornüber, so daß es schien, als gebe es für seine Augen keine andre Perspektive als diejenige auf seine beiden Füße, welche an zwei Beine gewachsen waren, deren Längsausdehnung einem angst und bange machen konnte. Ueber seine festen, kernigen Jagdschuhe hatte er ein Paar lederne Gamaschen geschnallt, welche noch ein gutes Stück des Oberschenkels bedeckten; der Leib steckte in einem eng anliegenden Kamisole, das mittelst eines breiten Gürtels, in und an welchem neben Messer und Revolver die verschiedensten kleinen Notwendigkeiten staken und hingen, zusammengehalten wurde; um die breiten, eckigen Schultern zog sich eine wollene Decke, deren Fäden die ausgedehnteste Erlaubnis hatten, nach allen Himmelsgegenden auseinander zu laufen, und auf dem kurzgeschorenen Kopfe saß ein Ding, nicht Tuch, nicht Mütze und auch nicht Hut, dessen Definition geradezu eine Sache der reinsten Unmöglichkeit war. Auf seiner Schulter hing eine alte, lange Rifle, die von weitem aus einem an einen Stock befestigten Wasserschlauch zu bestehen schien.

      Der dritte und letzte war ebensolang und dürr, wie dieser zweite, hatte ein großes, dunkles Tuch turbanartig um den Kopf gewunden und trug eine rote Husarenjacke, welche sich auf irgend eine unbegreifliche Weise nach dem fernen Westen verirrt hatte, lange Leinenhose und darüber Wasserstiefel, an welche zwei riesige Sporen geschnallt waren. In seinem Gürtel steckten zwei Revolver und ein Messer vom besten Kingfieldstahl; sein Gewehr war eine jener doppelläufigen Kentuckybüchsen, welche in der Hand ihres Besitzers nie einen Schuß versagen und nie das Ziel verfehlen. Wollte man in der Physiognomie dieses Mannes nach irgend einer Eigentümlichkeit suchen, so fiel der sehr breite Mund auf, den er hatte. Die beiden Mundwinkel schienen eine ganz bedeutende Zuneigung für die Ohrläppchen zu besitzen und näherten sich denselben auf die zutraulichste Weise. Dabei besaß das Gesicht den Ausdruck der ehrlichsten Treuherzigkeit; der Besitzer desselben war jedenfalls ein Mann, in dem kein Falsch gefunden werden konnte.

      Diese beiden letzteren waren mit Pferden beritten, die wohl schon viele Strapazen hinter sich hatten, aber noch weit mehr aushalten konnten.

      Als die drei sich niedergesetzt hatten und der Wirt zu ihnen trat und nach ihren Wünschen fragte, erkundigte sich der Kleine:

      »Was gibt’s bei Euch zu trinken?«

      »Brandy, Sir,« antwortete der Irländer.

      »Gebt drei Gläser, wenn Ihr sonst weiter nichts habt!«

      »Was soll es sonst hier geben? Oder wollt ihr vielleicht Champagner trinken? Ihr seht nicht so aus, als ob ihr ihn bezahlen könntet.«

      »Leider, leider, ja,« nickte das Männchen mit bescheidenem Lächeln, »Ihr im Gegenteile seht mir ganz danach aus, als ob Ihr so einige hunderttausend Flaschen hier liegen hättet, wie mir scheint.«

      Der Wirt entfernte sich, brachte das Verlangte und setzte sich dann wieder zu den zwölfen hin. Der Kleine setzte das Glas an die Lippen, kostete den Brandy, spuckte ihn aus und schüttete den Inhalt seines Glases auf die Erde. Seine beiden Gefährten thaten dasselbe, und der mit der Husarenjacke zog seinen Mund noch breiter, als er so schon war, und meinte:

      »Pfui, Kuckuck! Ich glaube gar, dieser irische Spitzbube will uns mit seinem Brandy ermorden! Meinst du nicht auch, Sam Hawkens?«

      »Yes,« antwortete der Kleine. »Wird ihm aber nicht gelingen. Wir drei vertragen schon noch so ein Gift, zumal wir es nicht trinken. Aber wie kommst du dazu, ihn einen irischen Spitzbuben zu nennen?«

      »Wie ich dazu komme? Well! Wer den nicht sofort beim ersten Blicke für einen Irländer hält, der ist ein Dummkopf, wie er im Buche steht.«

      »Sehr richtig! Aber daß du es ihm sofort angesehen hast, das wundert mich grad darum außerordentlich, hihihihi!«

      Dieses »Hihihihi« war ein ganz eigenartiges, man möchte sagen, nach innen gerichtetes Lachen, bei welchem seine Aeuglein lustig funkelten. Man hörte, daß es ein Gewohnheitslachen war.

      »Willst du damit etwa sagen,« fragte der andre, »daß ich sonst ein Dummkopf bin?«

      »Sonst? Warum bloß sonst? Nein, immer, immer bist du einer, Will Parker! Ich habe dir nun schon fünfzehn Jahre lang gesagt, daß du ein Greenhorn (* Neuling.) bist, ein Greenhorn, wie mir noch keines vorgekommen ist. Wirst du mir es nun endlich einmal glauben?«

      »Nein,« erklärte der andre, ohne sich durch dieses beleidigende Wort nur im geringsten aus der Fassung bringen zu lassen. »Nach fünfzehn Jahren ist man kein Greenhorn mehr.«

      »Durchschnittlich, ja; aber wer selbst in diesen fünfzehn Jahren nichts gelernt hat, der ist noch immer eins und wird’s auch immer bleiben, wenn ich mich nicht irre. Und eben daß du dies nicht einsiehst, das ist der sicherste Beweis, daß du noch jetzt ein Greenhorn bist. Was hältst du von den zwölf Gentlemen dort, die uns so neugierig beliebäugeln?«

      »Viel Gutes nicht. Siehst du, wie sie lachen? Das gilt dir, alter Sam.«

      »Mir? Wieso?«

      »Weil es keinen Menschen gibt, der dich ansehen kann, ohne über dich zu lachen.«

      »Freut mich, Will Parker, freut mich ungemein. Das gehört nämlich auch zu den vielen Vorzügen, welche ich vor dir besitze. Wer ein Auge auf dich wirft, möchte weinen, bitterlich weinen; bist eben ein trauriger Kerl, ein ganz trauriger, hihihihi!«

      Sam Hawkens und Will Parker schienen in dem Verhältnisse einer immerwährenden lustigen Fehde zu einander zu stehen. Keiner nahm dem andern etwas übel. Der dritte hatte bis jetzt geschwiegen; nun zog er behaglich seine herabgerutschten Gamaschen in die Höhe, streckte die langen Beine weit von sich und sagte, indem ein derb ironisches Lächeln sich über sein hageres Gesicht ausbreitete:

      »Wissen nicht, was sie aus uns machen sollen, diese Gentlemen. Stecken die Köpfe zusammen und werden doch nicht klug über uns. Feine Gesellschaft das; nicht, Sam Hawkens?«

      »Ja,« nickte der Gefragte. »Laß sie sich die Köpfe zerbrechen, Dick Stone! Desto besser wissen wir, was wir von ihnen zu halten haben; Spitzbuben, was, alter Dick?«

      »Yes. Ahnt mir sehr, daß wir ein Wörtchen mit ihnen werden sprechen müssen.«

      »Mir

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