Das Geschlechtsleben in der Deutschen Vergangenheit. Bauer Max
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sagt er sehr richtig, schränkt aber seine Meinung wieder dahin ein:
»Das Weib man immer bitten soll,
Ihr aber stehts Versagen wohl.«
Besonders schlecht ist ein elsässischer Bischof auf die Männer zu sprechen. Buhlerei und Ausschweifungen gelten nach ihm nicht mehr als Vergehen, denn die meisten Männer werten die Frau nicht höher als einen Becher Wein, ihr Ross, ihr Federspiel oder ihre Meute.
Selbstredend gab es wie unter den Männern jener Zeit, so auch unter den Frauen Ausnahmen, die von unverbrüchlicher Gattentreue bis über das Grab hinaus, von echter Frömmigkeit und von einer Himmelssehnsucht zeugen, die blind gegen alles Irdische nur für das Jenseits lebte und die Vorbereitung für das ewige Leben als einzigen Daseinszweck betrachtete. Die heilige Elisabeth stand mit ihrem asketischen Leben, aus dem selbst das Bad als frivoles Vergnügen verbannt war, keineswegs vereinzelt da, ebensowenig wie jene Herrscherin, die sich selbst in der Ehe die Jungfräulichkeit zu bewahren wusste. Aber derartige Erscheinungen blieben in der Minderzahl gegenüber der allgemein verbreiteten Frivolität, die sich weniger auf das eben entstandene Bürgertum, als auf die in engster Berührung mit dem Adel lebende Landbevölkerung weiterverbreitete und diese auf Jahrhunderte hinaus verseuchte.
Das Leben auf dem Dorfe
Das Leben der Bauern war während des ganzen Mittelalters hindurch eine ununterbrochene Kette von Misshandlungen und Verfolgungen seitens ihrer Herren: des Adels und des Klerus. Der Bauernstand, und nicht nur der leibeigene, lebte in fortwährender Knechtung, vollkommen abhängig von der Willkür seiner Besitzer. Nie war er davor sicher, von den Seinen getrennt zu werden, wenn es dem Herrn gefiel, die Frau oder die Kinder des Hörigen zu verschenken, zu verkaufen oder zu verpfänden. Im Jahre 1333 versilberte Konrad Truchsess von Urach zwei Bauernweiber mit ihrer Nachkommenschaft an das Kloster Lorch um drei Pfund Heller. Das Jus primae noctis beraubte ihn der Jungfräulichkeit der Gattin, deren Tugend überdies alle möglichen Fährlichkeiten drohten. Ward ein Bauer um Geld gestraft, und dieses nicht eintreibbar, und konnte auch an seinem Besitztum die Strafe nicht vollstreckt werden, dann sollte, wie das Weistum von Wilzhut, zwischen Braunau und Salzburg, bestimmt, die Frau des Straffälligen geschändet werden.
Dieses Weistum ist so vorsorglich, zu dekretieren, dass es dem Gerichtspfleger gestattet sei, falls die Frau »gefiel aber dem pfleger an der gestalt nicht«, er die Entehrung dem Gerichtsschreiber abtreten und dieser, wenn auch ihm die Ausführung nicht zusagte, sie dem Amtmanne »auferladen« könne. Nach wie vor waren die frischen Dirnen ein begehrter Artikel, um die Harems der Herren zu bevölkern. Der Ritter Ulrich von Berneck hielt sich nach dem Tode seiner Frau zwölf hübsche junge Mädchen »zur Erleichterung seiner Witwerschaft«. Kaiser Friedrich II. hatte seinen Harem, dem auch die Eunuchen nicht fehlten, in Luceria.
Das einzige Vergnügen jener bemitleidenswerten, erniedrigten Menschen war neben Völlerei die rohe sinnliche Liebe, der sie fröhnten, wo und wann sich Gelegenheit dazu bot.
