Die Schneekönigin. Andersen Hans Christian

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Die Schneekönigin - Andersen Hans Christian

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die Rosen und blickten in Gottes klaren Sonnenschein hinein und sprachen zu demselben, als ob das Jesuskind da wäre. Was waren das für herrliche Sommertage, wie schön war es draußen, bei den frischen Rosenstöcken, welche mit dem Blühen nie aufhören zu wollen schienen!

      Karl und Gretchen saßen und blickten in das Bilderbuch mit Thieren und Vögeln, da war es – die Uhr schlug gerade fünf auf dem großen Kirchturme – daß Karl fagte:»Au, es stach mir in das Herz! Und nun flog mir etwas in das Auge!«

      Das kleine Mädchen nahm ihn um den Hals, er plinzelte mit den Augen, aber es war gar nichts zu sehen.

      «Ich glaube, es ist fort!«sagte er; aber weg war es nicht. Es war eins von den Glaskörnern, welches vom Spiegel gesprungen war, dem Zauberspiegel, wir entsinnen uns seiner wohl, das häßliche Glas, welches alles Große und Gute, was sich darin abspiegelte, klein und häßlich machte, aber das Böse und Schlechte trat ordentlich hervor, und jeder Fehler an einer Sache war gleich zu bemerken. Der arme Karl hatte auch ein Korn gerade in das Herz hinein bekommen. Das wird nun bald wie ein Eisklumpen werden. Nun that es nicht mehr wehe, aber es war da.

      «Weßhalb weinst Du?«fragte er.»So siehst Du häßlich aus! Mir fehlt ja nichts! Pfui!«rief er auf einmal,»die Rose dort hat einen Wurmstich! und sieh, diese da ist ja ganz schief! Im Grunde sind es häßliche Rosen! sie gleichen dem Kasten, in welchem sie stehen!«und dann stieß er mit dem Fuße gegen den Kasten und riß die beiden Rosen ab.»Karl, was machst Du?«rief das kleine Mädchen; und als er ihren Schreck gewahr wurde, riß er noch eine Rose ab und lief dann in sein Fenster hinein von dem kleinen, lieblichen Gretchen fort.

      

      Wenn sie später mit dem Bilderbuche kam, dann sagte er, daß das für Säuglinge sei, und erzählte die Großmutter Geschichten, so kam er immer mit einem Aber; ja, konnte er dazu gelangen, dann ging er hinter ihr her, setzte eine Brille auf und sprach eben so wie sie; das machte er ganz treffend, und dann lachten die Leute über ihn. Bald konnte er allen Menschen in der ganzen Straße nachsprechen und nachgehen. Alles, was ihnen eigen und unschön war, das wußte Karl nachzumachen, und dann sagten die Leute:»Das ist sicher ein ausgezeichneter Kopf, den der Knabe hat!«Aber das war das Glas, was ihm in das Auge gekommen, das Glas, welches ihm in dem Herzen saß; daher kam es, daß er selbst das kleine Gretchen neckte, die ihm von ganzem Herzen gut war.

      

      Seine Spiele wurden nun ganz anders als früher, sie wurden ganz verständig! An einem Wintertage, als es schneite, kam er mit einem großen Brennglase, hielt seinen blauen Rockzipfel hinaus und ließ die Schneeflocken darauf fallen.

      «Sieh nun in das Glas, Gretchen!«sagte er, und jede Schneeflocke wurde viel größer und sah aus wie eine prächtige Blume oder ein zehneckiger Stern; es war schön anzusehen.»Siehst Du, wie künstlich!«sagte Karl.»Das ist weit hübscher als die wirklichen Blumen, und es ist kein einziger Fehler daran, sie sind ganz regelmäßig, wenn sie nur nicht schmelzen würden!«

      Bald darauf kam Karl mit großen Handschuhen und seinem Schlitten auf dem Rücken und rief Gretchen in die Ohren:»Ich habe Erlaubniß erhalten, auf den großen Platz zu fahren, wo die andern Knaben spielen!«und weg war er.

