Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz
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Zbyszko umfaßte jetzt die Füße der hohen Frau. Diese jedoch hob ihn sofort empor, begrüßte ihn aufs herzlichste und fragte unverweilt, ob Macko gestorben sei oder noch lebe und ob er, wenn er noch lebe, auch nach Masovien komme. All diese Fragen beantwortete der junge Ritter ganz mechanisch, neigte er sich doch fortwährend von einer Seite zur andern, in dem Bestreben, Danusia zu sehen, die einmal um das andere ihr Köpfchen aus dem Gewande der Fürstin hervorstreckte, um es dann wieder rasch in dessen Falten zu verbergen. Bei diesem Schauspiel hielten sich die Masuren die Seiten vor Lachen, ja, sogar der Fürst konnte sich des Lachens nicht erwehren. Da nun aber die dampfenden Schüsseln aufgetragen wurden, erklärte die frohgelaunte Fürstin zu Zbyszko gewandt: »Du sollst uns dienen, viel lieber Knecht! Doch nicht nur beim Mahle sollst Du uns Deine Dienste weihen, nein, Gott gebe es, fürs ganze Leben.«
»Du aber, kleiner Quälgeist,« rief sie hierauf Danusia zu, »Du kommst jetzt hervor, sonst reißest Du mir noch das ganze Gewand ab.«
Diesem Gebote leistete Danusia sofort Folge. Verschämt und tief errötend trat sie vor, und als sie ihre kindlichen Augen scheu und doch neugierig auf Zbyszko richtete, da erstrahlte sie in so wunderbarer Schönheit, daß nicht nur das Herz des jungen Ritters vor Bewunderung überfloß, sondern daß ihr alle anwesenden Männer insgeheim huldigten. Herr de Lorche streckte vor Staunen beide Arme empor und fragte hastig: »Beim heiligen Jakob aus Compostella, wer ist diese Jungfrau?«
Daraufhin erhob sich der Starost aus Szczytno, der bei seiner Feistigkeit auch noch klein war, auf die Zehen und flüsterte dem Lothringer ins Ohr: »Die Tochter des Teufels!«
Mit den Augen blinzelnd schaute de Lorche auf den Redenden, dann runzelte er die Stirne und sprach näselnd also: »Unwürdig ist es eines Ritters, die Schönheit zu schmähen.«
»Ich trage die goldenen Sporen, und ich bin ein Ordensritter!« entgegnete Hugo de Danveld voll Hochmut.
So groß war die Ehrfurcht vor den gegürteten Rittern, daß der Lothringer unwillkürlich das Haupt senkte, gleich darauf jedoch antwortete: »Und ich bin ein Blutsverwandter des Fürsten von Brabant.«
» Pax! Pax!« rief nun der Kreuzritter: »Ehre und Ruhm sei dem mächtigen Fürsten, dem Freunde des Ordens, aus dessen Hand Ihr, o Herr, in Bälde die goldenen Sporen erhalten möget! Nicht die Schönheit des Mägdleins will ich bestreiten, doch hört erst, wer dessen Vater ist.«
Dies auseinanderzusetzen vermochte er indessen nicht mehr. Fürst Janusz ließ sich in diesem Augenblick am Tisch nieder und da ihm zuvor der Vogt von Johannesburg über die hohen Blutsverwandten des Herrn de Lorche berichtet hatte, gab er letzterem ein Zeichen, neben ihm Platz zu nehmen. Die Sitze gegenüber waren für Anna Danuta und Danusia bestimmt, hinter deren Lehnstühlen Zbyszko, wie damals in Krakau, zum Dienste bereit stand. Danusia beugte zwar das Köpfchen so tief wie möglich auf ihre Schüssel, denn sie schämte sich noch immer vor den Anwesenden, hielt aber das Haupt ein wenig zur Seite geneigt, damit Zbyszko ihr Gesicht sehen konnte. Und voll Sehnsucht, voll Entzücken schaute dieser auf ihr goldhaariges Köpfchen, auf die rosenroten Wangen, auf ihre jungfräuliche Gestalt in dem eng anschließenden Gewande, an der nichts mehr an die eckigen Formen des Kindes erinnerte. Staunend empfand der junge Ritter, daß er plötzlich Danusia auf eine ganz andere Weise liebe wie früher, daß eine ganz neue Liebe ihm die Brust schwelle. Noch brannten ihm ihre Küsse auf Augen, Mund und Wangen. Wie anders war dies sonst gewesen! Wie eine Schwester den Bruder, so hatte sie ihn früher geküßt, und er hatte ihre Zärtlichkeiten wie die eines geliebten Kindes erwidert. Jetzt aber ergriff ihn die gleiche Erregung, in die ihn das Zusammensein mit Jagienka zu versetzen pflegte. Ein Zittern überkam ihn, er fühlte sich wie gelähmt, aber in seinem Innern loderte eine Glut gleich einer Flamme, die mit Asche bedeckt ist. Danusia war zur Jungfrau erblüht, das ließ sich nicht mehr bezweifeln, und da vor ihr fortwährend von Liebe gesprochen ward, glich sie einer Blütenknospe, welche, durch die Sonne erwärmt, sich immer prächtiger entfaltet. Sie wußte nun, was Liebe war, sie fühlte und dachte ganz anders wie früher. Der Zauber, der Reiz, die von ihr ausgingen; wirkten ebenso belebend und berauschend wie die Flamme des Feuers, wie der Duft der Rose.
