Die Herrschaft Der Königinnen . Морган Райс
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KAPITEL SECHS
Darius rann den Trampelpfad aus seinem Dorf entlang und folgte den Fußspuren in Richtung Volusia. In seinem Herz brannte die feste Entschlossenheit, Loti zu retten, und die Männer zu töten, die sie geholt hatten. Er rannte mit einem Schwert in der Hand – einem echten Schwert aus echtem Metall. Es war das erste Mal, dass er in seinem Leben eine Waffe aus Metall in Händen hielt. Er wusste, dass das alleine ausreichte, ihn und sein ganzes Dorf zu töten. Metall war ein absolutes Tabu – selbst sein Vater und sein Großvater hatten Angst davor gehabt, es zu besitzen. Darius wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte, und von nun an gab es kein Zurück.
Doch Darius war das egal. Die Ungerechtigkeit unter der er leben musste, war zu viel geworden. Nun, da sie Loti geholt hatten, konnte er an nichts anderes mehr denken, als daran, sie zu befreien. Er hatte kaum eine Gelegenheit gehabt, sie besser kennenzulernen, doch seltsamerweise fühlte es sich an, als kannte er sie schon sein ganzes Leben. Es war eine Sache, dass sie alle Sklaven waren, doch dass man sie wegschleppte, um einen Offizier zu heiraten, das war etwas anderes. Er konnte das nicht einfach so mit ansehen, sein Ehrgefühl ließ das nicht zu. Er war nur ein Junge, doch er wusste, dass er an der Schwelle zum Mannsein stand. Er erkannte, dass es diese schweren Entscheidungen waren, die niemand anderer treffen wollte, die ihn zu einem Mann machten.
Darius rannte allein schwer atmend die Straße entlang. Schweiß lief ihm in die Augen. Er war bereit sich alleine einer ganzen Stadt, ja sogar einer ganzen Armee entgegenzustellen. Er musste Loti finden und sie zurückbringen, oder zumindest bei dem Versuch sterben. Er wusste, dass er, sollte er versagen, den Zorn auf seine Familie, sein Dorf und all seine Leute ziehen würde. Doch er machte sich nichts vor, selbst wenn er erfolgreich sein sollte, würde es so sein. Hätte er innegehalten und darüber nachgedacht, wäre er womöglich umgekehrt.
Doch er wurde von etwas angetrieben, das stärker war als sein Selbsterhaltungstrieb. Er wurde vom Wunsch nach Gerechtigkeit getrieben. Nach Freiheit. Von dem Wunsch, seine Unterdrücker loszuwerden und frei zu sein, und sei es auch nur für einen winzigen Augenblick. Wenn nicht für sich selbst, dann für Loti. Für ihre Freiheit.
Darius wurde von Leidenschaft getrieben, nicht von logischen Gedanken. Das da draußen war die Liebe seines Lebens, und er hatte einfach zu oft unter den Händen des Empire gelitten. Die Konsequenzen waren ihm egal. Er musste ihnen zeigen, dass es unter seinem Volk zumindest einen Mann gab, der sich das alles nicht länger gefallen ließ, selbst wenn es nur ein einziger Mann war, oder auch nur ein Junge.
Darius rannte und rannte. Er folgte dem Pfad vorbei an den wohlbekannten Feldern zu den Randgebieten Volusias. Er wusste, dass sie ihn umbringen würden, wenn sie ihn so nahe bei der Stadt sahen. Er sah, dass die Hufabdrücke der Zertas nun dichter beieinander waren, was nur bedeuten konnte, dass sie langsam gingen. Er war sich sicher, dass er sie einholen konnte, wenn er nur schnell genug war.
Darius kam keuchend um eine Biegung hinter einem Hügel, und sah endlich in der Ferne, was er gesucht hatte: Vielleicht hundert Meter vor ihm stand Loti, mit dicken Eisenfessel um den Hals die Handgelenke, die mi einer langen Kette am Geschirr eines der Zertas befestigt war. Auf dem Zerta ritt der Zuchtmeister, der, der sie weggeschleppt hatte, und neben ihm ritten zwei weitere Empire Krieger. Ihre schwarz-goldenen Rüstungen glitzerten in der Sonne. Sie waren gut doppelt so groß wie Darius, ausgezeichnete Krieger, Männer mit den besten Waffen, und noch dazu auf Zertas. Um sie zu überwältigen brauchte man eine ganze Armee von Sklaven.
Doch Darius ließ sich nicht von Furcht bremsen. Die Stärke seines Geistes und seine wilde Entschlossenheit trugen ihn voran, und er wusste, dass das ausreichen musste.
