Jugendgerichtsgesetz – JGG. Österreich
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Rücktritt von der Verfolgung (Diversion)
§ 7
(1) Die Staatsanwaltschaft hat nach dem 11. Hauptstück der StPO vorzugehen und von der Verfolgung einer Jugendstraftat zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf
1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO) oder
2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201 StPO) oder
3. die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203 StPO), oder
4. einen Tatausgleich (§ 204 StPO)
nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
(2) Ein Vorgehen gemäß Abs. 1 ist jedoch nur zulässig, wenn
1. die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre, und
2. die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, es sei denn, dass ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet worden ist und eine Bestrafung im Hinblick auf die durch den Tod des Angehörigen beim Beschuldigten verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint.
Besonderheiten der Anwendung der Diversion auf Jugendstraftaten
§ 8
(1) Die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 StPO) soll nur vorgeschlagen werden, wenn anzunehmen ist, dass der Geldbetrag aus Mitteln gezahlt wird, über die der Beschuldigte selbständig verfügen darf und ohne Beeinträchtigung seines Fortkommens verfügen kann.
(2) Gemeinnützige Leistungen (§ 202 Abs. 1 StPO) dürfen täglich nicht mehr als sechs Stunden, wöchentlich nicht mehr als 20 Stunden und insgesamt nicht mehr als 120 Stunden in Anspruch nehmen.
(3) Das Zustandekommen eines Tatausgleichs setzt die Zustimmung des Opfers nicht voraus (§ 204 Abs. 2 StPO).
(4) Bei der Schadensgutmachung und einem sonstigen Tatfolgenausgleich (§§ 200 Abs. 3, 201 Abs. 3, 202 Abs. 2 und 204 Abs. 1 StPO) ist in angemessener Weise auf die Leistungsfähigkeit des Jugendlichen und darauf zu achten, dass sein Fortkommen nicht unbillig erschwert wird.
Schuldspruch ohne Strafe
§ 12
(1) Wäre wegen einer Jugendstraftat nur eine geringe Strafe zu verhängen, so hat das Gericht von einem Strafausspruch abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
(2) Das Absehen vom Ausspruch einer Strafe ist im Urteil zu begründen und vertritt den Ausspruch über die Strafe (§ 260 Abs. 1 Z 3 StPO).
Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe
§ 13
(1) Der Ausspruch der wegen einer Jugendstraftat zu verhängenden Strafe ist für eine Probezeit von einem bis zu drei Jahren vorzubehalten, wenn anzunehmen ist, daß der Schuldspruch und die Androhung des Strafausspruchs allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werden, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Probezeit beginnt mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils.
(2) Die Entscheidung, daß der Ausspruch der Strafe vorbehalten und eine Probezeit bestimmt wird, ist in das Urteil aufzunehmen und zu begründen. Sie vertritt den Ausspruch über die Strafe (§ 260 Abs. 1 Z 3 StPO).
(3) Das Gericht hat den Verurteilten über den Sinn des Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe zu belehren und ihm, sobald die Entscheidung darüber rechtskräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen, die in einfachen Worten den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, die ihm auferlegten Verpflichtungen und die Gründe angibt, derentwegen eine Strafe nachträglich ausgesprochen werden kann.
Berücksichtigung besonderer Gründe
§ 14
Bei der Anwendung der §§ 6, 12 und 13 ist auch zu berücksichtigen, ob aus besonderen Gründen die Durchführung des Strafverfahrens oder der Ausspruch einer Strafe unerläßlich erscheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Nachträglicher Strafausspruch
§ 15
(1) Wird der Rechtsbrecher wegen einer vor Ablauf der Probezeit begangenen strafbaren Handlung neuerlich verurteilt, so ist die Strafe auszusprechen, wenn dies in Anbetracht der Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Strafe kann auch ausgesprochen werden, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht.
(2) Wird im Falle des Abs. 1 keine Strafe ausgesprochen, so hat das Gericht zu prüfen, ob bereits verfügte Maßnahmen beizubehalten oder andere Maßnahmen zu treffen sind.
(3) Ein nachträglicher Strafausspruch muß spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens erfolgen. Daß von der Verhängung einer Strafe endgültig abgesehen wird, hat das Gericht mit Beschluß auszusprechen.
§ 16
(1) Der nachträgliche Ausspruch der Strafe bedarf eines Antrages der Staatsanwaltschaft. Über diesen Antrag entscheidet in den Fällen einer neuerlichen Verurteilung das in diesem Verfahren erkennende Gericht (§ 494a StPO), sonst das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, nach mündlicher Verhandlung durch Urteil. Die Verhandlung und das Urteil haben sich insoweit auf die Frage der Strafe und die Gründe für ihren nachträglichen Ausspruch oder dessen Unterbleiben zu beschränken.
(2) Gegen die Abweisung des Antrages, die Strafe nachträglich auszusprechen, stehen der Staatsanwaltschaft dieselben Rechtsmittel zu wie gegen den Ausspruch der Strafe.
Bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
§ 17
Für die bedingte Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe gilt § 46 Abs. 1 bis 5 StGB mit der Maßgabe, daß die mindestens zu verbüßende Strafzeit jeweils einen Monat beträgt und daß außer Betracht bleibt, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
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