Land und Volk in Afrika - Berichte aus den Jahren 1865-1870. Gerhard Rohlfs

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Land und Volk in Afrika - Berichte aus den Jahren 1865-1870 - Gerhard  Rohlfs

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Haussa als eine selbständige Nation durch ihre Unterjochung von den Fellata zu existiren aufgehört haben. Indess sollen sie unter englischem Commando, wie Herr Glover mir mittheilte, sich zu tüchtigen Soldaten ausbilden. Allgemein sind sie übrigens wegen ihrer grossartigen Diebereien und abgefeimten Räubereien verschrien, und wenn Europäer oder andere Neger durch das sogenannte Haussa-Viertel, denn es wohnen auch viele Haussa-Leute mit ihren Familien, auch ohne Soldaten zu sein, in der Stadt, gehen, pflegen sie sich die Tasche zuzuhalten. Ausserdem sind noch einige Marineartilleristen zur Bedienung der auf dem Quai vor dem Gouvernementshause aufgepflanzten Geschütze vorhanden. Die Soldaten sind sehr zweckmässig uniformirt, und für ihre andere Bequemlichkeit sorgt eine luftige Caserne und ein gut eingerichtetes Hospital.

      Ein Gemeinderathhaus ist gerade im Bau begriffen, eben so wie eine hübsche steinerne Kirche. Bethäuser und Schulen sind ausserdem schon mehrere vorhanden, denn die church missionary society, sowie die Wesleyn methodists haben mehrere Prediger hier. In der That scheinen, trotzdem dass auch die Mohammedaner mehrere Moscheen in Lagos haben und leider auf eine dumme, unvernünftige Art von Herrn Glover, dem jetzigen Gouverneur der Insel, begünstigt werden, die Missionäre hier mit Erfolg zu wirken. Als ich Sonntags die Kirche oder vielmehr das grosse Bethaus besuchte, fand ich eine volle und hauptsächlich aus Negern, jedoch auf europäische Art gekleidet, bestehende Versammlung, und ungemein freute es mich, als die kleinen schwarzen Knaben und, Mädchen, nur von einigen wenigen weissen Kindern unterstützt, mit Präcision und Gefühl die schönsten Choräle, von einem Harmonium, das ihr schwarzer Lehrer spielte, begleitet, sangen.

      Als hervorragende Persönlichkeit steht an der Spitze der Geistlichkeit in Lagos und als Director der sogenannten evangelischen schwarzen Niger-Mission der Bischof Crowther. Dieser Neger, aus einem kleinen Dorfe in Yóruba gebürtig, wurde als Kind geraubt und den Portugiesen verkauft. Er hatte jedoch das Glück, von den Engländern gekapert zu werden, und von der Vorsehung dazu bestimmt, als ein auserlesenes Werkzeug dem Christenthume und der Civilisation zu dienen, wurde er nach Freetown in Sierra-Leone gebracht, wo er seine erste Erziehung erhielt und getauft wurde. Er zeigte bald so hervorragende Eigenschaften und Geistesanlagen, dass man ihn zur weiteren Ausbildung nach England schickte, genug wenn ich sage, dass er heute Bischof ist. Aber nicht nur als Geistlicher wusste er sich in jeder Beziehung auszuzeichnen, er leistete gleich Grosses im Gebiete der afrikanischen Sprachen, seine Uebersetzung der heiligen Schrift in die Yóruba-Sprache, mehrere Grammatiken, darunter eine der Nyfe-Sprache, legen Zeugniss seiner gründlichen Bildung ab; endlich die Reisebeschreibung der Niger- und Bénuē-Expedition, welche Herr Crowther mit dem verstorbenen Dr. Baikie machte, lassen ihn als einen ausserordentlich vielseitig gebildeten Mann erkennen. Leider konnte ich nicht die persönliche Bekanntschaft dieses ausserordentlichen Mannes machen, denn während meiner Anwesenheit in Lagos war er auf einer Inspectionsreise nach Bonny, immer besorgt um das Wohl seiner Missionen.

      Auf dem grossen Quai breiten sich dann rechts und links vom Gouvernementsgebäude die schönen Factoreien oder Handelsetablissements der Europäer aus, und von allen diesen ist die O'Swald'sche, wie schon erwähnt, die erste. Es giebt indess noch mehrere andere Häuser in Lagos, die gute Geschäfte machen. Der zweiten grössten Factorei steht ein Marseiller Haus vor, und die Engländer, obgleich sie sich natürlich auch bedeutend am Handel betheiligen, da ja die ganze Insel jetzt ihr Eigenthum ist, kommen doch erst in zweiter Linie; so hat auch die westafrikanische Compagnie deren Directorium in Liverpool ist, in den letzten Jahren sehr an ihrer Bedeutung verloren.

