Письмо незнакомки / Brief einer Unbekannten. Стефан Цвейг

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Письмо незнакомки / Brief einer Unbekannten - Стефан Цвейг страница 8

Письмо незнакомки / Brief einer Unbekannten - Стефан Цвейг Легко читаем по-немецки

Скачать книгу

Amokläufer

      Im März des Jahres 1912 ereignete[105] sich im Hafen von Neapel bei dem Ausladen eines großen Überseedampfers ein merkwürdiger Unfall, über den die Zeitungen umfangreiche, aber sehr phantastisch ausgeschmückte[106] Berichte brachten. Obzwar Passagier der „Oceania“, war es mir ebenso wenig wie den anderen möglich, Zeuge[107] seltsamen Vorfalles zu sein. Es ereignete sich zur Nachtzeit während des Kohlenladens und der Löschung der Fracht[108], wir aber, um den Lärm zu entgehen, alle an Land gegangen waren und dort in Kaffeehäusern oder Theatern die Zeit verbrachten. Immerhin meine ich persönlich, dass manche Vermutungen, die wirkliche Aufklärung jener Szene in sich tragen, und die Ferne der Jahre erlaubt mir wohl, das Vertrauen eines Gespräches zu nutzen, das jener seltsamen Episode unmittelbar[109] vorausging.

      Als ich in der Schiffsagentur von Kalkutta einen Platz für die Rückreise nach Europa auf der „Oceania“ bestellen wollte, zuckte der Clerk bedauernd die Schultern. Am nächsten Tage teilte er mir erfreulicherweise mit, er könne mir noch einen Platz vormerken, freilich sei es nur eine wenig komfortable Kabine unter Deck und in der Mitte des Schiffes. Ich war schon ungeduldig, heimzukehren. Ich zögerte nicht lange und ließ mir den Platz zuschreiben.

      Der Clerk hatte mich richtig informiert. Das Schiff war überfüllt und die Kabine schlecht, ein kleiner gepresster, rechteckiger Winkel in der Nähe der Dampfmaschine. Die stockende, verdickte Luft roch nach Öl und Mod: nicht für einen Augenblick konnte man dem elektrischen Ventilator entgehen. Von unten her ratterte und stöhnte die Maschine, von oben hörte man unaufhörlich das schlurfende[110] Hin und Her der Schritte vom Promenadendeck. So flüchtete[111] ich wieder zurück auf Deck, und wie Ambra einatmete ich den süßlichen weichen Wind, der vom Lande her über die Wellen wehte.

      Aber auch das Promenadendeck war voll Enge und Unruhe: es flirrte von Menschen, die mit der flackernden Nervosität plaudernd auf und nieder gingen. Das zwitschernde Geschäker[112] der Frauen, das rastlos kreisende Wandern tat mir irgendwie weh. Ich hatte eine neue Welt gesehen. Nun wollte ich mir übersinnen, zerteilen, ordnen, nachbildend das heiß in den Blick Gedrängte gestalten. Aber es war unmöglich, mit sich selbst auf dieser schattenlosen wandernden Schiffsgasse allein zu sein.

      Drei Tage lang versuchte ich, sah resigniert[113] auf die Menschen, auf das Meer. Aber das Meer blieb immer dasselbe, blau und leer, nur im Sonnenuntergang plötzlich mit allen Farben war es übergossen. Und die Menschen kannte ich auswendig nach dreimal vierundzwanzig Stunden. Jedes Gesicht war mir vertraut bis zum Überdruss, das scharfe Lachen der Frauen reizte, das Streiten zweier nachbarlicher holländischer Offiziere ärgerte nicht mehr. So blieb nur Flucht: aber die Kabine war heiß und dunstig, im Salon produzierten englische Mädchen ihr schlechtes Klavierspiel. Schließlich drehte ich entschlossen die Zeitordnung um, tauchte in die Kabine schon nachmittags hinab, nachdem ich mich zuvor mit ein paar Gläsern Bier betäubt, um den Tanzabend zu überschlafen.

      Als ich aufwachte, war es ganz dunkel und dumpf in dem kleinen Sarg der Kabine. Meine Sinne waren irgendwie betäubt: ich brauchte Minuten, um mich an Zeit und Ort zurück zu finden. Mitternacht musste jedenfalls schon vorbei sein, denn ich hörte weder Musik noch den rastlosen Schlurf der Schritte.

      Ich tastete empor[114] auf Deck. Es war leer. Der Himmel strahlte. Er war dunkel gegen die Sterne, aber doch: er strahlte; es war, als verhüllte[115] dort ein samtener Vorhang ungeheures Licht. Nie hatte ich den Himmel gesehen wie in dieser Nacht, so strahlend, so stahlblau hart und doch funkelnd, quellend von Licht, das vom Mond verhangen niederschwoll. Gerade aber zu Häupten[116] stand mir das magische Sternbild, das Südkreuz, mit flimmernden diamantenen Nägeln ins Unsichtbare gehämmert[117].

      Ich stand und sah empor: mir war wie in einem Bade, wo Wasser warm von oben fallt. Ich atmete befreit, rein, und spürte auf den Lippen wie ein klares Getränk die Luft, die weiche, leicht trunken machende Luft, in der Atem von Früchten, Duft von fernen Inseln war. Nun, nun zum ersten Mal, seit ich die Planken betreten habe, überkam mich die heilige Lust des Träumens. So tastete ich weiter, allmählich dem Vorderteil des Schiffes zu, ganz geblendet vom Licht, das immer heftiger aus den Gegenständen auf mich zu dringen schien. Ich hatte Verlangen, mich irgendwo im Schatten zu vergraben, hingestreckt auf eine Matte, den Glanz nicht an mir zu fühlen, sondern nur über mir.

      Endlich kam ich bis an den Kiel und sah hinab, wie der Bug[118] in das Schwarze stieß und geschmolzenes Mondlicht schäumend zu beiden Seiten der Schneide aufsprühte. Und im Schauen verlor ich die Zeit. War es eine Stunde, dass ich so stand, oder waren es nur Minuten: im Auf und Nieder schaukelte mich die ungeheure Wiege[119]

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

      Примечания

      1

      flüchtig – беглый

      2

      lässig – небрежный

      3

      Begleitschreiben, n – сопроводительная записка

      4

      erträumten – воображать

      5

      Seine Neugier war plötzlich wach – внезапно у него проснулось любопытство

      6

      zusammenbrechen – обессилить

Скачать книгу


<p>105</p>

ereignen – случаться

<p>106</p>

ausschmücken – приукрашивать

<p>107</p>

Zeuge, m – свидетель

<p>108</p>

Fracht, f – груз

<p>109</p>

unmittelbar – непосредственно

<p>110</p>

schlurfen – шаркать ногами

<p>111</p>

flüchten – бежать

<p>112</p>

Geschäker, n – любезничание

<p>113</p>

resegniert – примирившийся

<p>114</p>

empor – вверх

<p>115</p>

verhüllen – застилать

<p>116</p>

zu Häupten – над головой

<p>117</p>

hämmern – прибивать

<p>118</p>

Bug, m – носовая часть

<p>119</p>

Wiege, f – колыбель