Der Doppelgänger. Федор Достоевский

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Der Doppelgänger - Федор Достоевский

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ich schäme mich ordentlich, davon zu reden.“

      „Hm! …“

      „Sie sprengten ein Gerücht aus, er habe bereits ein schriftliches Heiratsversprechen gegeben und sei bereits der Bräutigam einer anderen … Und was meinen Sie, Krestjan Iwanowitsch, wessen Bräutigam?“

      „Ich bin gespannt.“

      „Der Bräutigam einer Speisewirtin, einer unwürdigen Deutschen, bei der er zu Mittag aß; statt der Bezahlung seiner Schulden habe er ihr seine Hand angeboten.“

      „Das sagen sie?“

      „Sollten Sie es glauben, Krestjan Iwanowitsch? Eine Deutsche, eine gemeine, widerwärtige, schamlose Deutsche, Karolina Iwanowna, wenn Sie sie kennen …“

      „Ich muß gestehen, ich für meine Person …“

      „Ich verstehe Sie, Krestjan Iwanowitsch, ich verstehe Sie und habe meinerseits die gleiche Empfindung …“

      „Sagen Sie mir, bitte, wo wohnen Sie jetzt?“

      „Wo ich jetzt wohne, Krestjan Iwanowitsch?“

      „Ja … ich möchte … Sie wohnten ja wohl früher …“

      „Ja freilich, ich wohnte, Krestjan Iwanowitsch, ich wohnte, ich wohnte auch früher! Wie soll ich denn nicht gewohnt haben!“ antwortete Herr Goljadkin und begleitete seine Worte mit einem kurzen Lachen; er verblüffte Krestjan Iwanowitsch ein wenig durch seine Antwort.

      „Nein, das haben Sie falsch aufgefaßt; ich wollte meinerseits …“

      „Ich wollte ebenfalls meinerseits, Krestjan Iwanowitsch, ich wollte ebenfalls,“ fuhr Herr Goljadkin lachend fort. „Aber ich habe bei Ihnen schon viel zu lange gesessen, Krestjan Iwanowitsch. Ich hoffe, Sie erlauben mir jetzt, Ihnen einen guten Morgen zu wünschen …“

      „Hm! …“

      „Ja, Krestjan Iwanowitsch, ich verstehe Sie, ich verstehe Sie jetzt völlig,“ sagte unser Held und nahm vor Krestjan Iwanowitsch eine etwas theatralische Stellung an. „Also erlauben Sie, daß ich Ihnen einen guten Morgen wünsche …“

      Hier machte unser Held einen Scharrfuß und verließ das Zimmer, in welchem Krestjan Iwanowitsch höchlichst erstaunt zurückblieb. Während Herr Goljadkin die Treppe des Arztes hinabstieg, lächelte er und rieb sich vergnügt die Hände. Als er vor der Haustür die frische Luft einatmete und sich in Freiheit fühlte, war er wirklich nahe daran, sich für den glücklichsten aller Sterblichen zu halten und sich nun geradeswegs nach seinem Bureau zu begeben — da fuhr auf einmal rasselnd eine Kutsche vor: er sah sie an, und alles fiel ihm wieder ein. Petruschka öffnete schon den Schlag. Ein sonderbares und außerordentlich unangenehmes Gefühl bemächtigte sich Herrn Goljadkins völlig. Er errötete sogar für einen Augenblick. Es war ihm, als ob er einen Stich bekäme. Er wollte schon seinen Fuß auf den Wagentritt setzen, als er sich auf einmal umdrehte und nach Krestjan Iwanowitschs Fenstern blickte. Richtig! Krestjan Iwanowitsch stand am Fenster, strich sich mit der rechten Hand den Backenbart glatt und schaute sehr neugierig auf unsern Helden herab.

      „Dieser Doktor ist dumm,“ dachte Herr Goljadkin, sich in seinem Wagen verbergend, „schrecklich dumm. Er mag vielleicht seine Kranken gut kurieren können; aber trotzdem ist er dumm wie ein Stück Holz.“ Herr Goljadkin setzte sich hin, Petruschka rief: „Vorwärts!“ und der Wagen rollte wieder nach dem Newski-Prospekt hin.

