Die neue Magdalena. Уилки Коллинз

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Die neue Magdalena - Уилки Коллинз

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also! Sagen Sie – ja!«

      Er zog sie näher an sich. Es entstand eine Stille. Die Maske der Koketterie – welche sie von Anbeginn nur schlecht vorgehalten hatte – fiel ihr von ihrem Gesicht. Ihre traurigen grauen Augen ruhten mitleidsvoll auf seinen lebhaft angeregten Zügen.

      »Schauen Sie nicht so ernst drein!« sagte er. »Nur ein kleines Wort, Grace! Nur ja!«

      Sie seufzte und sprach es aus. Er küsste sie leidenschaftlich. Nur mit einer heftigen Gebärde gelang es ihr, sich von ihm loszumachen. »Verlassen Sie mich!« sagte sie leise. »Ich bitte Sie, lassen Sie mich allein!«

      Es war ihr voller Ernst – sonderbar. Sie zitterte am ganzen Körper. Horace stand auf, um ihren Wunsch zu erfüllen. »Ich werde Lady Janet aufsuchen«, sagte er; »es drängt mich, ihr zu zeigen, dass ich wieder heiter bin und auch zu sagen weshalb.« Er wendete sich der Tür des Bibliothekszimmers zu. »Sie bleiben doch hier? Darf ich wiederkommen, wenn Sie gefasster sind?«

      »Ich will hier warten«, sagte Mercy.

      Mit dieser Antwort zufrieden, verließ er das Zimmer.

      Sie ließ die Hände in den Schoß fallen; ihr Kopf sank müde auf die Kissen des Sofas zurück. Sie war wie geblendet, ihr Geist war völlig betäubt. Sie wusste nicht, wachte oder träumte sie. Hatte sie denn wirklich jenes Wort gesprochen, das sie zwang, Horace Holmcroft in vierzehn Tagen zu heiraten? Vierzehn Tage. Es konnte wohl in dieser Zeit irgendein Hindernis eintreten; vielleicht fand sie inzwischen einen Ausweg aus der furchtbaren Lage, in der sie sich befand. Auf jeden Fall, mochte daraus entstehen, was wollte, hatte sie gut daran getan, dieses Mittel statt einer Unterredung mit Julian Gray zu wählen. Sie fuhr mit einem Ruck aus ihrer liegenden Stellung empor, als der Gedanke an eine solche Unterredung – während der letzten Minuten unterdrückt – sich ihr wieder aufdrängte. Ihre aufgeregte Phantasie sah in diesem Augenblick schon Julian Gray im Zimmer vor ihr stehen und mit ihr sprechen wie Horace es vorgeschlagen hatte. Sie sah ihn dicht an ihrer Seite sitzen – denselben Mann, der von der Kanzel herab ihre innerste Seele erschüttert hatte, als sie, ungesehen am anderen Ende der Kapelle seinen Worten lauschte – sie sah ihn vor sich, wie er ihr forschend in das Gesicht blickte; wie er das beschämende Geheimnis in ihren Augen las, in ihrer Stimme hörte, an ihren zitternden Händen fühlte; wie er es ihr Wort für Wort herauspresste, bis sie vernichtet ihm zu Füßen lag und den Betrug gestand. Ihr Kopf fiel auf die Kissen zurück; sie verbarg ihr Gesicht entsetzt über den Auftritt, welchen ihre überreizte Einbildungskraft heraufbeschworen hatte. Selbst jetzt, wo diese gefürchtete Unterredung überflüssig geworden, konnte sie sicher sein, wenn sie ihm auch nur als eine Fremde gegenüber stand, sich nicht zu verraten? Sie konnte es nicht. Es war etwas, was sie bei dem bloßen Gedanken, mit ihm in demselben Zimmer zu sein, schaudern und zurückbeben machte. Sie fühlte es, sie wusste es; ihr schuldbeladenes Gewissen erkannte und fürchtete seinen Meister in Julian Gray! – Die Zeit verrann. Ihre heftige Aufregung begann sich physisch an dem schwachen Körper zu äußern.

      Sie musste leise weinen, ohne selbst zu wissen, warum. Wie eine Last lag es auf ihr, die Ermattung lähmte ihr jedes Glied. Sie sank tiefer in die Kissen – sie schloss die Augen – das eintönige Ticken der Uhr auf dem Kaminsims drang einschläfernd immer schwächer und schwächer in ihr Ohr. Sie verfiel allmählich in Schlummer; jedoch in so leisen Schlummer, dass sie auffuhr, wenn ein Stückchen Kohle auf den Rost fiel, oder wenn die Vögel in ihrem Bauer im Wintergarten zirpten und zwitscherten.

      Lady Janet und Horace traten ein. Sie hatte kaum ein Bewusstsein davon, dass jemand im Zimmer war. Nach einem kurzen Zwischenraum öffnete sie die Augen und richtete sich halb auf, um zu sprechen. Das Zimmer war wieder leer. Sie hatten sich leise hinausgeschlichen, um die Schläferin nicht zu stören. Sie schloss die Augen wieder und verfiel abermals in Schlummer; die günstige Wärme und Ruhe des Bettes verwandelte bald den Schlummer in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

       3.