      Der Handel, was Export anbetrifft, beruht hauptsächlich auf Palmöl, das theils fertig von den Eingeborenen den Europäern zum Austausch oder zum Verkauf gebracht wird, theils auf die Nüsse der Oelpalme, welche roh nach Europa verschifft werden und dann dort durch Auspressen und andere Zubereitung ein doppeltes Product ergeben, nämlich Stearin und Oel. Was Baumwolle und Kornausfuhr anbetrifft, so ist die Production derzeit noch zu gering, um bedeutend ins Gewicht zu fallen, für beide Artikel ist indess eine grosse Zukunft vorhanden, denn kein Boden ist günstiger für Korn, Indigo, Taback und Baumwolle als der afrikanische, man trifft diese Pflanzen auf jedem Schritt und Tritt, so dass man versucht sein möchte, sie für einheimische zu halten. Die Oel-Ausfuhr aber selbst liegt noch ganz in der Kindheit, denn von einer eigentlichen Ausbeutung ist bei der Undurchdringlichkeit der Wälder, heutzutage noch keine Rede, aber bei der gänzlichen Stockung des Sklavenhandels von Lagos aus, und eben weil wiederum die Neger die europäischen Producte nicht entbehren können, werden sie schon Mittel und Wege finden, um nach und nach auch die Millionen von Palmen, die sich in den schwarzen Wäldern finden, ihren Tribut zahlen zu lassen.

      Was die Einfuhr anbetrifft, so stehen in erster Linie Schnaps, und zwar schlechter holländischer und deutscher Genever, amerikanischer Rum, dann Pulver, Steinschlossgewehre, leichte amerikanische Cattune, Perlen und andere kleinere Artikel, dann zweitens die Importation der kleinen Muscheln, welche als Scheidemünze in Afrika gelten. Diese werden vom indischen Archipel zu Schiffe an die Ost- und Westküste von Afrika gebracht. Obwohl nun sowohl im Innern als auch an der Küste der Werth derselben grossen Schwankungen unterliegt, kann man doch im grossen Allgemeinen sagen, dass ein Maria-Theresien-Thaler im Innern 4000 Muscheln, an der Küste indess 6000 werth ist. In Lagos werden sie bei der Importation en gros von den Europäern gewogen und später in Körbe[3] von je zu 20,000 verpackt, und vom Niger an kommen sie nur noch in kleinen Paketen vor, obgleich doch noch in Seg-Seg (westliches Königreich vom Kaiserreich Sókoto) Käufe und Verkäufe von Hunderttausenden von Muscheln gemacht werden.

      Der Verkehr in der Stadt ist meist zu Fuss, obwohl die Vornehmen und Reichen, seien sie nun schwarz oder weiss, meist zu Pferde ausreiten. Der Lagunendienst wird durch eine grosse Zahl von kleinen Booten und Kanoes besorgt, die alle numerirt sind, und die grösseren Häuser, wie O'Swalds, die französische Factorei und die westafrikanische Compagnie haben ihre eigenen Dampfer, die bestimmt sind, theils die Waaren zu den grossen Segelschiffen, welche der Barre halber in die Lagune nicht einlaufen können, hinauszutransportiren, theils auch, um kleinere Segelschiffe, als Brigg und was darunter ist, in die Lagune hereinzuschleppen. Der Gouverneur hat ausserdem auch für den Dienst einen Dampfer zur Disposition, welcher Eigenthum der Colonie ist.

      Die Bevölkerung von Lagos ist so überwiegend schwarzer Raçe, dass die wenigen Weissen, vielleicht hundert an der Zahl, ganz darunter verschwinden. Diese Schwarzen sind wieder von den verschiedensten Stämmen, obwohl Yóruba- und Sabu-Leute vorwiegend vorhanden sind. Man glaube indess nicht, dass die schwarze Bevölkerung eine niedere Stufe einnimmt, wie denn überhaupt der schlechtweg ausgesprochene Grundsatz, die schwarze Bevölkerung sei gar nicht der Civilisation fähig, ein sehr schlecht basirter ist. Freilich haben die, welche sich zu dieser Ansicht bekennen, sich wohl hauptsächlich auf die schwarze Bevölkerung Amerikas bezogen, aber von einer seit Jahrhunderten durch Sklaverei unterdrückten Bevölkerung Schlüsse auf eine ganze Raçe ziehen zu wollen, wäre ebenso unsinnig und lächerlich, als wolle man der ganzen europäischen Familie, weil gerade die Griechen ihre eben errungene Freiheit weder ertragen noch benutzen können, politische Unmündigkeit vorwerfen. Doch es würde zu weit führen, dies Thema hier zu behandeln, genug, dass ich als Beispiel anführe, dass Herr Philippi mir unter anderem Zutritt zum Hause James verschaffte, welches ebenfalls einem Schwarzen gehört, der ein bedeutendes Colonialwaarengeschäft betreibt. Seine Frau, Md. James, ebenfalls eine Schwarze, war einst dazu bestimmt, einem Engländer, der den König Dáhome besuchte, zu Ehren geopfert zu werden, wurde aber auf Wunsch des Weissen befreit, und ist jetzt in Lagos eine der liebenswürdigsten Salondamen.—Sie hatte mehrere Male die Güte die schönsten und schwierigsten Sonaten und Symphonien von Mozart und Beethoven uns vorzuspielen. Ich habe hier nur ein Beispiel von der Fähigkeit, sich zu bilden, bei den Negern angeführt, ich könnte deren hundert bringen.

      Die Tage in Lagos gingen in angenehmer Unterhaltung schnell hin, und allein den ganzen Tag auf der prachtvollen Factorei zuzubringen, die grossartigen Unternehmungen und Arbeiten bewundern, dem geschäftigen Treiben der Neger zuzuschauen, hätte Reiz genug gewährt. In der That, wenn man des Morgens auf der oberen Veranda sass, vor sich die herrliche Allee von Brodfruchtbäumen, die ewig saftgrünen Teppiche von Bahama-Gras, auf welchen sich zahme Gazellen herumtummelten, im Hintergrunde die tief blauen Lagunen, von einem palmenbewachsenen

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