Homchen. Kurd Laßwitz
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Homchen jedoch schwang sich auf einen höheren Ast und rief:
»Nun seid mir nicht böse, Vater und Mutter, aber ich habe den Hohlschwanz besiegt, die grimmige Flugechse, die mich angriff, die die rote Schlange lästerte, ich habe sie getötet! Nun hab‘ ich das Recht der Kala erworben, nun kann ich wohnen im eigenen Nest.«
»Ein Aufrührer bist du!« rief Graukopf. »Wohl hast du das Recht der Kala erkämpft; aber dafür mußt du auch Rechenschaft geben nach dem Rechte der Säuger. Du hast verletzt die Gebote der roten Schlange, du hast den Wald bei Tage verlassen und gegen die Herrn der Schöpfung dich aufgelehnt. Du hast dich gerühmt der Weisheit der roten Schlange.«
»Ja, das tat ich«, rief Homchen. »Aber nun darf ich singen:
Homchen heiß‘ ich, Echsen beiß‘ ich, Mehr als alle —«
»Quih! Quih!« tönte es von allen Seiten. »Echsen darf man nicht beißen! Was wagst du zu singen! Die rote Schlange wird dich strafen. Wir aber wollen deinen Frevel nicht dulden! Fi! Fi! Fi!«
Und Graukopf erhob sich majestätisch, streckte die Arme aus und sprach:
»Weil du verletzt das Gesetz der Säuger und dich hochmütig rühmst verbotener Tat und Weisheit, Homchen, des wackeren Knappo leichtsinniger Sohn, so bann‘ ich dich vom Walde, so trenn‘ ich dich von der Sippe, so heiß‘ ich dich zu wandern vom Stamme der Kala!«
»Wir bannen dich!« riefen die Kala alle. »Fi, Fi, Fi! Wir bannen dich, bis du die rote Schlange versöhnt hast. Fliehe! Quih! Quih! Fi!«
Homchen saß stumm und erschrocken. Es konnte nicht reden. Denn das »Fi« der alten Kala stak ihm in der Kehle wie eine harte, bittere Zapfennuß.
Da kam Mea herbei und Homchen schlug seine Arme um ihren Hals.
»Komm wieder zu mir, in unser Nest, dann darfst du hier bleiben, mein süßes, tapferes Homchen!« So schmeichelte die Mutter.
Homchen schmiegte sich an sie. Dann riß er sich los und sagte mit stockender Stimme:
»Das geht nicht mehr, o Mutter! Der Hohlschwanztöter kann nicht bei dir bleiben. Lebe wohl! Du wirst mich wiedersehen. Denn ich weiß, was keiner weiß, weder von den Echsen noch von den Säugern. Die rote Schlange zürnt mir nicht. Sie wird mir helfen, und euch! Das werdet ihr sehen! Leb wohl!«
Das Neue
Vom Walde nach Abend zu liegen die kahlen Hügel, und hinter ihnen dehnt sich unabsehbar das Drachenmoor. Da hausen, bald im Wasser, bald im Schlamm, bald auf den breiten Uferbänken und den weiten Strandwiesen die Riesenechsen, die sich die Herren der Schöpfung nennen. Da blickt der funkelnde, schuppige Rückenkamm des Stego über die hohen Farnkräuter hervor, die er abweidet. Da lauert der furchtbare Riesendrache, das schreckliche Ungeheuer, das selbst den Stego und den biedern Iguanodon angreift, der Raubherr zu Wasser und zu Land, die Großechse, sitzend auf die Beute —
Jetzt haben sich die Echsen in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen - sie frieren. Denn kühl und klar über Wald und Hügel, über Moor und Meer schreitet die Nacht mit ihren Sternen.
Nicht unsere Sterne — es gibt keine ewigen Sterne. Wie viele sind verschwunden, wie viele neu aufgeglommen, seit die Riesenechsen ihre Fußspuren dem Uferschlamm eindrückten. Und die alten stehen nicht mehr an ihrem Platze. Kein Sternkundiger würde sie wiedererkennen. Denn die Sonne ist seitdem weit gewandert im Weltraum — — und mit ihr wanderte die Erde, wanderten die Begleiter. Und dort im Westen, nahe am Horizont, leuchtet der Nachbar der Erde, den wir den Mars nennen. Noch ist er nicht so rot, wie er heute erscheint, aber jetzt, da er in die Nebel herabsinkt, glänzt er rötlich, als ahne er seine Zukunft —
Zusammengekauert auf dem abgestorbenen Aste der letzten Eiche am Waldesrand sitzt Homchen und starrt mit den nachtoffenen Augen auf den sinkenden Stern. Und ängstlich schlägt das kleine, noch jüngst so stolze Herz, als der Stern tiefer und tiefer sich neigt. Wollte die rote Schlange heute nicht zu ihm sprechen, heute, wo es so fest darauf vertraute? Wohnte sie nicht auf dem Sterne? Da drüben gen Abend mußte sie wohnen, dahin wandern Sonne, Mond und Sterne, und alle glänzen sie rot, wenn sie niedergehen.
