Der schwarze Mustang. Karl May

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Der schwarze Mustang - Karl May

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saß mit Winnetou, Old Shatterhand und den beiden Timpes an dem einen Tische, wo Erzählung auf Erzählung folgte. An dem andern saßen der Aufseher und der Verwalter, meist still zuhörend und nur zuweilen ein Wort mit in die Unterhaltung werfend. Zu ihnen hatte sich der Mestize wieder gefunden, der sich vollständig stumm verhielt, doch um so schärfer auf alles lauschte, was gesprochen wurde. Winnetou und Old Shatterhand schienen von seiner Anwesenheit nicht die geringste Notiz zu nehmen; er bemerkte keinen einzigen Blick, den sie zu ihm herübersendeten, und doch hatten sie ihn so scharf im Auge, daß ihnen keine seiner Bewegungen und Mienen entgehen konnte.

      Eben erzählte Kas eines seiner Abenteuer, als Winnetou ihn plötzlich mit der Hand aufforderte, zu schweigen.

      »Was ist‘s?« fragte er. »Warum soll ich nicht weiter erzählen?«

      »Still!« antwortete der Häuptling der Apatschen. »Es kommen Reiter.«

      Sie lauschten und hörten wirklich schnelle Hufschläge näher kommen, die ganz vernehmlich den tiefen Schlamm hoch spritzten und dann draußen vor der Thür anhielten. Ein eigentümliches, freudiges Schnauben erklang.

      »Uff!« rief Winnetou, indem er rasch aufstand. »Das sind keine fremden Pferde.«

      Old Shatterhand erhob sich ebenso schnell von seinem Sitze und stimmte bei.

      »Nein, keine fremden, das sind unsre Pferde. Wie kommen sie hierher? Habt Ihr nicht eine Wache zu ihnen gethan, Mister Engineer?«

      »Noch nicht.«

      »Warum nicht? Ich habe Euch doch darum gebeten! Wenn ich mich nicht irre, so habt Ihr, als wir von dem Schuppen fortgingen, die Thür desselben selbst verriegelt?«

      »Ja, das habe ich gethan, und darum glaubte ich, daß es mit dem Posten nicht so eilig sei.«

      »Wir befinden uns im Westen, wo es keinen Grund gibt, irgend eine Vorsicht aufzuschieben!«

      »Es muß jemand, irgend ein Arbeiter, die Thür geöffnet haben; da sind die Pferde entwichen.«

      »Entwichen? Sie waren fest angebunden, Sir! Dieser Jemand hat nicht nur die Thür geöffnet, sondern auch die Tiere losgebunden, und das ist jedenfalls ein Verhalten, welches mir sonderbar vorkommen muß. Erlaubt, Sir, daß ich mir einmal dieses Windlicht nehme.«

      Diese Worte waren an den Shopman gerichtet, der an seinem Ladentische hockte. Über ihm hing eine gläserne Windlaterne, welche Old Shatterhand vom Nagel nahm und anbrannte, um dann mit Winnetou hinauszugehen. Die andern folgten neugierig, auch der Mestize, der freilich nichts davon wußte, daß sein roter Großvater vorhin die beiden Hengste gestohlen hatte.

      Diese standen wirklich draußen und bewillkommten ihre Herren mit den Zeichen großer Aufregung. Sie schnaubten, wehten mit den Schwänzen, ließen die Ohren spielen, gingen mit den Vorderbeinen hoch, grad wie Hunde, die ihren Besitzer freudig begrüßen. Old Shatterhand leuchtete sie an und rief dann betroffen aus:

      »Alle Wetter! Was ist das? Die Pferde kommen nicht aus dem Schuppen! Seht doch den Schmutz und Schlamm, der hier sogar dick auf dem Rücken liegt! Sie sind galoppiert; sie sind weit fortgewesen! Aber wo und mit wem?«

      »Mit wem?« fragte der Engineer. »Mit niemandem, natürlich. Wem sollte es einfallen, in solchem Wetter und solcher Finsternis mit fremden Pferden spazieren zu reiten?«

      »Reiten? Möchte wissen, wer es fertig brächte, sich auf eines dieser Pferde zu setzen! Es hat niemand darauf gesessen, denn seht, die Sitze sind mit Koth bespritzt.«

