Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band). Robert Louis Stevenson

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Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band) - Robert Louis Stevenson

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entbehrt.«

      »Ich hatte heute abend eine lange Auseinandersetzung mit ihm«, sagte Archie.

      »Das dachte ich mir.«

      »Und er kam mir – ja, ich kann es nicht leugnen, er kam mir irgendwie sehr groß vor. Ja, er ist groß. Er sagte kein Wort von sich selbst, sondern sprach nur von mir. Ich glaube, ich bewunderte ihn sogar. Die fürchterliche Rolle –«

      »Wie wäre es, wenn wir davon lieber nicht sprächen?« unterbrach ihn Glenalmond. »Du weißt sehr genau, daß du keinen Schritt weiter kommst, wenn du darüber nachgrübelst, und manchmal frage ich mich, ob du und ich – ich meine, zwei Sentimentalisten wie wir – einfacheren Menschen gegenüber wirklich gute Richter sind.«

      »Wie meinen Sie das?« forschte Archie.

      » Gerechte Richter, will ich damit sagen«, entgegnete Glenalmond. »Können wir ihnen gegenüber gerecht sein? Fordern wir nicht zu viel? Du hast eben ein Wort gesagt, das mich ein wenig getroffen hat, als du mich fragtest, wie wir dazu kämen, sämtliche Beweggründe von Gottes unglücklicher Kreatur beurteilen zu wollen. Du wandtest es, wenn ich dich recht verstanden habe, lediglich auf die zum Tode Verurteilten an. Aber ich frage mich, trifft das nicht auch auf die Allgemeinheit zu? Ist es die Spur weniger schwierig, einen guten oder einen halb guten Menschen zu beurteilen, als den schlimmsten Verbrecher vor Gericht? Und hat nicht vielleicht ein jeder triftige Entschuldigungsgründe?«

      »Ah, aber es ist auch niemals davon die Rede, die Guten zu bestrafen«, rief Archie.

      »Nein, es ist nicht davon die Rede«, sagte Glenalmond, »aber ich glaube, wir tun es dennoch. Nimm deinen Vater zum Beispiel.«

      »Sie meinen, ich habe ihn bestraft?«

      Lord Glenalmond neigte den Kopf.

      »Ich glaube, ich habe es wirklich getan«, rief Archie. »Und das Schlimmste ist, ich glaube, er fühlt es! In welchem Maße? Wer vermöchte das von solch einem Wesen zu sagen! Aber ich glaube, er fühlt es wirklich.«

      »Ich bin davon überzeugt«, sagte Glenalmond.

      »Hat er mit Ihnen davon gesprochen?« fragte Archie lebhaft.

      »O nein!«

      »Ich will Ihnen ganz offen gestehen, ich möchte ihn wieder versöhnen. Ich reise; ich habe es Hermiston versprochen. Das ist das eine Versprechen. Und jetzt möchte ich Ihnen, hier im Angesichte Gottes, mein Wort verpfänden, daß ich sowohl über die Todesstrafe wie über alle Dinge, in denen unsere Ansichten auseinandergehen, schweigen werde auf – auf wie lange? – sagen wir, bis ich genügend Reife habe – also zehn Jahre. Ist das gut so?«

      »Es ist gut«, sagte Mylord.

      »Bis zu einem bestimmten Grade, ja. Es genügt, insofern es mich betrifft, genügt, um meine Einbildung zu dämpfen. Aber wie steht es mit ihm, den ich öffentlich beleidigt habe? Was soll ich ihm antun? Wie erweist man einem – einem Montblanc Aufmerksamkeiten?«

      »Nur auf eine einzige Weise. Nur durch pünktlichen, prompten und peinlichen Gehorsam.«

      »Ich verspreche, daß der ihm werden soll. Hier haben Sie meine Hand darauf.«

      »Und ich ergreife feierlich diese Hand«, entgegnete der Richter. »Gott segne dich, mein lieber Sohn, und helfe dir, dein Versprechen zu halten. Gott geleite dich auf den rechten Pfad und sei deinen Tagen gnädig und erhalte dir dein ehrliches Herz.« Und damit küßte er auf anmutige, kühle, altmodische Art des jungen Mannes Stirn, um sogleich mit merklich veränderter Stimme ein anderes Thema anzuschneiden. »Und jetzt wollen wir von neuem den Krug füllen, und ich glaube, du würdest finden, falls du es noch einmal mit meinem Käse versuchtest, daß dein Appetit sich gebessert hat. Der Gerichtshof hat gesprochen, und der Fall ist abgeschlossen.«

