Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше Gesammelte Werke bei Null Papier

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      Wie man schlech­te Ar­gu­men­te zu ver­bes­sern sucht – Man­cher wirft sei­nen schlech­ten Ar­gu­men­ten noch ein Stück sei­ner Per­sön­lich­keit hin­ten­nach, wie als ob jene da­durch rich­ti­ger ihre Bahn lau­fen wür­den und sich in ge­ra­de und gute Ar­gu­men­te ver­wan­deln lie­ßen; ganz wie die Ke­gel­schie­ber auch nach dem Wur­fe noch mit Ge­bär­den und Schwen­kun­gen der Ku­gel die Rich­tung zu ge­ben su­chen.

      Die Recht­lich­keit. – Es ist noch we­nig, wenn man in be­zug auf Rech­te und Ei­gen­tum ein Mus­ter- Mensch ist; wenn man zum Bei­spiel als Kna­be nie Obst in frem­den Gär­ten nimmt, als Mann nicht über un­ge­mäh­te Wie­sen läuft, – um klei­ne Din­ge zu nen­nen, wel­che wie be­kannt, den Be­weis für die­se Art von Mus­ter­haf­tig­keit bes­ser ge­ben als große. Es ist noch we­nig: man ist dann im­mer erst eine "ju­ris­ti­sche Per­son", mit je­nem Grad von Mora­li­tät, de­ren so­gar eine "Ge­sell­schaft", ein Men­schen-Klum­pen fä­hig ist.

      Mensch! – Was ist die Ei­tel­keit des ei­tels­ten Men­schen ge­gen die Ei­tel­keit, wel­che der Be­schei­dens­te be­sitzt, in Hin­sicht dar­auf, daß er sich in der Na­tur und Welt als "Mensch" fühlt.

      Nö­tigs­te Gym­nas­tik. – Durch den Man­gel an klei­ner Selbst­be­herr­schung brö­ckelt die Fä­hig­keit zur großen ab. Je­der Tag ist schlecht be­nutzt und eine Ge­fahr für den nächs­ten, an dem man nicht we­nigs­tens ein­mal sich et­was im klei­nen ver­sag­t hat: die­se Gym­nas­tik ist un­ent­behr­lich, wenn man sich die Freu­de, sein ei­ge­ner Herr zu sein, er­hal­ten will.

      Sich sel­ber ver­lie­ren. – Wenn man erst sich sel­ber ge­fun­den hat, muß man ver­ste­hen, sich von Zeit zu Zeit zu ver­lie­ren – und dann wie­der zu fin­den: vor­aus­ge­setzt daß man ein Den­ker ist. Die­sem ist es näm­lich nach­tei­lig, im­mer­dar an eine Per­son ge­bun­den zu sein.

      Wann Ab­schied neh­men not tut. – Von dem, was du er­ken­nen und mes­sen willst, mußt du Ab­schied neh­men, we­nigs­tens auf eine Zeit. Erst wenn du die Stadt ver­las­sen hast, siehst du, wie hoch sich ihre Tür­me über die Häu­ser er­he­ben.

      Am Mit­tag. – Wem ein tä­ti­ger und stür­me­rei­cher Mor­gen des Le­bens be­schie­den war, des­sen See­le über­fällt um den Mit­tag des Le­bens eine selt­sa­me Ru­he­sucht, die mon­den- und jah­re­lang dau­ern kann. Es wird still um ihn, die Stim­men klin­gen fern und fer­ner; die Son­ne scheint steil auf ihn her­ab. Auf ei­ner ver­bor­ge­nen Wald­wie­se sieht er den großen Pan schla­fend; alle Din­ge der Na­tur sind mit ihm ein­ge­schla­fen, einen Aus­druck von Ewig­keit im Ge­sich­te – so dünkt es ihm. Er will nichts, er sorgt sich um nichts, sein Herz steht still, nur sein Auge lebt, – es ist ein Tod mit wa­chen Au­gen. Vie­les sieht da der Mensch, was er nie sah, und so­weit er sieht, ist al­les in ein Licht­netz ein­ge­spon­nen und gleich­sam dar­in be­gra­ben. Er fühlt sich glück­lich da­bei, aber es ist ein schwe­res, schwe­res Glück. – Da end­lich er­hebt sich der Wind in den Bäu­men, Mit­tag ist vor­bei, das Le­ben reißt ihn wie­der an sich, das Le­ben mit blin­den Au­gen, hin­ter dem sein Ge­fol­ge her­stürmt: Wunsch, Trug, Ver­ges­sen, Ge­nie­ßen, Ver­nich­ten, Ver­gäng­lich­keit. Und so kommt der Abend her­auf, stür­me­rei­cher und ta­ten­vol­ler, als selbst der Mor­gen war. – Den ei­gent­lich tä­ti­gen Men­schen er­schei­nen die län­ger wäh­ren­den Zu­stän­de des Er­ken­nens fast un­heim­lich und krank­haft, aber nicht un­an­ge­nehm.

