Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi

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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi

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dem französischen Vorposten und wurde von einem französischen Kavallerieposten angehalten. Der französische Husarenunteroffizier in dunkelblauer Uniform und Pelzmütze rief Balaschew zu, zu halten, und als dieser im Schritt weiterritt, rief der Unteroffizier zornig den russischen General an, ob er taub sei. Balaschew nannte seinen Namen, worauf der Unteroffizier einen Soldaten zum Offizier schickte. Eben ging die Sonne auf und die Luft war frisch und tauig. Auf dem Wege vom Dorf wurde eine Herde fortgetrieben. Während Balaschew sich nach dem Offizier umsah, blickten die Kosaken und die Franzosen einander neugierig an. Ein französischer Husarenoberst, der eben erst das Bett verlassen zu haben schien, kam auf einem schönen, wohlgenährten Pferd, begleitet von zwei Husaren, vom Dorf her. Es war die erste Zeit des Feldzuges, wo die Truppen noch in bester Verfassung und in jener heiteren, unternehmungslustigen Stimmung sich befinden, welche immer den Anfang eines Feldzuges begleitet. Der französische Oberst unterdrückte mit Mühe ein Gähnen, war aber höflich und begriff die Bedeutung Balaschews. Er führte ihn an den Soldaten vorüber hinter die Kette und äußerte, sein Wunsch, dem Kaiser vorgestellt zu werden, werde wahrscheinlich sogleich erfüllt werden, da sich das Hauptquartier, soviel er wisse, in der Nähe befinde. Als sie durch das Dorf und an einem Krug vorbeigeritten waren, kam ihnen eine Gruppe Reiter entgegen. An der Spitze derselben erblickten sie einen hochgewachsenen Reiter mit einem Federhut, mit schwarzen, auf die Schultern herabhängenden Haaren und einem roten Mantel. Dieser Reiter kam Balaschew im Galopp entgegen, während seine Edelsteine an Armbändern und Goldstickereien in der Sonne glänzten.

      »Der König von Neapel!« flüsterte der französische Oberst.

      Es war wirklich Murat, welcher jetzt König von Neapel genannt wurde, obgleich dies ganz unbegreiflich war. Er war so fest überzeugt, daß er wirklich König von Neapel sei, daß er am Abend vor seiner Abreise von Neapel, als einige Italiener ihm bei einem Spaziergang mit seiner Frau durch die Straßen zuriefen: »Es lebe der König!« mit melancholischem Lächeln zu seiner Gattin sagte: »Die Unglücklichen, sie wissen nicht, daß ich sie morgen verlasse.«

      Als er den russischen General erblickte, warf er feierlich, in königlicher Haltung den Kopf zurück und blickte fragend den französischen Oberst an. Dieser meldete seiner Majestät den Auftrag Balaschews, dessen Namen er nicht aussprechen konnte.

      »De Bal-macheve! Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, General!« sagte der König mit gnädiger Gebärde. Sogleich aber verließ ihn die königliche Würde und er verfiel in seinen gewohnten Ton.

      »Nun, wie ist’s, General, es scheint, es kommt zum Kriege?« sagte er.

      »Der Kaiser wünscht keinen Krieg, wie Eure Majestät sehen werden«, sagte Balaschew, der bei jeder Gelegenheit die Anrede »Eure Majestät« anwendete und durch alle Fälle deklinierte.

      Das Gesicht Murats strahlte in einfältigem Vergnügen. Die königliche Würde legte Verpflichtungen auf, er empfand die Notwendigkeit, mit dem Gesandten Alexanders von politischen Angelegenheiten als König und Verbündeter zu sprechen. Endlich richtete er sich feierlich auf und sagte mit einer königlichen Handbewegung: »Ich halte Sie nicht länger zurück, General, und wünsche Ihnen allen Erfolg.« Dann ritt er mit wallenden Federn zu seiner Suite zurück, die ihn ehrerbietig erwartete. Balaschew erwartete nach den Worten Murats, sehr bald dem Kaiser vorgestellt zu werden, aber er wurde zunächst nur zum Marschall Davoust geführt.

      136

       Inhaltsverzeichnis

      Davoust war der Araktschejew des Kaisers Napoleon. Araktschejew war kein Feigling, aber ebenso pünktlich und grausam und wußte seine Ergebenheit nicht anders auszudrücken als durch Grausamkeit. Im Mechanismus eines Reichsorganismus sind solche Leute notwendig, wie Wölfe im Organismus der Natur, und sie sind immer vorhanden, wie wenig auch ihre Anwesenheit an der Spitze der Regierung erklärlich scheint. Nur durch diese Notwendigkeit wird es erklärlich, wie der grausame, ungebildete, unhöfliche Araktschejew, der den Grenadieren selbst die Schnurrbarte in die Höhe drehte und aus Nervenschwäche keine Gefahr ertragen konnte, bei dem ritterlichen, edlen und milden Charakter Alexanders die Obergewalt erlangen konnte.