      Der Mann erscheint

      Nach einer kurzen Zeit der Ruhe wurde Mercy durch das Schließen einer Glastür am entfernten Ende des Wintergartens aus dem Schlafe geweckt. Diese Tür führte in den Garten hinaus und wurde nur von den Hausbewohnern oder noch von guten Bekannten benutzt, welche das Vorrecht genossen, die Empfangszimmer auf diesem Wege zu betreten. In dem Glauben, dass Horace oder Lady Janet in das Speisezimmer zurückkehrten, richtete sich Mercy auf dem Sofa etwas empor und horchte.

      Sie hörte die Stimme eines der Bedienten. Darauf antwortete eine andere Stimme, bei deren Klang sie an allen Gliedern zu zittern begann.

      Sie sprang auf und horchte wieder in sprachlosem Entsetzen. Ja! Sie war es unverkennbar. Die Stimme, welche dem Diener antwortete, war dieselbe, die unvergessliche Stimme, welche sie im Besserungshause gehört hatte. Der Besuch, welcher durch die Glastür eingetreten, war – Julian Gray.

      Sein rascher Tritt näherte sich immer mehr und mehr dem Speisezimmer. Sie nahm ihre Fassung so weit zusammen, um zur Tür des Bibliothekszimmers zu eilen. Ihre Hand zitterte so heftig, dass sie nicht im Stande war, das Schloss gleich zu öffnen. Eben war ihr das gelungen, als sie seine Stimme wieder hörte – wie er sie anredete:

      »Bitte, laufen Sie doch nicht davon! Ich bin ja kein Ungeheuer, sondern nur der Neffe Lady Janets – Julian Gray.«

      Sie wendete sich langsam um und stand, wie verzaubert durch seine Stimme, schweigend ihm gegenüber.

      Er stand, den Hut in der Hand, am Eingang in den Wintergarten; er trug einen schwarzen Anzug und eine weiße Halsbinde – allein in der Machart und Form seiner Kleidung war geflissentlich alles vermieden, was ihr einen spezifisch geistlichen Anstrich geben konnte. So jung er war, trugen seine Züge doch schon Spuren von Sorge, und das Haar war über der Stirne vorzeitig dünn und spärlich geworden. Die gelenkige, behende Gestalt reichte nicht über die mittlere Größe hinaus. Sein Teint war blass. Der untere Teil seines Gesichtes, ganz bartlos, war in keiner Weise bedeutend. Ein gewöhnlicher Beobachter würde in Julians Antlitz nichts besonderes entdeckt haben – mit Ausnahme der Augen. Diese allein drückten dem Gesichte einen besonderen Stempel auf. Die ungewöhnliche Größe der Augenhöhlen, in welchen sie lagen, war schon allein genügend, die Aufmerksamkeit zu fesseln; sein Kopf gewann dadurch einen imponierenden Ausdruck, welchen er sonst, trotz seiner Breite und seines entwickelten Knochenbaues, nicht besaß. Was die Augen selbst anbelangt, so spottete ihr weicher schimmernder Glanz jeder Kritik. Nicht zwei Menschen stimmten über die Farbe derselben überein; die Meinungen waren darüber geteilt, ob sie dunkelgrau oder schwarz seien. Maler hatten schon versucht, diese Augen nachzuahmen, und jedes Mal das begonnene Werk verzweifelnd aufgegeben, weil es ihnen nicht gelang, von der verwirrenden Mannigfaltigkeit des Ausdruckes auch nur einen zu erfassen. Es waren Augen, welche jetzt bezaubern, im nächsten Moment Entsetzen erregen konnten; welche fast nach Belieben die Menschen zum Lachen und zum Weinen brachten. Ob angeregt oder ruhig, sie waren immer gleich unwiderstehlich. Als sie vorhin Mercy nach der Tür fliehen sahen, leuchteten sie in kindlicher Belustigung auf.

      Als diese sich jedoch umwendete und ihm in das Gesicht sah, verwandelte sich der frühere Ausdruck augenblicklich in einen weichen, glühenden Blick, der stumm aber deutlich sagte, dass ihre Erscheinung ihn mit Interesse und Bewunderung für sie erfüllte. Gleichzeitig veränderte sich seine ganze Haltung. Die nächsten Worte richtete er mit tiefer Ehrerbietung an sie.

      »Ich bitte Sie dringend, sich durch mich nicht stören zu lassen«, sagte er. »Und verzeihen Sie, wenn ich so ohne weiteres bei Ihnen eingedrungen bin.«

      Er hielt inne und erwartete eine Erwiderung von ihrer Seite, ehe er weiter in das Zimmer vordrang. Noch immer von seiner Stimme wie bezaubert, fand sie doch so viel Selbstbeherrschung wieder, sich gegen ihn zu verneigen und ihren Platz auf dem Sofa wieder einzunehmen. Jetzt konnte sie ihn unmöglich verlassen. Er sah sie einen Augenblick an, dann trat er in das Zimmer, ohne weiter mit

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