Winnetou 3. Karl May
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Читать онлайн книгу Winnetou 3 - Karl May страница 17
So verging die kurze Zeit, welche zur Reparatur vonnöten war; die Werkzeuge wurden wieder aufbewahrt, und der Conductor trat zu uns, indem er fragte:
»Wollt Ihr mit einsteigen, Mesch‘schurs? ich nehme Euch gerne eine Strecke mit, so weit es Euch gefällt.«
»Danke, Sir! Wir bleiben hier,« antwortete ich.
»Ganz wie Ihr wollt. Ich habe natürlich über das heutige Ergebnis einen Bericht abzustatten und werde nicht verfehlen, Eurer ehrenvoll zu erwähnen; eine Belohnung wird dann jedenfalls nicht ausbleiben.«
»Danke; wird uns nichts nützen, da wir nicht im Lande bleiben!«
»Wem gehören die Trophäen, welche hier erbeutet werden?«
»Nach dem Gesetze der Savanne gehört alles Eigentum des Besiegten dem Sieger.«
»Wir haben gesiegt, folglich können wir den Indsmen abnehmen, was sie bei sich tragen. Greift zu, ihr Leute! Wir müssen doch jeder ein Andenken an den heutigen Kampf aufzuweisen haben!«
Da trat Sam nahe zu ihm heran und sagte:
»Wollt Ihr uns wohl den Indianer zeigen, den Ihr besiegt und getötet habt, Sir?«
Der Mann sah ihn einigermaßen verblüfft an.
»Wie meint Ihr das?«
»Wenn Ihr einen getötet habt, so könnt Ihr seine Habseligkeiten zum Beispiel an Euch nehmen, sonst aber nicht.«
»Sam, laßt Ihnen das Vergnügen,« wandte ich mich zu dem Gefährten, »wir brauchen ja nichts von alledem!«
»Wenn Ihr meint, so mag es sein; aber die Skalpe rührt Ihr uns nicht an!«
»Und den ermordeten Wärter nehmt Ihr mit, der da drüben liegt,« fügte ich hinzu; »das ist ja Eure Schuldigkeit!«
Dieser Wunsch mußte mir natürlich erfüllt werden. Die toten Indianer wurden aufgesucht und ihrer Waffen und sonstigen Habseligkeiten beraubt; dann lud man die toten Weißen in einen Wagen – ein kurzer Abschied, und der Zug dampfte davon. Einige Zeit lang noch vernahmen wir das immer schwächer werdende Rollen; dann waren wir wieder allein in der weiten, stillen Savanne.
»Was jetzt, Charley?« fragte Sam.
»Schlafen.«
»Denkt Ihr nicht, daß die Indsmen zurückkehren, nun, da die tapfern Leute fort sind?«
»Ich vermute es nicht.«
»Sollte mich aber zum Beispiel wundern, wenn Fred Morgan nicht wiederkäme, um wenigstens den Versuch zu machen, sein Pferd und mit ihm die Steine wiederzufinden!«
»Möglich, aber wahrscheinlich nicht. Wer will ein Pferd, welches vor dem Feuer flieht, wiederfinden? Und dazu weiß er ja, daß außer den Railroaders noch andere Leute hier sind, vor denen er sich nicht sehen lassen darf, wenn er nicht die höchste Gefahr laufen will.«
»Er hat mich ebenso gut erkannt, wie ich ihn, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Lust hätte, mir eine Kugel oder ein scharfes Eisen zu geben!«
»Das müssen wir abwarten; heute aber sind wir jedenfalls sicher. Trotzdem können wir uns von der Bahn eine Strecke zurückziehen, welche groß genug für die Überzeugung ist, daß wir nicht gestört werden.«
»Well, also vorwärts!«
Er setzte sich auf; ich bestieg meinen Mustang, und wir ritten vielleicht eine englische Meile weit nach Norden. Hier machten wir Halt, hobbelten unsere Tiere an und wickelten uns in unsere Decken.
Ich war wirklich müde geworden und schlief sehr bald ein. Später war es mir einmal wie im Traume, als hörte ich den Zug von Ost nach West vorüberrollen; doch kam ich nicht zur rechten Munterkeit und schlief wieder ein.
Als ich erwachte und mich aus der Decke wickelte, war es noch sehr früh am Tage; dennoch saß Sam bereits vor mir und rauchte behaglich eine der Zigarren, die wir gestern abend erhalten hatten.
»Good morning, Charley! Es ist wirklich ein Unterschied zwischen diesem Kraute und Euern Patent-Smokers, deren Manufaktur Ihr dort unterm Sattel habt. Nehmt Euch auch eine, und dann wollen wir an das Werk gehen. Auf das Frühstück müssen wir verzichten, bis wir Wasser finden.«
»Wenn wir es nur bald treffen; das ist wünschenswert um unserer Pferde willen, die kein Futter haben. Uebrigens kann ich meine Zigarre auch zu Pferde genießen.«
Ich steckte mir eine an und hobbelte dann mein Pferd los. »Wie reiten wir?« fragte Sam.
»Eine Schneckenlinie von hier aus bis an den Ort, wo der Zug gestanden hat; da kann uns keine Spur entgehen.«
»Aber nicht nebeneinander.«
»Nein; wir nehmen natürlich genügenden Abstand. Vorwärts!«
Die feine Asche des niedergebrannten Grases hatte die Spuren der flüchtigen Ogellallahs sehr deutlich aufgenommen, wie sich vermuten ließ, aber der Luftzug hatte sie während der Nacht so vollständig verweht, daß nicht das Geringste zu bemerken war. So kamen wir endlich resultatlos an Ort und Stelle.
»Habt Ihr etwas gesehen, Charley?« erkundigte sich Sam.
»Nein.«
»Ich auch nicht; der Kuckuck hole den Wind, der immer nur dann kommt, wenn er zum Beispiel gar nicht gebraucht werden kann! Hättet Ihr den Brief nicht gefunden, so wüßten wir wahrhaftig nicht, was wir anfangen sollten.«
»Also fort, nach dem Rio Pecos!«
»Well! Vorher aber will ich den Roten sagen, wem sie das gestrige Vergnügen zu verdanken haben.«
Während ich abstieg und mich auf den Damm ausstreckte, begann er sein Werk, an dem ich mich nicht zu beteiligen vermochte, und bald lagen die toten Indsmen nebeneinander, die abgeschnittenen Ohren in den Händen.
»Nun kommt!« meinte Sam. »Wir haben einen weiten Ritt bis zum nächsten Wasser, und ich bin begierig, zu erfahren, wer ihn besser aushält, Euer Mustang oder meine alte Tony.«
»Euer Tier hat etwas weniger zu tragen als das meinige.«
»Well, Charley, etwas weniger Menschenfleisch, aber dafür etwas mehr Grütze. Mann, daß mir dieser Fred Morgan entkommen ist, dafür kann ich nicht; daß Ihr aber die beiden Häuptlinge nicht gehörig ausgelöscht habt, das vergebe ich Euch zum Beispiel erst dann, wenn Ihr mir den Morgan fangen helft!«
Die Stakemen
Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, der untern und der obern Sierra Guadelupe und den Gualpabergen, rings eingefaßt von den Höhen, welche den obern Lauf des Rio Pecos und die Quellen des Red River, Sabine, Trinidad, Brazos und Colorado umgrenzen, liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes, welche die ›Sahara der Vereinigten Staaten‹