       Inhaltsverzeichnis

      Dieser ganze Vormittag verging für Herrn Goljadkin in mühevoller Tätigkeit. Als er auf den Newski-Prospekt gekommen war, ließ unser Held beim Kaufhofe halten. Er sprang aus dem Wagen, lief, von Petruschka begleitet, unter die Bogengänge und ging geradeswegs in einen Laden mit Gold- und Silberwaren hinein. Schon an Herrn Goljadkins Miene war zu ersehen, daß er alle Hände voll zu tun hatte und sich vor seinen vielen Geschäften nicht zu retten und zu helfen wußte. Nachdem er sich mit dem Kaufmann über den mehr als fünfzehnhundert Rubel betragenden Preis eines vollständigen Diner- und Teeservices geeinigt, ein phantastisch geformtes Zigarrenetui und ein vollständiges silbernes Rasiernecessaire auf dieselbe Summe heruntergehandelt und sich endlich die Preise für noch einige in ihrer Art nützliche und hübsche Gegenstände hatte angeben lassen, schloß Herr Goljadkin damit, daß er versprach, morgen bestimmt wieder mit heranzukommen oder vielleicht sogar heute noch die erstandenen Sachen abholen zu lassen, sich die Nummer des Ladens notierte, die eifrige Bitte des Kaufmanns um eine Anzahlung aufmerksam anhörte und das Versprechen gab, rechtzeitig auch eine Anzahlung zu leisten. Hierauf verabschiedete er sich eilig von dem verwunderten Kaufmann und ging, von einem ganzen Schwarm von Kommis begleitet, die Reihe der Läden entlang, wobei er sich alle Augenblicke nach Petruschka umsah und eifrig nach einem neuen Laden Ausschau hielt. Im Vorbeigehen trat er in ein Wechselgeschäft ein und wechselte alle seine großen Scheine in kleine um, und obwohl er bei dem Umwechseln verlor, so hatte er dafür doch eine Menge kleiner Scheine bekommen, und seine Brieftasche war erheblich dicker geworden, was ihm anscheinend großes Vergnügen machte. Endlich machte er in einem Geschäfte mit allerlei Damenartikeln halt. Nachdem er wieder für eine beträchtliche Summe Waren erstanden hatte, versprach Herr Goljadkin auch hier dem Kaufmann, unfehlbar wieder heranzukommen, ließ sich die Nummer des Ladens angeben und erklärte auf die Frage nach einer Anzahlung wieder, er werde zur rechten Zeit auch eine Anzahlung machen. Darauf besuchte er noch einige Läden, handelte in allen, ließ sich von allerlei Gegenständen die Preise sagen, stritt sich manchmal lange mit den Kaufleuten herum, ging aus einem Laden hinaus, um dann dreimal wieder zurückzukehren, — mit einem Worte: er entwickelte eine außerordentliche Tätigkeit. Aus dem Kaufhofe begab sich unser Held in ein bekanntes Möbelmagazin, wo er Möbel für sechs Zimmer erhandelte, einen modernen, höchst eigenartigen Damentoilettentisch im allerneuesten Geschmack bewunderte und dem Kaufmann versicherte, er werde bestimmt alles abholen lassen, worauf er das Magazin verließ, nach seiner Gewohnheit mit dem Versprechen einer Anzahlung; dann fuhr er noch hierhin und dahin und feilschte um dieses und jenes. Mit einem Worte: seine mühsamen Geschäfte schienen gar kein Ende zu nehmen. Schließlich schien Herr Goljadkin selbst dieser ganzen Tätigkeit recht überdrüssig zu werden. Es begannen ihn sogar Gott weiß bei welcher Gelegenheit ohne rechten Anlaß Gewissensbisse zu quälen. Um keinen Preis hätte er jetzt z. B. mit Andrei Filippowitsch oder auch nur mit Krestjan Iwanowitsch zusammentreffen mögen. Endlich schlug die Stadtuhr drei Uhr nachmittags. Als Herr Goljadkin sich nach Beendigung seiner Einkäufe in den Wagen setzte, hatte er von allen Erwerbungen dieses Tages in Wirklichkeit nur ein Paar Handschuhe und ein Fläschchen Parfüm für anderthalb Rubel bei sich. Da es für Herrn Goljadkin noch sehr früh war, so befahl er seinem Kutscher bei einem bekannten Restaurant auf dem Newski-Prospekt zu halten, das er bisher nur vom Hörensagen kannte, und stieg aus, um einen Bissen zu essen, sich zu erholen und die richtige Zeit abzuwarten.

      Er aß nur so viel, wie eben jemand ißt, der ein üppiges Diner in Aussicht hat, zu dem er eingeladen ist, das heißt, er genoß eine Kleinigkeit, um, wie man sich ausdrückt, das Würmchen zu töten, und trank ein Glas Schnaps dazu; dann setzte sich Herr Goljadkin in einen Lehnstuhl und griff, bescheiden um sich blickend, nach einer mageren russischen Zeitung. Nachdem er ein paar Zeilen gelesen hatte, stand er auf, sah in den Spiegel, brachte seinen Anzug in Ordnung und strich sich das Haar glatt; hierauf ging er zum Fenster und sah zu, ob auch sein Wagen da sei … dann setzte er sich wieder auf seinen Platz und nahm von neuem die Zeitung zur Hand. Man konnte bemerken, daß sich unser Held in großer Aufregung befand. Er blickte nach der Uhr, sah, daß es erst ein Viertel auf vier war und er folglich noch geraume Zeit zu warten hatte, überlegte dabei,

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