Das neue Dschungelbuch. Редьярд Киплинг

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Das neue Dschungelbuch - Редьярд Киплинг

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seine Brüder der Wärme bedurften. Aber nicht ein Tier kam zu dem Schrein, soviel er auch rief und rief, und verwundert, was wohl in den Wäldern geschehen sein könnte, sank er in Schlaf.

      Mitten in der schwarzen Nacht, während der Regen mit dem Getöse von tausend Trommeln niederstürzte, erwachte er von einem Zupfen an seiner Decke. Er fuhr hoch und fühlte die kleine Hand eines Langur. Schläfrig schlug er die Decke zurück und sagte: »Hier ist es besser als draußen in den Bäumen; komm und wärme dich.«

      Der Affe aber faßte erneut seine Hand und zog daran. »Willst du etwas Futter?« fragte Purun Baghat. »Warte ein wenig, ich bereite dir etwas.«

      Als er niederkniete, um Reiser auf das Feuer zu legen, lief der Langur zur Tür des Schreins, gurrte leise, lief wieder zurück und zupfte den Mann am Knie.

      »Was ist? Welchen Kummer hast du, Bruder?« fragte Purun Baghat, denn in den Augen des Langur lag viel verborgen, nur daß ihm die Sprache fehlte. »In das Wetter hinaus geh' ich nur, wenn einer von deinem Stamm in einer Falle steckt – aber hier stellt keiner Fallen. Sieh, Bruder, selbst der Barasingh sucht Schutz hier.«

      Als der Hirsch in den Schrein trat, schlug er krachend das Geweih gegen das grinsende Götterbild der Kali, dann senkte er es gegen Purun Baghat, stampfte gereizt und schnob durch die halbgeschlossenen Nüstern.

      »Hei, hei, hei!« sagte der Baghat und schnalzte mit den Fingern. »Ist das der Dank für das Nachtquartier?«

      Aber der Hirsch drängte ihn dem Ausgang zu, und nun hörte Purun Baghat einen Laut, so als ob sich etwas öffne mit einem Seufzer, und er sah, wie zwei Steinplatten des Bodens voneinander rückten, während die fettige Erde darunter ein schmatzen» des Geräusch von sich gab.

      »Nun verstehe ich«, sagte Purun Baghat. »Kein Wunder, daß meine Brüder heute nacht nicht zu meinem Feuer kamen. Der Berg stürzt ein. Dennoch – warum sollte ich flüchten?« Da aber fiel sein Blick auf die leere Bettelschale, und der Ausdruck seines Gesichtes wandelte sich. »Sie haben mir gutes Essen geschickt Tag für Tag, seit ich hier bin; und wenn ich jetzt nicht eile, wird am Morgen nicht eine lebendige Seele mehr im Tale sein. Ja, ich muß hinunter und sie warnen. Zurück da, Bruder, laß mich ans Feuer.«

      Widerwillig trat der Barasingh zur Seite, während Purun Baghat eine Fackel nahm und sie tief in die Flamme stieß, bis sie hell brannte.

      »Ja, ja, mich zu warnen kamt ihr«, sagte der Baghat und richtete sich auf. »Aber mehr noch müssen wir tun, Besseres noch.

      Auf und fort jetzt! Leih mir deinen Nacken, Bruder, denn nur zwei Füße habe ich.«

      Mit der rechten Hand griff er in den gesträubten Widerrist des Barasingh, in der Linken hielt er die Fackel und schritt so hinaus aus dem Schrein in die grauenvolle Nacht. Windstill war es, aber der strömende Regen löschte beinahe die Fackel; und der große Hirsch setzte sich auf die Hinterläufe und glitt so eilig den Abhang hinab. Als sie aus dem Walde hinaus waren, gesellten sich noch mehr von den Brüdern des Baghat zu ihnen. Sehen konnte er sie nicht, aber er hörte die Langurs sich um ihn scharen und hinter ihnen das »Wuff, wuff« des Sona.

      Sein langes, schlohweißes Haar hing ihm in nassen Strähnen um den Kopf; das Wasser spritzte um seine nackten Füße, und das gelbe Gewand klebte an dem gebrechlichen alten Leib, aber unaufhaltsam eilte er hinunter, gestützt auf den Barasingh. Nun war er nicht mehr der heilige Mann, er war Sir Purun Daß, K.C.I.E., Erster Minister eines nicht kleinen Staates, ein Mann, gewohnt zu befehlen, der auszog, um Leben zu retten.

      Abwärts stürmten sie miteinander den jähen, schlüpfrigen Pfad, der Baghat und seine Brüder, hinab und hinab, bis des Hirsches Hufe auf die Steinfliesen einer Dreschtenne schlugen und er zu schnauben begann, da er Menschen witterte.

      Sie waren an den Ausgang der einzigen gewundenen Dorfstraße gelangt; und der Baghat schlug mit dem Stab gegen die vergitterten Fenster am Hause des Schmiedes. Seine Fackel lohte nun heller auf im Schutze der Dächer.

