Old Firehand. Karl May

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Old Firehand - Karl May

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style="font-size:15px;">      »Wo bin ich? Wer seid Ihr? Was ist mit mir geschehen?« rief sie.

      »Ihr seid gerettet, Miß, aus der Gluth da unten.«

      Beim Klange meiner Stimme und dem Anblicke des noch immer hochlodernden Brandes kehrte ihr die Besinnung zurück. —

      »Herr, ich verachte Euch!«

      Ich konnte nicht sofort eine Antwort finden, so unerwartet kamen mir diese Worte, und nur nach einigem Zögern erwiederte ich:

      »Ich verstehe Euch nicht!«

      »Das begreife ich. Wer keine Ehre hat, wird Rücksicht nie verständlich finden. Und es ist nicht blos Das, sondern Ihr seid auch feig!«

      »Das verstehe ich noch weniger!«

      »Ist‘s etwa nicht feig, eine wehrlose Dame —«

      Sie stockte; tiefes Roth bedeckte ihr Gesicht bis zum Nacken herab, und mit einer Miene der Entrüstung, vor welcher ich fast zurückweichen konnte, trat sie hart an mich heran und rief:

      »Wärt Ihr ein Mann, so würde ich Genugthuung von Euch verlangen, blutige Genugthuung; aber Ihr fürchtet die Streiche wie ein Schulknabe, und so mögt Ihr gehen. Aber nehmt Euch in Acht, mir einmal vor den Lauf meiner Büchse zu kommen; denn dann halte ich Euch für das, für was Euch Forster erklärt hat – einen Coyote – Mein Gott, Forster – und ich stehe hier!«

      Jetzt erst kam ihr die vollständige Erinnerung und mit einem kreischenden Weherufe stürzte sie fort, dem Felsenabsturze zu.

      Mit einigen raschen Sprüngen hatte ich sie erreicht und faßte sie bei beiden Händen.

      »Bleibt, Miß, bei Allem, was Euch heilig ist. Ihr seid verloren, wenn Ihr Euch in dieses Feuermeer wagt!«

      »Laßt mich, Elender. Ihr habt die Gefahr gekannt; Ihr konntet sie retten, Alle, Alle, und habt es nicht gethan. Laßt fahren, oder Ihr schmeckt Euern eigenen Stahl!«

      Noch immer war das Messer in ihrer Hand geblieben. Sie merkte es erst jetzt, da ich sie bei derselben gefaßt hielt und wandte alle Kraft auf, um sich los zu machen. Wollte ich ihr die Hand nicht brechen, so mußte ich nachgeben. Die Rechte frei bekommend, entriß sie auch die Linke meinem Griffe, und ich fühlte einen kleinen Gegenstand zwischen meinen Fingern. Sie merkte den Verlust nicht und eilte längs des Bergrandes von dannen.

      Schon wollte ich ihr folgen, da ertönte aus einiger Entfernung leichter Hufschlag. Ich blieb stehen und lauschte.

      »Swallow!«

      Ein lautes, freudiges Wiehern antwortete, und im nächsten Augenblicke stand das treue Pferd, das Köpfchen liebkosend an meiner Schulter reibend, vor mir.

      »Swallow, mein lieber, lieber Swallow,« rief ich, das Thier vor Freude umarmend, »auch Du bist gerettet? Du kommst zurück, trotzdem ich Dich verlassen habe im Augenblicke der Gefahr, und die, an der ich fast über menschliches Vermögen gethan habe, sie nennt mich feig und ehrlos, droht mir mit der Waffe und flieht mich wie einen schmutzigen Yambarico! Und doch wollen wir diesen Ring, den ich ihr gegen meinen Willen abgestreift habe, aufbewahren, Swallow. Wir müssen sie wiederfinden, und dann wird sich‘s vielleicht entscheiden lassen, ob Dein Herr Nichts weiter ist als ein verächtlicher – — Coyote!«

      »Uff!« rief mein Begleiter; »mein weißer Bruder hat Recht. Hier ist der rothe Mann geritten. Laß uns sehen, was er hier gewollt hat.«

      »Winnetou, der große Häuptling,« erwiederte ich, »ist weise und hat das Auge des großen Geistes. Er sieht sehr wohl, was sein böser Bruder hier gewollt hat; aber er versucht, mich auf die Probe zu stellen.«

      Ueber das scharfgezeichnete Angesicht des Indianers glitt ein flüchtiges Lächeln, als er, noch immer auf die Spur gebückt, antwortete:

      »Und was denkt der weiße Freund von dieser Fährte?«

      »Der Mann, welcher hier geritten ist, hat seine Gefährten gesucht. Auf jedem Hügel hat er sein Pferd angehalten, um sich nach ihnen umzusehen, und wir müssen also vorsichtig sein, wenn wir nicht unsere Scalps verlieren wollen.«

      Winnetou – denn dieser, von welchem ich Swallow erhalten hatte, war es – richtete sich empor und maß mich mit einem langen, verwunderten Blicke.