      »Nein, das eine muß ich noch sagen«, rief Archie. »Ich muß es zu seiner Rechtfertigung sagen. Ich weiß – ich glaube bestimmt – ja, ja, jetzt nach unserer Unterredung mit sklavischer Überzeugung –, daß er niemals ein ungerechtes Verlangen an mich stellen wird. Ich bin stolz darauf, dieses eine mit ihm gemein zu haben, stolz, Ihnen das sagen zu können.«

      Der Richter hob mit leuchtenden Augen den Humpen. »Und ich glaube, wir dürfen uns jetzt gestatten, einen Toast auszubringen. Ich möchte auf das Wohl eines Mannes trinken, der von mir sehr verschieden ist und mir unendlich überlegen – eines Mannes, dem ich oft opponiert habe, der (um eine banale Redensart zu gebrauchen) mir häufig gegen den Strich geht, den ich jedoch niemals zu achten und – das kann ich getrost hinzufügen – gehörig zu fürchten aufgehört habe. Soll ich dir seinen Namen nennen?«

      »Der Lord Oberrichter, Lord Hermiston«, sagte Archie fast heiter; und das Paar tat einen ansehnlichen Schluck.

      Nach diesen Gefühlsergüssen war es etwas schwierig, die Unterhaltung wieder in natürlichen Fluß zu bringen. Aber der Richter füllte die Pausen mit freundlichen Blicken aus, zog eine sonst nur selten gesehene Schnupftabakdose hervor und wollte endlich, da er bereits an weiteren gesellschaftlichen Erfolgen verzweifelte, ein Buch herunterholen, um daraus irgendeine Lieblingsstelle vorzulesen, als an der Haustür jähes Klingelläuten erscholl und Carstairs Lord Glenkindie, auf dem Heimwege von einem mitternächtlichen Souper, ins Zimmer führte. Glenkindie bildete zu keiner Zeit eine reizvolle Erscheinung, da er plump und untersetzt war, mit einem grobsinnlichen Ausdruck gleich dem eines Bären. In diesem Augenblick jedoch, erhitzt von übermäßigem Trinken, mit gerötetem Gesicht und schwimmenden Augen, bot er einen überwältigenden Gegensatz zu der hohen, blassen, königlichen Gestalt Glenalmonds. Ein Heer wirrer Gedanken stürmte auf Archie ein – Scham, daß dieser einer von seines Vaters Busenfreunden wäre; Stolz auf die Tatsache, daß Hermiston zum mindesten seinen Alkohol vertrüge, und endlich Wut, hier vor sich den Mann zu sehen, der ihn verraten hatte. Zuletzt schwand jedoch auch dieses Empfinden, und er wartete in Ruhe seine Gelegenheit ab.

      Der angetrunkene Würdenträger erging sich sogleich in weitschweifigen Erklärungen. Da sei gestern ein noch unaufgeklärter Punkt gewesen, mit dem er absolut nicht zu Rande kommen könne, und da er noch Licht im Hause erblickt, habe er einen Augenblick vorgesprochen, um bei einem Glase Porter – in diesem Moment bemerkte er die Anwesenheit eines Dritten. Archie sah das Fischmaul und die feisten Lippen Glenkindies sich eine Sekunde lang zu gaffendem Erstaunen öffnen, dann funkelte Erkennen in des anderen Augen.

      »Wer ist denn das? Was? Ist’s möglich, unser Don Quichote? Und wie geht’s Ihnen eigentlich? Und wie geht’s Ihrem Vater? Und was sind das für Dinge, die wir von Ihnen hören müssen? Es scheint, Sie sind ja ein ganz Radikaler, nach allem, was die Leute behaupten. Kein König, keine Gerichte, und der Ekel steigt Ihnen vor den vollziehenden Beamten hoch, ehrenwerte Leute, die sie sind? Jessas, jessas! Liebe Zeit, liebe Zeit! Obendrein als Ihres Vaters Sohn! Höchst lächerlich!«

      Archie war hochgesprungen, ein wenig erhitzt über die Wiederkehr jener unglücklichen Redewendung, aber im übrigen vollständig beherrscht. »Mylord – und Sie, Lord Glenalmond, mein lieber Freund«, hub er an, »ich ergreife diese günstige Gelegenheit, mein Geständnis abzulegen und Sie beide gleichzeitig um Entschuldigung zu bitten.«

      »Wie? Was? Was soll das heißen? Geständnis? Das wird eine gerichtliche Angelegenheit, mein junger Freund«, rief der scherzhafte Glenkindie. »Und ich habe Angst, Sie anzuhören. Wenn Sie mich nun bekehrten!«

      »Mit Verlaub, Mylord«, lautete Archies Erwiderung, »es ist mir mit dem, was ich zu sagen habe, sehr ernst; vielleicht hätten Eure Lordschaft die Güte, Eure Scherze bis

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