Winnetou 3. Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Winnetou 3 - Karl May страница 6
Dies geschah nur sehr langsam, da ich alle Schlauheit und Gewandtheit, alle möglichen Bewegungen und Körperstellungen anwenden mußte, um unbemerkt zu bleiben, wenn Gefahr in der Nähe wäre. Glücklicherweise standen hier die Sträucher näher aneinander, und wenn ich mich auch sorgfältig hinter jedem Busche verbergen und den nächsten Busch auf das schärfste mit den Augen durchdringen mußte, ehe ich es wagen konnte, den Zwischenraum zwischen beiden zu überspringen oder, mich schlangengleich an der Erde windend, zu durchkriechen, so gelangte ich doch ohne Unfall bis unterhalb der Stelle, an welcher ich vorhin auf dem Damme das Blut bemerkt hatte.
Ein dichtes Lentiskengesträuch stand gegenüber der Kirschgruppe, hinter der ich spähend lag, von ihr durch einen acht Meter breiten, freien Raum getrennt. So sehr mich das Kirschengebüsch am deutlichen Sehen verhinderte, und so dicht auch die Lentisken standen, es war mir doch, als liege etwas einem menschlichen Körper ähnliches unter ihnen. Der Gegenstand mochte zugedeckt sein, aber er bildete eine dunkle Masse, welche von der Umgebung abstach, durch welche das Licht zu dringen vermochte, und hatte die ganze Länge eines Menschen. War dort vielleicht der Ermordete verborgen? Es konnte auch einer der Mörder sein. Ich mußte versuchen, es zu erfahren.
Weshalb begab ich mich in eine solche Gefahr? Ich konnte ja das Eintreffen Sams abwarten und dann ruhig mit ihm weiter reiten! Der Prairiejäger muß aber wissen, welchen Feind er vor, hinter und neben sich hat; er untersucht außerdem jeden geringfügigen Umstand, weil ihm dieser Aufschluß gibt über Dinge, die er wissen muß, deren Kenntnis seine Sicherheit erhöht und an die selbst der scharfsinnigste Professor und Gelehrte nicht denken würde. Der Prairiejäger zieht aus den unbedeutendsten Dingen, die für den Uneingeweihten gar nicht im Zusammenhange stehen, Schlüsse, über welche ein Anderer oftmals lachen würde, die sich aber in der Regel als richtig erweisen. Während er an dem einen Tag auf dem Mustang vierzig und fünfzig englische Meilen zurücklegt, kommt er am nächsten Tage kaum eine halbe Meile vorwärts, weil er bei jedem Schritt zu forschen hat, ob er ihn tun darf. Und selbst wenn er aus seiner Vorsicht keinen Nutzen für sich selbst zu ziehen vermag, wird seine Erfahrung doch für Andere von Wert sein; er kann ihnen raten, sie warnen und ihnen Auskunft erteilen. Und außerdem liegt ja im Menschen überhaupt der Drang, sich über jede Gefahr Gewißheit zu verschaffen und jedem Bösen nach Kräften entgegen zu arbeiten, den Reiz gar nicht gerechnet, den auf jede kräftige Natur ein mutiges Unternehmen auszuüben pflegt.
Ich nahm einen daliegenden Ast, spießte meinen Hut auf und schob ihn, mit Absicht ein kleines Geräusch verursachend, durch das Kirschgesträuch, so daß es drüben scheinen mußte, als versuche hier jemand hindurchzudringen. Drüben regte sich nichts. Entweder war kein Feind vorhanden oder ich hatte es mit Einem zu tun, der zu schlau und zu erfahren war, um sich durch eine solche Finte irre machen zu lassen.
Ich beschloß, alles zu wagen. Ich kroch zurück und holte aus. Mit zwei Sprüngen hatte ich den freien Raum durchmessen und drang, das Messer zum Stoß bereit haltend, in die Lentisken ein. Unter abgebrochenen Zweigen lag ein Mensch; das fühlte ich sofort, aber er war nicht lebend. Ich hob die Zweige empor und erblickte ein von den Todeszuckungen gräßlich entstelltes Gesicht mit blutigem Schädel. Es war ein Weißer; man hatte ihn skalpiert. In dem Rücken steckte, wie ich bei der Untersuchung seines Körpers bemerkte, die mit Widerhaken versehene Spitze eines abgebrochenen Pfeiles. Ich hatte es also mit Indianern zu tun, die sich auf dem Kriegspfade befanden; das sagte mir der Widerhaken.