      

      Dort auf dem Platze banden oft die kecksten Knaben ihre Schlitten an die Wagen der Landleute fest und dann fuhren sie ein gutes Stück Weges mit. Das ging prächtig. Als sie im besten Spielen waren, da kam ein großer Schlitten, der war ganz weiß angestrichen, und darin saß Jemand in einen rauhen, weißen Pelz gehüllt und mit einer weißen, rauhen Mütze. Der Schlitten fuhr zweimal herum um den Platz, und Karl band seinen kleinen Schlitten schnell daran fest und nun fuhr er mit. Es ging rascher und rascher, gerade hinein in die nächste Straße; der, welcher fuhr, wendete das Haupt und nickte freundlich zu, es war gerade, als ob sie einander kannten. Jedesmal, wenn Karl seinen kleinen Schlitten ablösen wollte, nickte die Person wieder, und dann blieb Karl sitzen. Sie fuhren endlich zum Stadtthor hinaus, da begann der Schnee so stark hernieder zu fallen, daß der kleine Knabe keine Hand vor sich erblicken konnte, aber er fuhr davon. Da ließ er schnell die Schnur fallen, um von dem großen Schlitten loszukommen, aber das half nichts, sein kleines Fahrzeug hing fest, und es ging mit Windeseile. Da rief er ganz laut, aber Niemand hörte ihn, der Schnee trieb und der Schlitten flog von dannen; mitunter gab es einen Sprung, es war, als führe er über Gräben und Hecken. Er war ganz erschrocken, er wollte sein Vaterunser beten, aber er konnte sich nur des großen Einmaleins entsinnen.

      Die Schneeflocken wurden größer und größer, zuletzt sahen sie aus wie große, weiße Hühner; auf einmal sprangen sie zur Seite, der große Schlitten hielt, und die Person, die ihn fuhr, erhob sich. Pelz und Mütze waren ganz und gar von Schnee, es war eine Dame, hoch und schlank, glänzend weiß, es war die Schneekönigin.

      «Wir sind gut gefahren!«fügte sie,»aber wer wird frieren! Kriege in meinen Bärenpelz!«und sie setzte ihn neben sich in den Schlitten, schlug den Pelz um ihn und es war, als versinke er in einem Schneetreiben.

      «Friert Dich noch?«fragte sie, und dann küßte sie ihn auf die Stirn. O! das war kälter als Eis, das ging ihm gerade hinein bis an sein Herz, welches ja doch zur Hälfte ein Eisklumpen war. Es war, als sollte er sterben, aber nur einen Augenblick, dann that es ihm gerade recht wohl; er spürte nichts mehr von der Kälte ringsumher.

      «Meinen Schlitten! vergiß nicht meinen Schlitten!«daran dachte er zuerst, und der wurde an eines der weißen Hühner festgebunden, und dieses flog hinterher mit dem Schlitten auf dem Rücken. Die Schneekönigin küßte Karl nochmals und dann hatte er das kleine Gretchen, die Großmutter und Alle daheim vergessen.

      «Nun bekommst Du keine Küsse mehr, «sagte sie,»denn sonst küsse ich Dich todt!«

      Karl sah sie an, sie war sehr schön, ein klügeres, lieblicheres Antlitz konnte er sich nicht denken. Sie erschien ihm nun nicht von Eis, wie damals, als sie draußen vor dem Fenster saß und ihm winkte; in seinen Augen war sie vollkommen, er fühlte gar keine Furcht; er erzählte ihr, daß er im Kopfe rechnen könnte, und zwar mit Brüchen, er wisse die Größe des Landes und die Einwohnerzahl, und sie lächelte immer. Das kam ihm vor, als wäre es noch nicht genug, was er wisse, und er blickte hinauf in den großen, großen Luftraum und sie flog mit ihm, flog hoch hinauf in die schwarze Wolke, und der Sturm sauste und brauste, es war, als sänge er alte Lieder. Sie flogen über Wälder und Seen, über Meere und Länder; unter ihnen sauste der kalte Wind, die Wölfe heulten, der Schnee funkelte, über demselben flogen die schwarzen, schreienden Krähen dahin, aber hoch oben schien der Mond groß und klar, und den betrachtete Karl die lange, lange Winternacht; am Tage schlief er zu den Füßen der Schneekönigin.

      

      Dritte Geschichte. Der Blumengarten bei der Frau, welche zaubern konnte

      

      

      Aber wie erging es dem kleinen Gretchen, als Karl nicht zurückkehrte? Wo war er doch geblieben? – Niemand wußte es, Niemand konnte Bescheid geben. Die Knaben erzählten nur, daß sie ihn seinen Schlitten an einen prächtig großen haben binden sehen, der in die Straße hinein und aus dem Stadtthore gefahren sei, Niemand wußte, wo er war, viele Thränen flössen, das kleine Gretchen weinte viel und lange; dann sagten sie, er sei todt, er sei im Flusse versunken, der nahe bei der Stadt vorbei floß. O, das waren recht lange, finstere Wintertage.

      Nun kam der Frühling mit warmem Sonnenschein.

      «Karl ist

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