Gesammelte Erzählungen von Rudyard Kipling (116 Titel in einem Band). Rudyard 1865-1936 Kipling
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Seite an Seite stießen die vier; die Außenmauer bog sich, barst und fiel. Die Dorfbewohner, stumpf vor Entsetzen, sahen die furchtbar dräuenden Schädel der Zerstörer lehmbedeckt aus der Bresche ragen. Da flohen sie, arm und heimatlos, in das Tal hinab; und ihr Dorf, zerstückt, zerfetzt, zerstampft, versank hinter ihnen.
Einen Monat danach war der Ort, wo das Dorf gestanden hatte, ein flacher Hügel, bedeckt mit jungem grünem Gras; und zu Ende der Regenzeit herrschte schrankenlos die rauschende brausende Dschungel dort, wo vor kaum sechs Monden noch Menschen pflügten und ernteten.
Moglis Gesang wider die Menschen
Ich laß los gegen euch die flinkfüßigen Ranken,
Es bersten die Dächer!
Die Pfosten zu Falle!
Und Karela, die bittre Karela,
Begrabe sie alle!
Meines Volkes Gesang euren Ratplatz durchschalle,
Die Fledermaus niste in Scheune und Halle;
Am erloschenen Herdstein
Halte, Schlange, die Hut,
Karela soll fruchten,
Wo zur Nacht ihr geruht!
Meine Streiter nicht seht ihr, ihr hört nur voll Graus,
Zur Nacht, eh’ der Mond steigt, da send’ ich sie aus,
Der Wolf sei euch Hirte,
Die Herde zerstiebt!
Karela wird samen,
Da, wo ihr geliebt!
Eure Felder beernte das Heer meiner Schnitter,
Nachles’ mögt ihr halten um Hähnchen und Splitter!
Pflugstier sei das Rotwild
Und pflüge das Feld!
Es laube Karela,
Wo die Saat ihr bestellt!
Ich ließ los gegen euch die vielfüßigen Ranken,
Euch zu tilgen, entband ich die Dschungel der Schranken:
Der Wald, der Wald ist über euch,
Die Pfosten zu Falle!
Und Karela, die bittre Karela,
Begrabe euch alle!
Die Leichenbestatter
Sprichst du zu Tabaqui: »Mein Bruder!«
und lädst die Hyäne zu Gast,
Dann ist auch der Wanst auf vier Füßen,
Tschakala, dir nicht mehr verhaßt!
(Dschungelspruch.)
»Ehret das Alter!«
Eine fette Stimme war es – eine schlammige Stimme, vor der euch geschaudert hätte –, als ob etwas Weiches sich spaltet. Zittern war in ihr, Krächzen und Gewinsel.
»Ehret das Alter! Oh, ihr Gefährten vom Strom – ehret das Alter!«
Zu sehen war nichts auf der breiten Fläche des Stroms; nur einige Barken mit Quersegeln, bausteinbeladen, trieben stromabwärts unter der Eisenbahnbrücke hervor. Die plumpen Steuerruder legten sich um, kamen frei von der Sandbank, die an die Brückenpfeiler angeschwemmt war, und als sie zu dritt nebeneinander dahinzogen, erhob sich wieder die grausige Stimme.
»Oh, ihr Brahmanen vom Strom – ehret den Greisen und Gebrechlichen!«
Ein Schiffer, der am Bugspriet saß, wandte sich um, hob die Hand und rief etwas, das kein Segensspruch war; und weiter knarrten die Barken durch das Zwielicht. Der breite indische Fluß, der eher einer Kette von kleinen Seen glich, war glatt wie Glas, und der fahlrote Abendhimmel spiegelte sich in der Stromesmitte. An den leise bewegten Ufern aber zerrann er zu gelben und dunkelpurpurnen Tupfen. Kleine Rinnsale flössen ihm in der Regenzeit zu, jetzt aber gähnten die trockenliegenden Mündungen über dem Wasser. Am linken Ufer, fast schon unter der Eisenbahnbrücke, stand ein Dorf mit strohgedeckten Häuschen aus Lehmziegeln; die Hauptstraße lief geradlinig zum Strom hinab, auf der jetzt die Rinder heim in ihre Ställe zogen, und sie endete in einem gemauerten Molenkopf, wo die Frauen die Stufen zum Wasser hinabstiegen, um Wäsche zu waschen. Das war der Ghat des Dorfes Muggerghat.
Rasch sank die Nacht über die tiefliegenden Felder mit Reis, Linsen und Baumwollstauden, die alljährlich vom Strom überschwemmt werden, über Schilf und Ried, das die Strombiegung einsäumt, und über die dickichtbewachsenen Weidegründe, die sich hinter den stillen Binsen ausdehnten.
Papageien und Krähen, die beim abendlichen Trunke geschwatzt und gekreischt hatten, zogen heimwärts zu ihrem Schlafbaum und begegneten unterwegs den ausziehenden Scharen der fliegenden Hunde. Wolke auf Wolke von Wasservögeln zog pfeifend und knarrend dem deckenden Schilf zu: Gänse mit plumpen Köpfen und schwarzen Rücken, Krickenten, Speckenten, Brachvögel, Kreuzschnäbel und auch einige Flamingos.
Ein schwerfälliger Adjutantkranich bildete den Nachtrab und zog so langsam dahin, als ob jeder Schlag seiner Flügel der letzte wäre.
»Ehret das Alter! Ihr Brahmanen vom Strom – ehret das Alter!«
Der Adjutant drehte halb den Kopf, schielte in die Richtung, aus der die Stimme kam, und ließ sich langsam auf der Sandbank unter der Brücke nieder. Jetzt erst sah man, was für eine scheußliche Kreatur er war. Rückenansicht war ungemein würdevoll; denn er war beinahe sechs Fuß hoch und glich, von hinten gesehen, einigermaßen einem ehrwürdigen kahlköpfigen Pastor. Von vorn aber sah er ganz anders aus. Sein grotesker Kopf und Hals trug nicht ein Federchen, und unter dem Kinn hing ihm ein greulicher roter Hautbeutel, der Behälter für alles, was er mit seinem Spitzhackenschnabel zusammenraffen konnte. Die Beine waren lang, dünn und häutig, aber er bewegte sie zierlich und betrachtete sie mit Stolz, indes er sich die aschgrauen Schwanzfedern putzte, warf dann einen Blick über die Glätte seiner Schultern, steifte sich hoch – und stand stramm.
Ein kleiner, räudiger Schakal, der hungrig kläffend auf einem kleinen Hügel am Ufer gesessen hatte, hob Ohren und Schwanz und planschte dann durchs Wasser zu dem Adjutanten hinüber. Er war der geringste seiner Kaste; nicht etwa, daß der beste der Schakale viel taugte, aber dieser war besonders verlumpt, halb Bettler, halb Verbrecher, Aufräumer des Abfalls der Dörfer, verzweifelt feige und blindlings tollkühn, immer hungrig und voller Schläue, die ihm doch nie etwas eintrug.
»U-i, u-i, u-uu«, winselte er beim Landen und schüttelte sich das Wasser ab. »Möge die rote Räude über alle