      »Auf da und heraus!« rief Purun Baghat, und er erkannte kaum seine eigene Stimme wieder, denn seit Jahren hatte er nicht mehr laut zu Menschen gesprochen. »Der Berg stürzt! Der Berg kommt herunter! Auf und heraus, ihr da drinnen!«

      »Unser Baghat ist es«, sagte das Weib des Schmiedes. »Er steht draußen mit seinen Tieren. Nimm die Kinder und gib den Ruf weiter!«

      Von Haus zu Haus lief der Ruf; die Tiere, in den engen Wegen gepfercht, drängten sich dicht um Baghat, und Sona schnaubte unwillig.

      Die Leute des Dorfes stürzten auf die Straße – es mochten im ganzen nicht mehr als siebzig Seelen sein –, und im Schein ihrer Fackeln sahen sie, wie ihr Baghat den entsetzten Hirsch zurückhielt, wie die Affen angstvoll an seinem Gewand zupften; Sona aber saß aufrecht da und brüllte.

      »Durch das Tal hinüber und auf den nächsten Berg«, rief Purun Baghat. »Niemanden zurücklassen! Mir folgen!«

      Dann liefen die Leute, wie nur Bergvolk laufen kann; denn sie wußten, daß man bei einem Bergrutsch den höchsten Punkt jenseits des Tals erreichen mußte. Sie durchwateten fliehend den kleinen Fluß in der Tiefe und keuchten am anderen Ufer die terrassenförmigen Felder hinauf. Der Baghat aber und seine Brüder folgten. Höher und höher drangen sie am jenseitigen Berg hinauf, einander mit Namen rufend; und dicht hinter ihnen arbeitete sich der Barasingh hinauf, beladen mit dem niederbrechenden Purun Baghat. Endlich hielt der Hirsch an im Dunkel eines tiefen Fichtenwaldes, fünfhundert Fuß hoch in den Bergen. Der Instinkt, der ihn vor dem nahen Bergsturz gewarnt hatte, sagte ihm jetzt, daß er hier sicher war.

      Purun Baghat sank ohnmächtig an seiner Seite zu Boden. Die Frostschauer des Regens und der furchtbare Anstieg waren sein Tod; aber noch rief er den zerstreuten Fackeln über ihm zu: »Haltet an und zählt die Köpfe!« Dann, als er die Fackeln zu einem Haufen sich sammeln sah, hauchte er leise dem Hirsch zu: »Bleibe bei mir, Bruder. Bleibe – bis – ich scheide.«

      Nun ging es wie ein Seufzen durch die Luft, es wuchs zu einem Murren; das Murren wuchs zum Gebrüll, und Gebrüll schwoll an über alles Hören hinaus. Die Bergseite, auf der die Dörfler standen, wurde in der Finsternis wie von einem Schlage getroffen und erbebte bis ins Innerste. Dann erklang ein Ton, stetig, tief und voll, wie das tiefe C der Orgel, und verschlang für fünf Minuten jeden anderen Laut, und die hohen Fichten erzitterten bis in ihre Wurzeln hinein. Der Ton starb dahin – und das Rauschen des Regens, der meilenweit auf harten Boden geschlagen hatte, wurde zum dumpfen Trommeln der Wässer auf weicher Erde. Das sprach seine eigene Sprache.

      Keiner der Dorfbewohner, nicht einmal der Priester, war kühn genug, zu dem Baghat zu reden, der ihr Leben gerettet hatte. Still kauerten sie unter den Fichten und erwarteten den Tag. Als der Morgen kam, blickten sie über das Tal hin. Wo einst Terrassenfelder gewesen waren, Wälder und fährtendurchfurchte Weidegründe, war jetzt nur noch eine rohe, rötliche, fächerartig verspreizte Lehmmasse, aus der kopfüber gestürzte Baumstämme da und dort herausragten. Die rötliche Masse war noch hoch am Berg ihrer Rettung aufgelaufen und staute den kleinen Fluß, der sich zu einem ziegelfarbigen See auszudehnen begann. Von dem Dorfe, dem Pfad, der zu dem Schrein geführt hatte, von dem Schrein selbst und dem Wald dahinter war keine Spur mehr zu sehen. Eine Meile in der Breite und zweitausend Fuß in der Tiefe war die Bergwand abgestürzt, mit glatter Schnittfläche vom Gipfel bis zur Sohle.

      Die Bewohner des Dorfes, einer nach dem andern, schritten leise durch den Fichtenwald, um vor ihrem Baghat zu beten. Sie sahen den Barasingh über ihm stehen, aber als sie näher kamen, floh er davon; sie hörten die Langurs in den Bäumen wehklagen und Sona im Geklüft stöhnen, aber ihr Baghat war tot. Er saß mit gekreuzten Beinen, den Rücken gegen einen Stamm gelehnt, die Stütze unter der Achselhöhle und sein Antlitz gegen Nordosten gekehrt.

      Und

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