Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe). Оскар Уайльд

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Weihnachtsgeschichten, Märchen  & Sagen (Über 100 Titel  in einem Buch - Illustrierte Ausgabe) - Оскар Уайльд

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      »O, und wie er mir jetzt wieder winkt!« flüsterte Kaleb seiner Tochter ins Ohr. »O du grundgütiger Himmel!«

      »Immer fröhlich und gut gelaunt bei uns!« rief Bertha lachend.

      »Ah, bist du auch da, wirklich!« versetzte Tackleton. »Arme Blödsinnige!«

      Er glaubte in der Tat, sie sei schwachsinnig; und er gründete seinen Glauben – ich weiß nicht, ob bewußt oder unbewußt – darauf, daß sie ihn gern leiden mochte.

      »Wohlan … da du einmal da bist … wie geht’s?« fragte Tackleton in seiner mürrischen Weise.

      »O gut, ganz gut! Und so glücklich, wie Sie es mir nur wünschen können. So glücklich, wie Sie die ganze Welt machen möchten, wenn Sie es könnten!«

      »Arme blödsinnige!« murmelte Tackleton. »Kein Funken Vernunft. Nicht ein Fünkchen!«

      Das blinde Mädchen ergriff seine Hand und küßte sie – sie hielt sie einen Augenblick zwischen ihren Händen und legte zärtlich ihre Wange darauf, bevor sie sie wieder losließ. Es lag in dieser Handlung etwas so unaussprechlich Zärtliches, eine so feurige Dankbarkeit, daß selbst Tackleton sich bewogen fand, in einem weniger rauhen Brummton zu sagen:

      »Na, was gibt’s denn nun?«

      »Ich stellte es dicht neben mein Kopfkissen, als ich gestern abend zu Bett ging und träumte dann davon. Und als der Tag anbrach und die herrliche rote Sonne – die rote Sonne, Vater?«

      »Rot am Morgen und am Abend, Bertha«, sagte der arme Kaleb mit einem traurigen Blick auf seinen Brotherrn.

      »Als sie aufging und das helle Licht, an das ich mich fast im Gehen zu stoßen fürchtete, in das Zimmer drang, wandte ich ihm den kleinen Rosenstock zu und dankte dem Himmel, daß er so schöne Dinge geschaffen, und segne Sie, daß Sie ihn mir geschenkt, um mich aufzuheitern.«

      »Das Tollhaus ist los!« murmelte Tackleton für sich. »Wir werden bald bei der Zwangsjacke und den Fausthandschuhen angekommen sein. Wir machen Fortschritte!«

      Kaleb, die Hände lose ineinandergelegt, starrte vor sich hin, während seine Tochter sprach, als ob er wirklich nicht sicher sei – und ich glaube, er war es auch nicht – ob Tackleton etwas getan, was ihren Dank verdiente oder nicht. Hätte er mit vollkommen freiem Willen handeln können, und hätte er in diesem Augenblick bei Todesstrafe sich dafür entscheiden müssen, den Spielwarenhändler mit Fußtritten fortzujagen, wie er es verdient hätte, oder sich ihm zu Füßen zu werfen, um ihm für seine Wohltaten zu danken, ich glaube, die Möglichkeit wäre nach beiden Seiten hin gleich groß gewesen. Und doch wußte Kaleb, daß er mit eigenen Händen so sorgsam den kleinen Rosenstock für sie mitgebracht, und daß er mit seinen eigenen Lippen die unschuldige Täuschung hervorgerufen hatte, die ihm helfen sollte, sie vor dem Gedanken zu bewahren, wie viele, wie so sehr viele Entbehrungen er sich täglich auferlegte, um sie glücklich zu sehen.

      »Bertha!« sagte Tackleton, dies eine Mal ein wenig Herzlichkeit in seine Stimme legend. »Komm mal her!«

      »O!« antwortete sie, »ich kann gerade auf Sie zukommen! Sie brauchen mich gar nicht zu führen!«

      »Soll ich dir ein Geheimnis mitteilen, Bertha?«

      »Wenn Sie wollen«, antwortete sie eifrig.

      Wie strahlend dieses umnachtete Antlitz wurde! Wie ein Lichtschein lag es über diesem lauschenden Haupt!