Hatten sie sich entfernt, oder befanden sie sich noch in der Nähe? Ich mußte das wissen. Ihre Spuren waren von hier aus deutlich zu bemerken; sie führten von dem Bahndamme in die Prairie hinein. Ich folgte ihnen, immer bereit, einen Pfeil zu erhalten oder mein Messer zu gebrauchen, von Busch zu Busch. Es waren vier Mann gewesen, zwei ältere und zwei Jünglinge, wie ich aus der Größe der Fußstapfen schließen konnte. Sie hatten, während ich mich bloß auf den Finger und Zehenspitzen fortbewegte – eine Aufgabe, welche große Übung und nicht unbedeutende Kraft erfordert – ihre Fährte gar nicht zu verbergen gesucht, mußten sich hier also vollständig sicher fühlen.
Der Wind blies aus Südost, aus derjenigen Richtung, welcher ich mich entgegen bewegte; daher erschrak ich nicht sehr, als ich das Schnauben eines Pferdes vernahm; denn es konnte mich nicht gewittert haben. Ich kroch weiter und befand mich endlich am Ziele oder bemerkte doch wenigstens genug, um mich wieder zurückziehen zu können. Vor mir sah ich nämlich zwischen den Büschen eine Anzahl von vielleicht sechzig Pferden, alle außer zweien auf indianische Weise angeschirrt. Die Sättel hatte man ihnen abgenommen, jedenfalls um sie an dem in der Nähe befindlichen Lagerplatz als Sitze oder Kopfunterlagen zu gebrauchen. Bei den Tieren standen nur zwei Mann Wache. Der eine, ein noch junger Mensch, hatte ein paar derbe, rindslederne Stiefel an, jedenfalls das frühere Eigentum des Ermordeten, den ich vollständig nackt gefunden hatte und dessen Kleider und Habseligkeiten unter seine Mörder verteilt worden waren. Er gehörte also wohl zu den Vieren, deren Fährte mich herbeigeführt hatte.
Der Indianer verkehrt öfters mit Weißen, welche seine Sprache nicht verstehen. Aus diesem Grunde hat sich zwischen den roten Männern und den ›Bleichgesichtern‹ eine Pantomimensprache gebildet, deren Zeichen samt ihrer Bedeutung jeder kennen muß, welcher den wilden Westen betritt. Bei einem lebhaften Temperamente oder bei aufregenden Veranlassungen kommt es dann sehr häufig vor, daß sich jemand der mündlichen Ausdrucksweise bedient und dieselbe unwillkürlich mit Pantomimen begleitet, welche dieselbe Bedeutung wie die Worte haben. Die beiden Wächter unterhielten sich, und der Gegenstand ihres Gesprächs mußte sie sehr lebhaft interessieren, denn sie gestikulierten, sich hier für unbeobachtet haltend, in einer Weise, welche ihnen wohl mehr als einen tadelnden Blick der ernsteren, älteren Krieger zugezogen haben würde. Sie deuteten nach Westen, gaben das Zeichen des Feuers, des Pferdes, also Lokomotive, welche von den Indianern ja ›Feuerroß‹ genannt wird, hieben mit ihren Bogen auf die Erde, als wollten sie hacken oder wuchtige Hammerschläge ausführen, zielten wie zum Schießen, machten die Bewegung des Stechens und des Tomahawkschwunges – — ich hatte genug gesehen und kehrte unverzüglich zurück, wobei ich die von mir verursachten Spuren so viel wie möglich vertilgte.
Aus diesem Grunde dauerte es lange, sehr lange, ehe ich mein Pferd wieder erreichte. Es hatte mittlerweile Gesellschaft gefunden, denn neben demselben weidete die Stute Sams, welcher gemütlich hinter einem Busche lag und an einem mächtigen Stück Dürrfleisch kaute.
»Wie viele sind es, Charley?« fragte er mich.
»Wer?«
»Indsmen.«
»Wie kommt Ihr auf diese?«
»Der alte Sans-ear scheint Euch wohl auch ein Greenhorn zu sein, wie Ihr vorher ihm? Da irrt Ihr Euch aber gewaltig, hihihihi!«
Es war das halblaute, selbstbewußte Lachen, welches ich bereits einmal von ihm vernommen hatte, und das er wohl nur hören ließ, wenn er sich einem Andern überlegen wußte. Auch dies war eine Ähnlichkeit mit Sam Hawkens, welcher fast ebenso zu lachen pflegte.
»Inwiefern, Sam?«
»Muß ich Euch das erst sagen, Charley? Was hättet Ihr wohl getan, wenn Ihr hier angekommen wäret und hättet diesen Hammer da beim Pferde gefunden, nicht aber Euern Old Shatterhand?«
»Ich hätte gewartet, bis er zurückgekehrt wäre.«
»Wirklich? Das möchte ich zum Beispiel nicht gern glauben. Ihr fehltet, als ich kam; es konnte Euch etwas passiert sein, und so ging ich Euch nach.«
»Ich hätte aber auch bei einem Vorhaben sein können, welches durch Eure Gegenwart vereitelt werden konnte. Zudem denke ich, daß Old Shatterhand nichts