Frankenstein. ÐœÑри Шелли
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»Die Alten versprachen Unmögliches und leisteten nichts. Die heutigen Gelehrten versprechen nichts; sie wissen, dass die Metalle nicht ineinander verwandelt werden können und dass das Lebenselixier eine Chimäre ist. Aber diese Philosophen, deren Hände dazu geschaffen scheinen, im Schmutze zu graben, und deren Augen über den Schmelztiegeln und Mikroskopen trüb werden, haben wahre Wunder vollbracht. Sie gehen der Natur bis in ihre Schlupfwinkel nach und beobachten sie in ihrer geheimsten Tätigkeit. Sie steigen bis in den Himmel. Sie haben den Kreislauf des Blutes entdeckt und die Natur der Luft, die wir atmen, dargelegt. Sie haben neue, fast unbegrenzte Kräfte entfesselt. Wir haben dem Himmel seine Blitze entrissen und machen uns über die unsichtbare Welt mit ihren Schatten lustig.«
Das waren die Worte des Professors – und des Schicksals, das es auf meine Vernichtung abgesehen hatte. Als er wegging, war es mir, als ringe meine Seele mit einem körperlichen Feinde. Alle Register meines Seins wurden gezogen, Saite auf Saite meines Inneren ertönte und ein Gedanke, ein Wunsch, ein Ziel nahm mich gefangen. Soviel bis jetzt auch geschehen sein mag – hörte ich die Seele Frankensteins rufen – viel, viel mehr will ich noch vollenden. Als Pionier will ich neue, unbekannte Kräfte entdecken und vor der Welt die tiefsten Geheimnisse der Schöpfung ausbreiten.
In dieser Nacht schloss ich kein Auge. Mein Inneres war in einem Zustande des Aufruhrs und Tumultes. Ich fühlte, dass das wieder gut würde, aber es war mir so rasch nicht möglich mich zu beruhigen. Allmählich, gegen Morgen, vermochte ich dann einzuschlafen. Als ich erwachte, waren meine Gedanken von gestern wie ein Traum. Aber die Idee blieb fest haften, dass ich mich wieder meinen alten Studien zuwenden und mich einer Wissenschaft widmen wollte, zu der ich natürliche Anlagen hatte. Am gleichen Tage noch stattete ich Professor Waldmann einen Besuch ab. Er war als Privatmann, wenn möglich, noch zuvorkommender und gewinnender wie in seinem Berufe. Denn während seiner Vorlesungen nahm er eine sehr würdevolle Haltung an, die aber in seinem Heim einer außerordentlichen Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit Platz machte. Ich gab ihm fast denselben Bericht über meine frühere Beschäftigung wie seinem Kollegen. Er hörte aufmerksam meiner Erzählung zu und lächelte, als er die Namen Cornelius Agrippa und Paracelsus vernahm, aber ohne sie so verächtlich zu machen, wie es Krempe getan hatte. Er meinte, dass diesen unermüdlich fleißigen Forschern die modernen Gelehrten viel zu danken hätten. Sie hätten uns die leichtere Aufgabe hinterlassen, den Dingen Namen zu geben, die sie mit größter Mühe erforscht. Die Arbeit eines Genies sei, wenn sie auch momentan auf irrigen Voraussetzungen beruhe, niemals ohne Nutzen für das Menschengeschlecht. Ich lauschte mit hohem Interesse diesen Ansichten, die so ganz ohne Anmaßung und Ziererei ausgesprochen wurden. Ich versäumte nicht zu gestehen, dass seine Vorlesung mein Vorurteil gegen die moderne Chemie behoben habe. Es ist selbstverständlich, dass ich mich der Bescheidenheit in meinen Ausdrücken befleißigte, die dem Schüler seinem Lehrer gegenüber zusteht, ohne aber den Enthusiasmus zu verhehlen, den ich meinen kommenden Studien entgegenbrachte. Ich bat ihn noch um Ratschläge betreffs der zu beschaffenden Bücher, worauf er sagte:
»Ich freue mich, Sie als Schüler gewonnen zu haben. Wenn Ihr Fleiß Ihren Fähigkeiten gleichkommt, zweifle ich nicht an Ihrem Erfolge. Chemie ist der Zweig der Naturwissenschaft, aus dem das Meiste geholt worden ist und noch geholt werden wird. Darum habe ich sie als mein Spezialfach erwählt, ohne aber die anderen Wissenschaften zu vernachlässigen. Ein Mensch würde nur eine sehr traurige Rolle spielen, wenn er sich ganz einseitig auf Chemie verlegen wollte. Wenn Sie wirklich ein Wissenschaftler werden und nicht bloß ein armseliger Experimentator werden wollen, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich mit sämtlichen Zweigen der Naturphilosophie zu beschäftigen, einschließlich der Mathematik.«
Er nahm mich dann mit in sein Laboratorium und führte mir seine verschiedenen Apparate vor. Er zeigte mir auch ihre Handhabung und versprach mir, dass ich sie selbst bedienen dürfte, wenn ich einmal so weit vorgeschritten sei, dass ich nichts daran beschädigte. Er gab mir dann noch ein Verzeichnis der von ihm empfohlenen Bücher und entließ mich.
So endete ein für mich denkwürdiger Tag: Er entschied über mein ganzes künftiges Schicksal.
1 Ein Panegyricus (Panegyrikos) war in der Antike eine prunkvolle Rede aus festlichem Anlass. <<<
4. Kapitel
Von diesem Tage ab wurde die Naturphilosophie und besonders die Chemie meine ausschließliche Beschäftigung. Ich las mit Leidenschaft die genialen, klaren Werke moderner Forscher. Ich besuchte fleißig die Vorlesungen und blieb in ständiger persönlicher Verbindung mit meinen Lehrern. Ich fand sogar in Krempe einen gesunden Verstand und tiefes Wissen, allerdings verbunden mit abstoßenden Manieren, die meiner Wertschätzung keinen Eintrag zu tun vermochten. In Professor Waldmann hatte ich einen teueren Freund gefunden. Seine Liebenswürdigkeit wurde durch keinen Dogmatismus getrübt und seine Vorlesungen waren so frei und überzeugend gehalten, dass jeder Verdacht pedantischer Auffassung ausgeschlossen war. In jeder Weise machte er mir die mühsamen Pfade der Wissenschaft leichter und verstand es, die schwierigsten Dinge meiner Auffassung zugänglich zu machen. Mein Fleiß war zu Anfang ziemlich unregelmäßig gewesen; aber er wuchs, je weiter ich fortschritt, und wurde schließlich so groß, dass oftmals die Sterne vor dem Morgenlicht verblichen, wenn ich noch in meinem Laboratorium saß.
Es ist verständlich, dass bei diesem außergewöhnlichen Fleiße auch meine Fortschritte groß waren. Meine Studiengenossen wunderten sich darüber, während