Und von den Sternen her hatte die rote Schlange zu ihm gesprochen. Nicht gar lange war‘s her — zwei Monde vielleicht. Homchen wußte es genau. Es war der erste Abend gewesen, daß es sich soweit durch den ganzen Wald bis auf die Hügel im Westen gewagt hatte. Da hatte es hier gesessen und über das weite Moor nach dem Sterne geschaut. Und es war ihm etwas geschehen, was es nie erlebt hatte, etwas Wunderbares, Weites, Großes. Es war nicht wie die süße Nuß zwischen den scharfen Zähnen, nicht wie die würzige Ameise an der Zunge. Es war auch nicht warm wie die Sonne, oder lieblich wie der zärtliche Nestruf der Mutter. Es war nicht wie der frohe Schwung zwischen den Ästen, nicht wie die packende Kraft der krallenden, fassenden Glieder — es war anders, ganz anders. Wie mochte man‘s nennen?
Das Meer war fort und das Moor war fort, und die großen Echsen waren nicht mehr. Sie waren geflohen vor Homchen und seinen Freunden. Und Homchen schritt aufgerichtet einher, stolzer noch als der Iguanodon, und die Tiere des Waldes fürchteten sich vor ihm. Also war‘s doch nicht richtig, was die Alten lehrten, daß die Echsen die Herren der Schöpfung seien. Die rote Schlange hatte es gesagt? Aber jetzt waren die Echsen fort und die Kala herrschten — oder auch nicht die Kala —, etwas anderes, Besseres, aber doch wieder wie die Kala, nicht wie die Echsen. Die rote Schlange konnte nicht lügen; woher konnte Homchen nun wissen, daß es etwas noch Mächtigeres geben könne als die Echsen? Die rote Schlange selbst mußte es ihm gesagt haben. Ja, es konnte nur die rote Schlange sein, die so zu ihm sprach, als es in den roten Stern blickte.
Und das Wunderbare wurde eine Macht, eine große, geheimnisvolle Macht in Homchen. Wie können wir rechtlos sein und Sklaven der Echsen, wenn die rote Schlange so zu uns spricht? Wie sich das alles in mir bewegt! Dort ist ja das Moor und dort knarren die Echsen im Schlafe mit ihren Schuppen. Aber nun blick‘ ich wieder in die Sterne und sehe eine andere Welt. Ich kann machen, daß die Dinge verschwinden. Und ich kann machen, daß alles ganz anders vor meinen Augen ist. Was muß ich tun, damit die andern das alles sehen, wie ich es sehe?
Rote Schlange, o gib, daß ich es ihnen zeige!
Gib mir, daß ich weiß, wie die neue schöne Welt zu bauen ist, wo das Moor nicht herrscht und nicht die Echsen!
Zeige mir den Weg zu deinem Sterne!
So hatte Homchen gedacht. Und dann war es am Morgen wieder hinausgegangen und hatte nach der Sonne geschaut, und es hatte sich nicht mehr vor dem hellen Lichte gefürchtet. Immer freier und froher sprang es umher und übte den Blick und übte Sprung und Schlag und Biß und rief mutig hinaus: »Mehr als alle Echsen weiß ich!« Und:
»Pelzchen trag‘ ich,
Krällchen schlag‘ ich,
Mehr als Echsen wag‘ ich.«
Und dann kam der Morgen, da es den Hohlschwanz tötete — —
Nun saß es hier und harrte auf das Wort der roten Schlange. »Mehr als alle Echsen weiß ich« — das ist wohl wahr. Aber es wußte doch nur, daß es über den Echsen etwas gibt, wodurch die Kala, die kleinen Säuger, einst die Herren der Schöpfung werden können. Was das sein mochte, wie das sein konnte, das wußte es nicht. Das wollte es von der roten Schlange hören. Und die rote Schlange sprach heute nicht. Der Stern sank hinter die Nebel. Zürnte sie Homchen?