Darius rannte immer weiter, und näherte sich der nichtsahnenden kleinen Karawane von hinten. Bald hatte er sie eingeholt, hob sein Schwert und zerschlug die Kette, mit der Loti an das Zerta gekettet war. Sie sprang erschrocken zurück, als Darius sie befreite und sah ihn sprachlos an. Sie war frei.
Darius drehte sich um, und sah einen genauso erstaunten Blick auf dem Gesicht des Zuchtmeisters, der ihn von seinem Zerta aus anstarrte. Der Krieger neben ihm blieb ebenfalls stehen, nicht minder überrascht über Darius plötzliches Erscheinen.
Mit zitternden Armen stand Darius zwischen Loti und den Kriegern, seine Waffe hoch vor sich erhoben, fest entschlossen keine Angst zu zeigen.
„Sie gehört dir nicht“, rief Darius mit zittriger Stimme. „Sie ist eine freie Frau! Wir sind alle frei!“
Die Krieger sahen den Zuchtmeister an.
„Junge“, rief er Darius zu, „du hast gerade den größten Fehler deines Lebens begangen!“
Er nickte den beiden Kriegern zu, die ihre Schwerter zogen, und auf Darius zustürmten.
Darius wich nicht von der Stelle. Er hielt sein Schwert mit zitternden Händen, und spürte, wie seine Vorfahren auf ihn herabblickten. Er spürte, dass all die Sklaven die je getötet worden waren, auf ihn herabblickten und ihm Kraft gaben. Große Hitze wallte in seinem Körper auf.
Er spürte, wie die Macht, die tief in seinem Inneren schlummerte, sich danach sehnte, angerufen zu werden. Doch er ließ es nicht zu. Er wollte Mann gegen Mann gegen sie kämpfen, sie schlagen, wie ein Mann sie schlagen würde, all sein Training, das er mit seinen Waffenbrüdern genossen hatte, dazu nutzen. Er wollte als Mann siegen, wie ein Mann mit richtigen Waffen kämpfen, und sie auf ihre Art schlagen. Er war immer schneller gewesen als die anderen Jungen, selbst Jungen die älter und viel grösser als er waren.
Er machte sich bereit.
„Loti“, rief er, ohne sich umzudrehen. „LAUF! Geh zurück ins Dorf!“
„NEIN!“, schrie sie zurück.
Darius wusste, dass er etwas tun musste; er konnte nicht einfach so dastehen und darauf warten, dass sie ihn erreichten. Er wusste, dass er sie überraschen musste, etwas tun musste, was sie nicht erwarteten.
Plötzlich stürzte Darius los. Er visierte einen der beiden Krieger an, und stürmte direkt auf ihn zu. Sie trafen sich auf halbem Weg und Darius ließ einen Schlachtruf los. Der Krieger schlug mit seinem Schwert nach Darius Kopf, doch Darius hob seines und blockte den Hieb. Funken flogen, und er spürte die Vibration des Schlages in seinem Arm. Die Stärke seines Gegners traf ihn unvorbereitet.
Der Krieger schwang herum und wollte Darius von der Seite treffen, doch es gelang ihm, auch diesen Schwertstreich abzuwehren. Das hier fühlte sich ganz anders an, als die Trainingskämpfe mit seinen Brüdern; Darius spürte, dass er langsamer war als sonst – die Klinge war so schwer, er musste sich erst daran gewöhnen. Er hatte das Gefühl, als bewegte sich der ältere Krieger doppelt so schnell wie er.
Der Mann holte wieder aus, und Darius erkannte, dass er ihn nicht Schlag um Schlag besiegen konnte; er musste seine anderen Fähigkeiten einsetzen.
Darius wich aus, duckte sich, anstatt den Schlag zu blicken, und rammte seinen Ellbogen gegen den Hals des Kriegers. Der Schlag saß. Der Mann stolperte zurück, fiel auf die Knie, würgte und griff sich an den Hals. Darius ließ den Griff seines Schwertes auf seinen ungeschützten Rücken hinabsausen und schickte ihn mit dem Gesicht voran in den Dreck.
Zur gleichen Zeit kam der andere Krieger auf ihn zu gestürmt und Darius fuhr herum, riss sein Schwert hoch und blockte einen mächtigen Schlag ab, der auf sein Gesicht abzielte. Doch der Krieger ließ sich nicht bremsen, und warf Darius hart auf den Boden.
Seine Rippen schmerzten,