Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк

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Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк Moderne Prosa

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ist dabei wohl jeder Kasernenhofschliff zuteil geworden, der möglich war, und oft haben wir vor Wut geheult. Manche von uns sind auch krank dadurch geworden. Wolf ist sogar an Lungenentzündung gestorben. Aber wir wären uns lächerlich vorgekommen, wenn wir klein beigegeben hätten. Wir wurden hart, misstrauisch, mitleidlos, rachsüchtig, roh – und das war gut; denn diese Eigenschaften fehlten uns gerade. Hätte man uns ohne diese Ausbildungszeit in den Schützengraben geschickt, dann wären wohl die meisten von uns verrückt geworden. So aber waren wir vorbereitet für das, was uns erwartete.

      Wir zerbrachen nicht, wir passten uns an; unsere zwanzig Jahre, die uns manches andere so schwer machten, halfen uns dabei. Das Wichtigste aber war, dass in uns ein festes, praktisches Zusammengehörigkeitsgefühl erwachte, das sich im Felde dann zum Besten steigerte, was der Krieg hervorbrachte: zur Kameradschaft!

* * *

      Ich sitze am Bette Kemmerichs. Er verfällt mehr und mehr. Um uns ist viel Radau*. Ein Lazarettzug ist angekommen, und die transportfähigen Verwundeten werden ausgesucht. An Kemmerichs Bett geht der Arzt vorbei, er sieht ihn nicht einmal an.

      »Das nächstemal, Franz«, sage ich.

      Er hebt sich in den Kissen auf die Ellbogen. »Sie haben mich amputiert.«

      Das weiß er also doch jetzt. Ich nicke und antworte:

      »Sei froh, dass du so weggekommen bist.«

      Er schweigt.

      Ich rede weiter: »Es konnten auch beide Beine sein, Franz. Wegeler hat den rechten Arm verloren. Das ist viel schlimmer. Du kommst ja auch nach Hause.«

      Er sieht mich an. »Meinst du?«

      »Natürlich.«

      Er wiederholt: »Meinst du?«

      »Sicher, Franz. Du musst dich nur erst von der Operation erholen.«

      Er winkt mir, heranzurücken. Ich beuge mich über ihn, und er flüstert: »Ich glaube es nicht.«

      »Rede keinen Quatsch, Franz, in ein paar Tagen wirst du es selbst einsehen. Was ist das schon groß: ein amputiertes Bein; hier werden ganz andere Sachen wieder zurechtgepflastert.«

      Er hebt eine Hand hoch. »Sieh dir das mal an, diese Finger.«

      »Das kommt von der Operation. Futtere nur ordentlich, dann wirst du schon aufholen. Habt ihr anständige Verpflegung?«

      Er zeigt auf eine Schüssel, die noch halb voll ist. Ich gerate in Erregung. »Franz, du musst essen. Essen ist die Hauptsache. Das ist doch ganz gut hier.«

      Er wehrt ab. Nach einer Pause sagt er langsam: »Ich wollte mal Oberförster werden.«

      »Das kannst du noch immer«, tröste ich. »Es gibt jetzt großartige Prothesen, du merkst damit gar nicht, dass dir etwas fehlt. Sie werden an die Muskeln angeschlossen. Bei Handprothesen kann man die Finger bewegen und arbeiten, sogar schreiben. Und außerdem wird da immer noch mehr erfunden werden.«

      Er liegt eine Zeitlang still. Dann sagt er: » Du kannst meine Schnürschuhe für Müller mitnehmen.«

      Ich nicke und denke nach, was ich ihm Aufmunterndes sagen kann. Seine Lippen sind weggewischt, sein Mund ist größer geworden, die Zähne stechen hervor, als wären sie aus Kreide. Das Fleisch zerschmilzt, die Stirn wölbt sich stärker, die Backenknochen stehen vor. Das Skelett arbeitet sich durch. Die Augen versinken schon. In ein paar Stunden wird es vorbei sein.

      Er ist nicht der erste, den ich so sehe; aber wir sind zusammen aufgewachsen, da ist es doch immer etwas anders. Ich habe die Aufsätze von ihm abgeschrieben. Er trug in der Schule meistens einen braunen Anzug mit Gürtel, der an den Ärmeln blankgewetzt war. Auch war er der einzige von uns, der die große Riesenwelle am Reck* konnte. Das Haar flog ihm wie Seide ins Gesicht, wenn er sie machte. Kantorek war deshalb stolz auf ihn. Aber Zigaretten konnte er nicht vertragen. Seine Haut war sehr weiß, er hatte etwas von einem Mädchen.