      Sich vor sei­nem Ma­ler hü­ten. – Ein großer Ma­ler, der in ei­nem Por­trät den volls­ten Aus­druck und Au­gen­blick, des­sen ein Mensch fä­hig ist, ent­hüllt und nie­der­ge­legt hat, wird von die­sem Men­schen, wenn er ihn spä­ter im wirk­li­chen Le­ben wie­der­sieht, fast im­mer nur eine Ka­ri­ka­tur zu se­hen glau­ben.

      Die zwei Grund­sät­ze des neu­en Le­bens. – Ers­ter Grund­satz: man soll das Le­ben auf das Si­chers­te, Be­weis­bars­te hin ein­rich­ten: nicht wie bis­her auf das Ent­fern­tes­te, Un­be­stimm­tes­te, Ho­ri­zont-Wol­ken- haf­tes­te hin. Zwei­ter Grund­satz: man soll sich die Rei­hen­fol­ge des Nächs­ten und Na­hen, des Si­che­ren und we­ni­ger Si­che­ren fest­stel­len, be­vor man sein Le­ben ein­rich­tet und in eine end­gül­ti­ge Rich­tung bringt.

      Ge­fähr­li­che Reiz­bar­keit. – Be­gab­te Men­schen, die aber trä­ge sind, wer­den im­mer et­was ge­reizt er­schei­nen, wenn ei­ner ih­rer Freun­de mit ei­ner tüch­ti­gen Ar­beit fer­tig ge­wor­den ist. Ihre Ei­fer­sucht ist rege, sie schä­men sich ih­rer Faul­heit – oder viel­mehr, sie be­fürch­ten, der Tä­ti­ge ver­ach­te sie ge­gen­wär­tig noch mehr als sonst. In die­ser Stim­mung kri­ti­sie­ren sie das neue Werk – und ihre Kri­tik wird zur Ra­che, zum höchs­ten Be­frem­den des Ur­he­bers.

      Zer­stö­ren der Il­lu­sio­nen. – Die Il­lu­sio­nen sind ge­wiß kost­spie­li­ge Ver­gnü­gun­gen: aber das Zer­stö­ren der Il­lu­sio­nen ist noch kost­spie­li­ger – als Ver­gnü­gen be­trach­tet, was es un­leug­bar für man­chen Men­schen ist.

      Das Ein­tö­ni­ge des Wei­sen. – Die Kühe ha­ben mit­un­ter den Aus­druck der Ver­wun­de­rung, die auf dem Wege zur Fra­ge ste­hen bleibt. Da­ge­gen liegt im Auge der hö­he­ren In­tel­li­genz das nil ad­mi­ra­ri aus­ge­brei­tet wie die Ein­tö­nig­keit des wol­ken­lo­sen Him­mels.

      Nicht zu lan­ge krank sein. – Man hüte sich, zu lan­ge krank zu sein: denn bald wer­den die Zuschau­er durch die üb­li­che Ver­pflich­tung, Mit­lei­den zu be­zei­gen, un­ge­dul­dig, weil es ih­nen zu­viel Mühe macht, die­sen Zu­stand lan­ge bei sich auf­recht zu er­hal­ten – und dann ge­hen sie un­mit­tel­bar zur Ver­däch­ti­gung eu­res Cha­rak­ters über, mit dem Schlus­se: "ihr ver­dient es krank zu sein, und wir brau­chen uns nicht mehr mit Mit­lei­den an­zu­stren­gen."

      Wink für En­thu­sias­ten. – Wer gern hin­ge- ris­sen wer­den will und sich leicht nach oben tra­gen las­sen möch­te, soll zu­se­hen, daß er nicht zu schwer wer­de: das heißt zum Bei­spiel, daß er nicht viel ler­ne und na­ment­lich von der Wis­sen­schaft sich nicht er­fül­len las­se. Die­se macht schwer­fäl­lig! – nehmt euch in Acht, ihr En­thu­sias­ten!

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