      »Mein bleicher Bruder kennt mich. Er hat mit mir den Lasso um die Hörner des Büffels geworfen und den Bär des Gebirges in der Höhle getödtet; er ist an meiner Seite gestanden gegen die Uebermacht des Ar rapahu‘s und hat die Mandans im Blute zu meinen Füßen gesehen; er zählte die Scalps an den Wänden meines Wigwams und sieht die Locken meiner Feinde an meinem Gürtel hangen. Winnetou hat seinen Stamm verlassen, um die großen Hütten der Weißen zu sehen, ihre Feuerrosse und ihre Dampfcanoes, von denen ihm der Freund erzählt hat; aber sein Haupt wird von keinem Messer berührt werden!«

      »Der große Häuptling der Apachen hat Recht,« nickte ich ihm zu und fuhr, auf die Spuren deutend, fort: »Aber hat er auch bemerkt, daß dieses Pferd hier müde gewesen ist?«

      Statt aller Antwort folgte er, sein Thier am Lasso führend, der Fährte weiter und blieb endlich, auf den Boden zeigend, stehen.

      »Hier hat er ausgeruht,« und mit gespannter Miene setzte er hinzu: »Wird mein Bruder sehen, auf welchem Pfade er sich befindet?«

      Ich untersuchte den Boden sorgfältig. Das Pferd war angepflockt gewesen und hatte die halbdürren Büschel des Prairiegrases abgefressen; der Reiter hatte am Boden gelegen und mit dem Köcher gespielt. Dabei war ihm der Schaft eines Pfeiles zerbrochen, und er hatte die beiden Bruchstücke ganz gegen die gewöhnliche Vorsichtigkeit der Indianer liegen gelassen. Ich hob sie auf, um sie zu betrachten. Es war kein Jagd- sondern ein Kriegspfeil gewesen.

      »Er befindet sich auf dem Kriegspfade; aber er ist noch jung und unerfahren; denn sonst hätte er die verrätherischen Stücke versteckt, und die Spuren seines Fußes sind nicht die eines erwachsenen Mannes.«

      Winnetou gab durch einen beifälligen Laut seine Zufriedenheit kund. Bei unsrer ersten Begegnung war er mir so zu sagen Lehrer gewesen und hatte mich gewöhnt, auf die unscheinbarste Kleinigkeit zu achten, da dies bei den vielfältigen Gefahren der Prairie unumgänglich nothwendig ist. Jetzt nun benutzte er jede Gelegenheit, um zu erfahren, ob seine Lehren von Erfolg gewesen seien.

      Ein Blick auf die weiterlaufenden Eindrücke genügte, uns zu zeigen, daß der Mann erst vor ganz Kurzem den Platz wieder verlassen habe; denn die Kanten derselben waren noch scharf, und die gestreiften oder zerdrückten Halme hatten sich noch nicht vollständig wieder erhoben. Winnetou breitete seine Decke aus und streckte sich, nachdem er das Pferd gefesselt hatte, auf dieselbe nieder.

      Ich folgte ihm und zog zwei Cigarren aus der Seitentasche meines Jagdhemdes. Es waren die letzten von einigen Dutzend, welche ich vor mehreren Wochen in Provo mitgenommen hatte. Sie waren für eine besondere Gelegenheit stecken geblieben; da sich aber nichts Dergleichen einzustellen schien, so konnten sie ebenso gut auch jetzt verraucht werden.

      Mit sichtbarer Begierde griff der brave Indianer zu, als ich ihm die Eine derselben hinreichte, und wer die Enthaltsamkeit kennt, welche der Westen einem Jeden auferlegt, der wird ahnen, mit welcher Wonne wir uns dem seltenen Genusse hingaben, ich, die blauen Ringeln mit innigem Behagen ausblasend, Winnetou aber, den Rauch nach Indianerweise erst hinunterschluckend und dann durch die Nase von sich gebend.

      So verging eine geraume Zeit, während welcher kein Wort gewechselt wurde. Schweigsamkeit gehört selbst unter Gefährten zur Haupttugend,

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