All dies empfand Zbyszko sehr wohl, vermochte sich aber keine Rechenschaft darüber zu geben, denn er befand sich wie in einem Traume. Er dachte ebensowenig daran, daß er bei Tische aufwarten müsse, als daß er bemerkte, wie die Hofleute ihn beobachteten, sich mit dem Ellenbogen anstießen, auf ihn und auf Danusia mit den Fingern zeigten und unaufhörlich lachten. Weder das vor Staunen fast starr gewordene Antlitz des Herrn de Lorche nahm er wahr, noch die hervorstehenden Augen des Kreuzritters aus Szczytno, die dieser fortwährend auf Danusia gerichtet hielt und die im Scheine des Kaminfeuers so rot und funkelnd wie die Augen eines Wolfes aussahen. Erst dann kam er wieder zur Besinnung, als die Trompeten abermals erklangen, zum Zeichen, daß man zur Jagd aufbrechen müsse, und als die Fürstin Anna Danuta, sich zu ihm wendend sagte: »Du reitest mit uns. Das wird Dir doch Freude bereiten, und Du kannst dem Mägdlein von Liebe sprechen, was ich auch gar gern höre.«
Nach diesen Worten entfernte sie sich mit Danusia, da sich beide zur Jagd umkleiden mußten. Zbyszko eilte ins Freie, wo man schon die mit Reif bedeckten, wiehernden Pferde für das Fürstenpaar, die Gäste und die Hofleute bereit hielt. Doch ging es nicht mehr so lebhaft her wie zuvor, weil die Treiber sich mit den Netzen schon auf den Weg gemacht hatten und in die Waldwildnis eingedrungen waren. Die Feuer glimmten nur noch. Ein klarer aber kalter Tag brach an. Der Schnee knirschte unter den Tritten, und von den durch einen leisen Luftzug bewegten Bäumen fielen glänzende Eisstückchen herab. Der Fürst ließ nicht lange auf sich warten. Rasch stieg er zu Pferd. Hinter ihm ritt ein Knecht mit der Armbrust und einem so langen und schweren Speere, daß ihn nur wenige hätten werfen können. Der Fürst handhabte ihn indessen mit Leichtigkeit, besaß er doch auch wie die andern masovischen Piasten eine außergewöhnliche Kraft. Diesem Geschlechte gehörten sogar Frauen an, die, sich mit ausländischen Großen vermählend, während des Hochzeitsmahles breite eiserne Schwerter mit den Fingern zusammenbogen. In der Nähe des Fürsten Janusz hielten sich zwei Mannen, um ihm, wenn es notthun sollte, Hilfe zu leisten. Diese waren unter allen Edeln aus dem Gebiete von Warschau und Ciechanow ausgewählt worden und sahen durch ihren hohen Wuchs, durch ihre stämmigen Glieder und breiten Schultern so furchterregend aus, daß Herr de Lorche sie voll Staunen betrachtete.
Mittlerweile war auch die Fürstin mit Danusia erschienen, beide in Kapuzen aus weißen Wieselfellen gehüllt. Die nicht aus der Art geschlagene Tochter Kiejstuts verstand weit besser den Bogen als die Nadel zu führen, und so trug man denn auch ihr eine schön gearbeitete, aber etwas leichtere Armbrust nach. Auf den Schnee kniend, hielt Zbyszko die flache Hand aus, auf welche die Fürstin, das Pferd besteigend, den Fuß setzte, dann hub er Danusia, ganz so empor, wie er dies bei Jagienka in Bogdaniec gethan hatte. Wenige Sekunden darauf setzte sich alles in Bewegung. In langer, schlangenförmiger Reihe zog das Gefolge, rechts vom Jagdhofe abbiegend, schillernd und schimmernd, gleich einem farbigen Streifen am Rande eines dunklen Stoffes, am Saume des düsteren Waldes dahin, um dann allmählich in dem Dickicht zu verschwinden.
Erst nach geraumer Zeit – sie befanden sich schon ziemlich tief im Walde – wandte sich die Fürstin abermals zu Zbyszko und fragte: »Weshalb redest Du nichts? So sprich doch mit ihr.«
Allein trotz dieser Aufforderung schwieg der junge Ritter noch eine ganze Weile. Eine plötzliche Schüchternheit hatte sich seiner bemächtigt, und es dauerte länger als ein oder zwei Vaterunser, bevor er also anhub: »Danuska!«
»Was