      »Heute ist der Tag, an dem die kleine, wie ist doch gleich ihr Name? – das verzogene Kind, Peerybingles Frau, euch ihren gewöhnlichen Besuch macht – ihr närrisches Picknick hier veranstaltet, nicht wahr«, sagte Tackleton mit einem starken Ausdruck von Widerwillen gegen die ganze Sache.

      »Ja«, sagte Bertha, »heut ist der Tag.«

      »Ich dacht’ es mir!« versetzte Tackleton. »Nun wohl, ich möchte gern dabei sein.«

      »Hörst du, Vater!« rief das blinde Mädchen außer sich vor Freude.

      »Ja, ja, ich hör’ es«, murmelte Kaleb mit dem starren Blicke eines Nachtwandlers! »aber ich glaub’s nicht. Es ist gewiß wieder eine meiner Lügen (?=Selbsttäuschungen).«

      »Seht, ich … ich möchte die Peerybingles gern ein wenig mehr mit May Fielding zusammenbringen«, sagte Tackleton. »Ich habe beschlossen, May zu heiraten.«

      »Zu heiraten!« rief das blinde Mädchen, plötzlich von ihm zurückweichend.

      »Sie ist ein so entsetzlich blödsinniges Ding«, brummte Tackleton, »daß ich befürchte, sie würde nichts davon begreifen. Ja, Bertha, heiraten! Kirche, Pfarrer, Küster, Kirchenvogt, Staatskutsche, Glocken, Hochzeitsmahl, Hochzeitskuchen, Rosetten und Bänder und Polterabendmusik und all die übrigen Hanswurstereien. Eine Hochzeit, weißt du, was eine Hochzeit ist?«

      »Ich weiß es«, versetzte das blinde Mädchen in leisem Tone. »Ich verstehe!«

      »Wirklich?« murmelte Tackleton. »Das ist mehr, als ich erwartet hatte. Nun gut, das ist der Grund, weshalb ich dabei sein und May und ihre Mutter mitbringen möchte. Ich werde am Vormittag die eine oder andre Kleinigkeit herschicken. Eine kalte Hammelkeule oder eine ähnliche kleine Erfrischung. Ihr erwartet mich also?«

      »Ja«, antwortete sie.

      Sie hatte ihren Kopf geneigt und wandte sich ab: und so stand sie nun da mit gefalteten Händen, unbeweglich und träumerisch.

      »Es scheint mir nicht, daß sie will«, murmelte Tackleton, indem er sie ansah, »denn es scheint mir, als ob sie es schon gänzlich wieder vergessen hätte … Kaleb!«

      »Ich darf mir wohl erlauben zu sagen, daß ich hier bin«, dachte Kaleb. »Was befehlt Ihr?«

      »Sorgt dafür, daß sie nicht vergißt, was ich ihr gesagt habe.«

      »O, sie vergißt nichts«, erwiderte Kaleb. »Das ist fast das einzige, was sie nicht versteht.«

      »Jeder hält seine Gänse für Schwäne«, bemerkte der Spielwarenhändler mit einem Achselzucken. »Armer Teufel!«

      Und nachdem er mit unendlicher Verachtung diese boshafte Bemerkung gemacht hatte, zog der alte Gruff und Tackleton ab.

      Bertha blieb an derselben Stelle, wo er sie gelassen hatte, stehen, ganz in trauriges Sinnen verloren. Die Fröhlichkeit war von ihrem gesenkten Antlitz verschwunden; eine tiefe Traurigkeit lag auf demselben. Drei-oder viermal schüttelte sie den Kopf, als traure sie über eine Erinnerung oder einen Verlust; aber ihr schmerzliches Nachdenken fand keine Worte, um sich Luft zu machen.

      Kaleb war seit einiger Zeit damit beschäftigt, ein Gespann Pferde vor einem Wagen zu befestigen, indem er durch ein höchst summarisches Verfahren das Geschirr an die edlen Teile ihrer Körper festnagelte; er war gerade fertig, als seine Tochter sich seinem Arbeitsstuhl näherte, sich neben ihn setzte und sagte:

      »Vater, ich bin ganz allein in der Finsternis. Ich bedarf meiner Augen, meiner geduldigen, immer willigen Augen.«

      »Hier sind sie«, sagte Kaleb. »Immer bereit. Sie gehören mehr dir als mir, in jedem Augenblick während der vierundzwanzig Stunden des Tages. Was sollen deine Augen für dich tun, mein gutes Kind?«

      »Blick’

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