      Ich blicke auf meine Stiefel. Sie sind groß und klobig, die Hose ist hineingeschoben; wenn man aufsteht, sieht man dick und kräftig in diesen breiten Röhren aus. Aber wenn wir baden gehen und uns ausziehen, haben wir plötzlich wieder schmale Beine und schmale Schultern. Wir sind dann keine Soldaten mehr, sondern beinahe Knaben, man würde auch nicht glauben, dass wir Tornister schleppen können. Es ist ein sonderbarer Augenblick, wenn wir nackt sind; dann sind wir Zivilisten und fühlen uns auch beinahe so.

      Franz Kemmerich sah beim Baden klein und schmal aus wie ein Kind. Da liegt er nun, weshalb nur? Man sollte die ganze Welt an diesem Bette vorbeiführen und sagen: Das ist Franz Kemmerich, neunzehneinhalb Jahre alt, er will nicht sterben. Lasst ihn nicht sterben!

      Meine Gedanken gehen durcheinander. Diese Luft von Karbol und Brand verschleimt die Lungen, sie ist ein träger Brei, der erstickt.

      Es wird dunkel. Kemmerichs Gesicht verbleicht, es hebt sich von den Kissen und ist so blaß, dass es schimmert. Der Mund bewegt sich leise. Ich nähere mich ihm. Er flüstert: »Wenn ihr meine Uhr findet, schickt sie nach Hause.«

      Ich widerspreche nicht. Es hat keinen Zweck mehr. Man kann ihn nicht überzeugen. Mir ist elend vor Hilflosigkeit. Diese Stirn mit den eingesunkenen Schläfen, dieser Mund, der nur noch Gebiss ist, diese spitze Nase! Und die dicke weinende Frau zu Hause, an die ich schreiben muss. Wenn ich nur den Brief schon weg hätte.

      Lazarettgehilfen gehen herum mit Flaschen und Eimern. Einer kommt heran, wirft Kemmerich einen forschenden Blick zu und entfernt sich wieder. Man sieht, dass er wartet, wahrscheinlich braucht er das Bett.

      Ich rücke nahe an Franz heran und spreche, als könnte ihn das retten: »Vielleicht kommst du in das Erholungsheim am Klosterberg, Franz, zwischen den Villen. Du kannst dann vom Fenster aus über die Felder sehen bis zu den beiden Bäumen am Horizont. Es ist jetzt die schönste Zeit, wenn das Korn reift, abends in der Sonne sehen die Felder dann aus wie Perlmutter. Und die Pappelallee am Klosterbach, in dem wir Stichlinge* gefangen haben! Du kannst dir dann wieder ein Aquarium anlegen und Fische züchten, du kannst ausgehen und brauchst niemand zu fragen, und Klavier spielen kannst du sogar auch, wenn du willst.«

      Ich beuge mich über sein Gesicht, das im Schatten liegt. Er atmet noch, leise. Sein Gesicht ist nass, er weint. Da habe ich ja schönen Unsinn angerichtet mit meinem dummen Gerede!

      »Aber Franz« – ich umfasse seine Schulter und lege mein Gesicht an seins. »Willst du jetzt schlafen?«

      Er antwortet nicht. Die Tränen laufen ihm die Backen herunter. Ich möchte sie abwischen, aber mein Taschentuch ist zu schmutzig.

      Eine Stunde vergeht. Ich sitze gespannt und beobachte jede seiner Mienen, ob er vielleicht noch etwas sagen möchte. Wenn er doch den Mund auftun und schreien wollte! Aber er weint nur, den Kopf zur Seite gewandt. Er spricht nicht von seiner Mutter und seinen Geschwistern, er sagt nichts, es liegt wohl schon hinter ihm; – er ist jetzt allein mit seinem kleinen neunzehnjährigen Leben und weint, weil es ihn verlässt.

      Dies ist der fassungsloseste und schwerste Abschied, den ich je gesehen habe, obwohl es bei Tiedjen auch schlimm war, der nach seiner Mutter brüllte, ein bärenstarker Kerl, und der den Arzt mit aufgerissenen Augen angstvoll mit einem Seitengewehr von seinem Bett fernhielt, bis er zusammenklappte.

      Plötzlich stöhnt Kemmerich und fängt an zu röcheln. Ich springe auf, stolpere hinaus und frage: »Wo ist der Arzt? Wo ist der Arzt?«

      Als ich den weißen Kittel sehe, halte ich ihn fest.

      »Kommen

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