Weit besser als die Hörigen und selbst freien Bauern Norddeutschlands waren die Ackerbürger im Süden Deutschlands daran, die sich ihre Selbständigkeit zu wahren gewusst, auf ihrem Grund und Boden nicht selten mit Glücksgütern reich gesegnet als eigene Herren schaltend, sich den Rittern gleichhielten, deren Tracht und Lebensgewohnheiten sie ins Dorf zu verpflanzen trachteten. Diese Nachahmung ritterlicher Sitten und Gebräuche verzerrte sich unter den ungehobelten Bauernfäusten natürlich ins Groteske, ab und zu ins Widerlich-Gemeine. Ein köstliches Beispiel bäuerlicher Grossmannssucht ist uns im »Meier Helmbrecht« von Wernher dem Gärtner, der ältesten deutschen Dorfgeschichte, entstanden im 13. Jahrhundert, überliefert. Der Titelheld, ein reicher Bauerssohn, den die Eltern verzärtelt, strebt darnach, Ritter zu werden, bringt es aber nur zum Strauchdieb, der vom Schicksal ereilt, geblendet, eines Fusses und einer Hand beraubt wird, als eben seine Schwester Gotelinde mit einem seiner Spiessgesellen Hochzeit hält.41
Wie die Dorfburschen, so liebäugelten auch die Alten mit den edlen Herren und sahen wohlgefällig zu, wenn ein Ritter eine arme Verwandte einem reichen Bauerssohn als Gattin aufhalste, oder ein verarmter Rittersmann ein hübsches Dirnlein heimführte, um mit der Mitgift sein verrostetes Schild neu zu vergolden42 – also nichts Neues unter der Sonnen! Besonders den Dorfschönen stachen die noblen Herren in die Augen, die so ganz anders geartet waren, als die grobkörnigen Burschen, die so zierliche Redensarten zu drechseln wussten und mit Geschenken nicht geizten. Aus den Liedern der Minnesänger ist ersichtlich, dass die Adeligen diese gute Meinung zu nutzen verstanden und Abenteuern mit den drallen Dirnen keineswegs aus dem Wege gingen. Nidhardt von Reuenthal ergeht sich in breiten Schilderungen seiner Erfolge und über das Liebesleben auf dem Dorfe. In einem seiner Gedichte unterhalten sich Mutter und Tochter, und die Mutter meint, das 16jährige Töchterchen sei noch viel zu jung zur Liebe. »Ei was,« entgegnet diese schnippisch, »Ihr wart ja erst zwölf Jahre, als Ihr Euerer Jungfernschaft ledig wurdet.« »Nun so nimm meinetwegen Liebhaber so viel du willst.« »Das thät' ich auch gerne, wenn Ihr mir nicht immer die Männer vor der Nase wegfischtet. Pfui doch, hol Euch der Teufel! Habt doch schon einen Mann, was braucht Ihr noch andere?« »Pst, schweig still, Töchterlein. Minne wenig oder viel, ich will nichts dagegen haben, und solltest du auch ein Kindlein wiegen müssen. Sei aber auch verschwiegen, wenn du mich der Liebe nachgehen siehst.«
Hermann von Sachsenheim hat im Liederbuche der Klara Hätzlerin einen für ihn sehr unrühmlichen Sturm auf eine Grasmagd besungen. Oswald von Wolkenstein weiss gleichfalls von Abenteuern mit Dörflerinnen zu erzählen, ebenso Tannhäuser und andere Minnesänger mehr.
Die Dorfschönen fühlten sich eben durch die Bevorzugung seitens des Adels geehrt, und ihre Liebhaber und Gatten drückten gerne ein Auge zu, geradeso wie es sich etwas später die Bürger zur Ehre rechneten, wenn irgend ein Höhergestellter, oder gar – horribile dictu – ein Adeliger, sich gnädigst herabliess, ihre Frauen zu verführen. Darauf deutet wenigstens die Stelle in Balthasar Voigts, Pastors zu Drubeck, »Ägyptischem Joseph« hin, eine »geistliche Komödie, sowohl in kleinen als grossen Schulen zu agieren«, ein Machwerk voll widerlicher Plattheiten und Schweinereien, die aber trotzdem von halbwüchsigen Knaben gesprochen und dargestellt wurden! In dieser »Schulkomödie« erzählt Medea, Potiphars Frau, von Josephs angeblichem Verführungsversuch:
»Kein Edelmann, kein Graf im Reich,
Die doch gewest wärn Meinesgleich,
Haben mir Unehr zugemut't,
Wie dieser euer Hebräer thut.
Wär mirs geschehn von einem Edelmann,
Möcht ihr's euch ziehn zu Ehren an,
Dass ihr zum Weib hätt solch Matron,
Welch gefiel jeder Adelsperson.«
Und so etwas schrieb ein Geistlicher für die Jugend!
Neben den Rittern und Knappen waren hauptsächlich die Dorfpfaffen bei den Frauen als Liebhaber beliebt, worauf ich noch zurückkommen muss, ebenso wie bei den Männern die Mägde des eigenen Hauses und die Frauen und Töchter der Nachbarn. Übrigens ist aus dem Schwankbuche »Peter Leu« ersichtlich, dass die schlauen Mägdlein schon damals die Kunst verstanden, irgend einem unschuldigen armen Teufel die Paternität aufzubrummen, die ein ganz anderer auf dem Gewissen hatte.43
Wo Verführung gang und gäbe war, fehlten auch deren Folgeerscheinungen, namentlich der Kindesmord, nicht. Strenge, zum Teil unmenschliche Strafen sollten das Übel steuern. »Kindsvertilgerin lebendig ins Grab, ein rohr ins maul, ein stecken durchs hertz« bestimmt beispielsweise das Brenngenborner Weistum von 1418. Noch grausamer waren die urwüchsigen Dithmarschen Bauern, welche sogar gefallene Mädchen im Sumpfe lebendig begruben, welches Urteil der älteste
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Eine in jeder Beziehung ausgezeichnete Neubearbeitung Meier Helmbrechts lieferte Ludwig Fulda (Hendel, Halle a. S.), deren Lektüre nicht warm genug empfohlen werden kann.
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Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, II.I S. 64 ff.
43
Peter Leu, erneut v. Karl Pannier, 12. Kap. S. 98.