Moreau. Klabund
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Unter den Studenten war einer mit blonden Locken und weichen Händen. Einer von jenen Brutalen der Sensibilität. Ein Welschschweizer.
Er sei ihr täglich um die Schürze gestrichen. Stündlich.
Und endlich habe sie sich nicht mehr zu helfen gewußt.
Er habe ihr die Ehe versprochen. Ganz gewiß, das habe er getan. Und da sei sie ihm verfallen. -
Moreau stöhnt dumpf wie ein gepeinigtes Tier.
»Und?« fragt er. »Und?«
»– Ich werde ein Kind bekommen«, sagt sie leiser und neigt den Kopf. Die Veilchen fallen ihr aus den Haaren.
»Ich bin entehrt. Er hat mich schon verlassen …«
Moreau sprang wie ein brünstiger Hirsch brüllend durch das Dickicht, den Welschschweizer zu suchen.
Gerechtigkeit
Studiere ich darum Recht, um es nirgends zu finden?
Er kannte den Welschschweizer.
Er mußte ihn finden.
Er sah ihn mit einem alten Professor, der wie eine Turteltaube gurrte, in gelehrtem Gespräch sich seitwärts des Festes ergehen.
Mit einem Schrei riß er ihn zu sich heran und zwang ihn hinter ein Gebüsch.
»Lump, wirst du mir Rechenschaft geben?«
Der Welschschweizer ertrug zitternd den Schimpf.
»Wofür?«
»Für Jeannette.«
Da straffte sich seine weiche Gestalt.
Seine blonden Locken glänzten kupfern.
Seine zarten Hände wurden hart.
»Gern«, er verneigte sich höflich.
Sie zogen ihre Degen.
Moreau erfuhr, daß er eben würdigen Gegner vor sich hatte.
Ein Lump – nun gewiß – aber ein Lump, der auf der Stelle für sich einsteht.
Im zehnten Gang stieß Moreau ihm das Florett in die rechte Achselhöhle.
Der Schweizer erblaßte und klappte in die Knie.
Moreau holte einen Arzt und Träger.
Als er zurückkam, fand er Jeannette bei dem Welschschweizer.
Mit ihrem Brusttuch stillte sie die Wunde und schluchzte jubelnd.
Angeekelt und voller Zweifel über das Weib und das Recht des Weibes kehrte er in das Fest zurück.
Er hatte sich gerade einen Becher Roten geben lassen, als Geschrei von der Stadt her die Menschen aufmerken und sich zusammenrotten ließ.
Ein Reiter galoppierte auf einem Maultier gegen den Wald an.
»Es ist Krieg,« schrie er von weitem, »Krieg. Österreich hat uns den Krieg erklärt …«
Das Volk fiel zusammen und auseinander.
Krieg … Krieg … Krieg rollte das Wort wie ein Kugelblitz durch das Fest, Donner des Volkes hinter sich verbreitend.
Moreau lehnte an einem Baum.
Er gedachte des Zeichens an seiner Stirn.
Er hatte heute seinen ersten Feind besiegt – oh: nein, den zweiten, der König war sein erster Feind gewesen – und war doch unterlegen, weil eine Frau ihn verraten hatte.
»Alle Frauen sind Spione des Feindes«, sagte er.
Der Rausch der Zukunft stieg ihm wie Wein zu Kopf. Es lebe der Krieg Es lebe die Revolution Das künftige Jahrhundert ist im Anmarsch. Schon klingen seine ehernen Posaunen aus den gesprengten Toren des Himmels. Die Pauken rasseln und Engel schreiten über den Horizont mit silbernen Fahnen aus Mond und Sonne.
Die Musik spielte die Marseillaise.
Unter den dämmernden Zweigen tanzten die Studenten und Mädchen nach der Marseillaise.
Moreau stürzt nach Hause, um ein Manifest an die Bürger von Rennes aufzusetzen.
Kein Sou für den König Kein Krieg für den König Man wird die Republik erklären Sanken umsonst die Mauern der Bastille? Nieder mit dem König Kampf des Volkes Krieg um des Krieges willen Reinigung der Kloake Frankreich
Reinheit und Güte einer neuen Welt.
Die Stadt Renncs stellte eine Fahne Freiwilliger auf.
Man erwählte Moreau zu ihrem Kommandanten.
»Brüder,« rief er, »wir wollen »deshalb mit ganzer Seele Soldaten sein, weil wir mit ganzer Seele Bürger sind.«
Moreau vertiefte sich in den Brunnen^ der Strategie.
Sein größtes Erlebnis wurde Cäsars Bellum Gallicum.
Er hatte ihn in der Schule gelesen, unlustig und nachlässig und seiner längst vergessen.
Nun las er ihn mit den Augen des Soldaten.
»Cäsar, mein Kamerad«, jauchzte er.
Besonders beschäftigte ihn bei Cäsar die Anlage des Rheinübergangs. Er konstruierte sich eine kleine Brücke aus Holz und Pappe, ganz nach den Angaben des Feldherrn, und stellte sie auf seinen Tisch.
Jeden Morgen, wenn er aufwachte, und jeden Abend, wenn er schlafen ging, sah er zuerst die Brücke.
Diese Brücke ist nur ein Nachbild der Brücke Cäsars, aber ich werde über sie in die Unsterblichkeit schreiten.
Wir müssen über den Rhein, lachte er glücklich, über den Rhein. Wenn Cäsar über den Rhein ritt, wird auch Moreau über den Rhein reiten und die grünen Fluten werden sich vor ihm teilen, wie einst die Wogen des Roten Meeres vor Mose.
Moreau übte seine Schar, hingegeben und inbrünstig, zum Waffendienste ein.
Er erhielt bei der Musterung das Lob, daß wenig alte Truppen die Waffen besser führten als die Freiwilligen von Rennes, Kommandant Victor Moreau.
Die erste Schlacht Er ergreift die Fahne der Freiwilligen von Rennes und stürmt ihnen voran. Er ist wie ein Wind vor ihnen. Heiß und singend weht er gegen die Feinde.
Wallendes Rot, schreitendes Blau, rauschendes Gold.
Volk, mein Volk.
Er glaubt, er renne in einer Prozession.
Die Madonna erscheint segnend auf Pulverwolken.
Der Äther dröhnt in Verkündigung.
Er rennt. Stolpert. Rennt.
Als er stehen bleibt und sich umsieht, ist niemand hinter ihm.