      Balaschew traf Marschall Davoust in der Scheune eines Bauernhauses an, auf einem Fäßchen sitzend und mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt. Ein Adjutant stand neben ihm. Davoust hätte ein besseres Unterkommen finden können, aber er war einer jener Menschen, welche absichtlich die düstere Umgebung aufsuchen, um das Recht zu haben, ein finsteres Wesen zu zeigen. »Wie kann ich an die glückliche Seite des Menschenlebens denken, wenn ich hier, wie Sie sehen, in einer schmutzigen Scheune auf einem Fäßchen sitze und arbeite«, sagte seine Miene. Er vertiefte sich noch mehr in seine Arbeit, und als er auf dem Gesicht Balaschews den unangenehmen Eindruck dieses Empfangs wahrnahm, erhob er den Kopf und fragte kühl, was er wünsche. Balaschew schrieb diesen Empfang dem Umstand zu, daß Davoust nicht wußte, daß er Generaladjutant des Kaisers Alexander und dessen Vertreter sei, und beeilte sich daher, Davoust seinen Stand und seine Bedeutung mitzuteilen. Wider Erwarten aber wurde Davoust noch finsterer und unhöflicher.

      »Wo ist Ihr Brief?« sagte er. »Geben Sie her! Ich werde ihn dem Kaiser übersenden.«

      Balaschew erwiderte, er habe Befehl, den Brief dem Kaiser selbst zu übergeben.

      »Die Befehle Ihres Kaisers werden in Ihrer Armee ausgeführt«, erwiderte Davoust, »hier aber müssen Sie tun, was man Ihnen sagt.«

      Balaschew zog den Brief aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Davoust ergriff ihn und las die Adresse.

      »Es steht Ihnen frei, mir Achtung zu erweisen oder nicht«, sagte Balaschew, »aber erlauben Sie mir, zu bemerken, daß ich die Ehre habe, Generaladjutant Seiner Majestät zu sein!«

      »Man wird Ihnen erweisen, was Ihnen zukommt«, sagte Davoust, sichtlich befriedigt über die Aufregung Balaschews. Er steckte den Brief in die Tasche und verließ die Scheune. Bald darauf trat ein Adjutant des Marschalls, Herr de Castrie, ein und führte Balaschew in ein für ihn bereitetes Quartier. Balaschew speiste an diesem Tage in der Scheune mit dem Marschall auf einer Tür, welche über zwei Fässer gelegt war. Am anderen Tag fuhr Davoust frühmorgens davon, nachdem er Balaschew zu sich berufen und ihm eindringlich gesagt hatte, er bitte ihn, hierzubleiben und mit der Bagage weiterzurücken, wenn er dazu Auftrag habe, aber mit niemand zu sprechen, außer mit Herrn de Castrie.

      Nach viertägiger Einsamkeit und Langweile im Gefühl der Ohnmacht und Nichtigkeit, das besonders drückend war, nachdem er sich vor kurzem erst in der Sphäre der Macht befunden hatte, wurde Balaschew mit der Bagage nach Wilna geführt, das die Franzosen eingenommen hatten. Am anderen Tage teilte ihm ein Kammerherr mit, Napoleon wünsche ihn in Audienz zu empfangen. Vier Tage zuvor hatten vor dem Hause, in das Balaschew geführt wurde, Schildwachen vom Preobraschenskischen Regiment gestanden. Jetzt standen an derselben Stelle französische Grenadiere und eine glänzende Suite von Adjutanten und Generalen erwartete Napoleons Herauskommen. Sein Reitpferd stand vor der Vortreppe des Hauses bereit neben dem Mameluken Rustan. Napoleon empfing Balaschew in demselben Hause in Wilna, von dem aus Alexander ihn abgesandt hatte.

      137

       Inhaltsverzeichnis

      Obgleich Balaschew an den Luxus des Hoflebens gewöhnt war, setzte ihn doch der Glanz am Hofe Napoleons in Erstaunen. Der Adjutant, Graf Turenne, führte ihn in ein großes Empfangszimmer, wo viele Generale, Kammerherren und polnische Magnaten warteten, von denen Balaschew viele am Hofe des russischen Kaisers gesehen hatte. Nach kurzen Worten trat ein Kammerherr in das Empfangszimmer,

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