Gespräche für Freimaurer. Gotthold Ephraim Lessing
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ERNST
Wenn nicht vollkommen ebendenselben, doch einen etwanigen.
FALK
Der etwanige Begriff wäre hier unnütz oder gefährlich. Unnütz, wenn er nicht genug, und gefährlich, wenn er das geringste zu viel enthielte.
ERNST
Sonderbar! Da also selbst die Freimäurer, welche das Geheimnis ihres Ordens wissen, es nicht wörtlich mitteilen können, wie breiten sie denn gleichwohl ihren Orden aus?
FALK
Durch Taten. Sie lassen gute Männer und Jûnglinge, die sie ihres nähern Umgangs würdigen, ihre Taten vermuten, erraten, sehen, soweit sie zu sehen sind; diese finden Geschmack daran und tun ähnliche Taten.
ERNST
Taten? Taten der Freimäurer? Ich kenne keine andere als ihre Reden und Lieder, die meistenteils schöner gedruckt als gedacht und gesagt sind.
FALK
Das haben sie mit mehrern Reden und Liedern gemein.
ERNST
Oder soll ich das für ihre Taten nehmen, was sie in diesen Reden und Liedern von sich rühmen?
FALK
Wenn sie es nicht bloss von sich rühmen.
ERNST
Und was rühmen sie denn von sich?—Lauter Dinge, die man von jedem guten Menschen, von jedem rechschaffnen Bürger erwartet.—Sie sind so freundlich, so guttätig, so gehorsam, so voller Vaterlandsliebe!
FALK
Ist denn das nichts?
ERNST
Nichts!—um sich dadurch von andern Menschen auszusondern.—Wer soll das nicht sein?
FALK
Soll!
ERNST
Wer hat, dieses zu sein, nicht, auch ausser der Freimäurerei, Antrieb und Gelegenheit genug?
FALK
Aber doch in ihr und durch sie eine Antrieb mehr.
ERNST
Sage mir nichts von der Menge der Antriebe. Lieber einem einzigen Antriebe alle mögliche intensive Kraft gegeben!—Die menge solcher Antriebe ist wie die Menge der Räder in einer Maschine. Je mehr Räder: desto wandelbarer.
FALK
Ich kann dir das nicht widersprechen.
ERNST
Und was für einen Antrieb mehr!—Der alle andre Antriebe verkleinert, verd¨chtig macht! sich selbst für den stärksten und besten ausgibt!
FALK
Freund, sei billig!—Hyperbel, Quidproquo jener schalen Reden und Lieder! Proberwerk! Jüngerarbeit!
ERNST
Das will sagen: Bruder Redner ist ein Schwätzer.
FALK
Das will nur sagen: was Bruder Redner an den Freimäurern preiset, das sind nun freilich ihre Taten eben nicht. Denn Bruder Redner ist wenigstens kein Plauderer; und Taten sprechen von selbst.
ERNST
Ja, nun merke ich, worauf du zielest. Wie konnten sie mir nicht gleich einfallen, diese Taten, diese sprechende Taten. Fast möchte ich sie schreiende nennen. Nicht genug, dass sich die Freimäurer einer den andern unterstützen, auf das kräfstigste unterstützen: denn das wäre nur die notwendige Eigenschaft einer jeden Bande. Was tun sie nicht für das gesamte Publikum eines jeden Staats, dessen Glieder sie sind!
FALK
Zum Exempel?—Damit ich doch höre, ob du auf der rechten Spur bist.
ERNST
Zum Exempel die Freimäurer in Stockholm!—Haben sie nicht ein grosses Findelhaus errichtet?
FALK
Wenn die Freimäurer in Stockholm sich nur auch bei einer andern Gelegenheit tätig erwiesen haben.
ERNST
Bei welchem andern?
FALK
Bei sonst andern, meine ich.
ERNST
Und die Freimäurer in Dresden, die arme junge Mädchen mit Arbeit beschäftigen, sie klöppeln und stükken lassen—damit das Findelhaus nur kleiner sein dürfe.
FALK
Ernst! Du weisst wohl, wenn ich dich deines Namens erinnere.
ERNST
Ohne alle Glossen dann. Und die Freimäurer in Braunschweig, die arme fähige Knaben im Zeichnen unterrichten lassen.
FALK
Warum nicht?
ERNST
Und die Freimäurer in Berlin, die das Basedowsche Philanthropin unterstützen.
FALK
Was sagst du?—Die Freimäurer? Das Philanthropin? unterstützen?—Wer hat dir das aufgebunden?
ERNST
Die Zeitung hat es ausposaunet.
FALK
Die Zeitung!—Da müsste ich Basedows eigenhändige Quittung sehen. Und müsste gewiss sein, dass die Quittung nicht an Freimäurer in Berlin, sondern an die Freimäurer gerichtet wäre.
ERNST
Was ist das?—Billigest du denn Basedows Institut nicht?
FALK
Ich nicht? Wer kann es mehr billigen?
ERNST
So wirst du ihm ja diese Unterstützung nicht misgönnen?
FALK
Misgönnen?—Wer kann ihm alles