      »Also habe ich ja recht! Es hat jemand den Schuppen aufgemacht; da rissen sich die Pferde los und echappierten. Sie sind ein Stück herumgerannt und nun wiedergekommen; das ist alles. Ich werde aber untersuchen, wer hieran die Schuld trägt. Es hat des Nachts kein Mensch im Schuppen etwas zu suchen.«

      »Unsre Pferde reißen sich nicht los, wenn wir sie angebunden haben, und ebensowenig rennen sie ohne unsre Erlaubnis spazieren!«

      Da sagte Winnetou in seiner ruhigen Weise, indem er auf den Zügel seines Pferdes, den er in die Hand genommen hatte, zeigte:

      »Mein weißer Bruder hat recht; aber dennoch haben sie sich losgerissen, doch nicht im Schuppen dort, sondern unterwegs.«

      An dem Zügel hing ein fest angeknoteter Riemen, der wahrscheinlich eine Schleife gebildet hatte, nun aber zerrissen war. Old Shatterhand untersuchte ihn, warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Apatschen und sagte dann zu dem Engineer:

      »Ihr habt recht, Sir, und Winnetou irrt sich, was bei ihm freilich selten ist. Die Pferde haben sich im Schuppen losgerissen. Kommt mit! Wir müssen sie fester anbinden. Die andern Gentlemen brauchen sich nicht weiter zu bemühen. Es ist gut!«

      Er sagte das in einem solchen Tone der Ruhe und Überzeugung, daß die damit beabsichtigte Wirkung nicht ausblieb. Der Aufseher und der Verwalter kehrten mit dem Mestizen an ihre Plätze in den Shop zurück. Kas und Has wollten ihnen folgen; da flüsterte ihnen Old Shatterhand zu:

      »Fangt mit dem Halbblut ein Gespräch an, und laßt ihn nicht eher heraus, als bis wir wiedergekommen sind!«

      »Warum, Mister Shatterhand?« fragte Kas.

      »Das werdet Ihr später erfahren. Nur haltet ihn fest; aber seid freundlich und zutraulich mit ihm!«

      »Aber wenn er partout heraus will? Sollen wir da Gewalt anwenden?«

      »Nein. Das soll vermieden werden. Aber es kann Euch doch nicht schwer fallen, ihn durch eine interessante Geschichte festzuhalten!«

      »Denke es auch. Werde einige famose Sachen erzählen und dabei gute Witze machen, genau so, wie bei Timpes Erben. Komm, alter Has!«

      Sie gingen hinein. Winnetou nahm die Pferde bei den Zügeln, um sie zu führen. Old Shatterhand leuchtete voran; der Engineer ging neben ihm und sagte, indem er mit dem Kopfe schüttelte:

      »Ich verstehe Euch nicht, Sir. Erst thut Ihr plötzlich so ruhig und gebt mir recht, und dann erteilt Ihr diesen beiden Gentlemen Aufträge, als ob man Yato Inda gar nicht trauen dürfe.«

      »Ich habe mich verstellt, denn es gilt, vorsichtig zu sein. Die Pferde sind gestohlen und fortgeschafft worden, haben sich aber unterwegs losgerissen.«

      »Unmöglich!«

      »Es ist so; ich versichere es Euch!«

      »Und wenn es so wäre, könnte der Yato Inda der Dieb gewesen sein?«

      »Nein; aber er ist sein Helfershelfer.«

      »Ich behaupte, daß er ehrlich ist!«

      »Und ich behaupte, daß er nicht Yato Inda, sondern lk Senanda heißt und der Enkel des ›schwarzen Mustangs‹ ist. Kommt nur erst nach dem Schuppen, da werden wir erfahren, wer den Diebstahl ausgeführt hat!«

      »Wie wollt Ihr das erfahren?«

      »Der weiche Erdboden wird es mir sagen. Selbst wenn ein Geist der Dieb gewesen wäre, müßte man da die Spuren sehen.«

      »Ich nicht, denn ich verstehe von diesen Dingen nichts. Ihr habt da freilich mehr Übung; dennoch denke ich, daß Ihr einsehet, wie unrecht Ihr meinem Mestizen thut.«

      »Wartet es ab, Sir!«

      Sie waren während dieses Wortwechsels in die Nähe des

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