Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand Gesammelte Werke bei Null Papier

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blieb der schö­ne, jun­ge Herr, wel­cher ihr Weih­was­ser ge­reicht hat­te, bei dem Weih­kes­sel ste­hen und ließ die jun­gen »Sco­la­ri« eine nach der an­de­ren an sich vor­über­ge­hen. Er be­trach­te­te eine jede mit Auf­merk­sam­keit, und als die schöns­te von ih­nen, die Clo­rin­da, her­bei­kam, teil­te er ihr das ge­weih­te Was­ser mit den Fin­gern mit, um des Ver­gnü­gens wil­len, die ih­ri­gen zu be­rüh­ren. Das jun­ge Mäd­chen wur­de rot vor Stolz und warf im Wei­ter­ge­hen ihm je­nen halb scheu­en halb dreis­ten Blick zu, wel­cher der Aus­druck we­der des Selbst­ver­trau­ens noch der Scham ist.

      Nach­dem sie alle in das In­ne­re des Klos­ters ein­ge­tre­ten wa­ren, wen­de­te sich der ga­lan­te Pa­tri­zi­er wie­der dem Schif­fe zu und re­de­te den Pro­fes­sor an, der in­zwi­schen lang­sa­mer von der Em­po­re her­ab­ge­stie­gen war.

      – Beim Leib des Bac­chus, rief er, lie­ber Meis­ter! ihr müsst mir sa­gen, wel­che von eu­ren Ele­ven das Sal­ve Re­gi­na ge­sun­gen hat.

      – Und wes­we­gen be­gehrt ihr das zu wis­sen, Graf Zus­ti­nia­ni? ent­geg­ne­te der Pro­fes­sor, wäh­rend sie mit­ein­an­der aus der Kir­che tra­ten.

      – Um euch mein Kom­pli­ment zu ma­chen, ant­wor­te­te der Pa­tri­zi­er. Seit lan­ger Zeit ver­fol­ge ich eure Ve­s­per­mu­si­ken, und bis in die Pro­ben so­gar, denn es ist euch be­kannt, wie sehr ich di­let­tan­te der hei­li­gen Mu­sik bin – aber heut zum ers­ten male habe ich ein Stück vom Per­go­le­se mit sol­cher Voll­kom­men­heit sin­gen hö­ren; und die Stim­me an­lan­gend, so ist es wahr­haf­tig die schöns­te, die ich Zeit mei­nes Le­bens ge­hört habe.

      – Glaub’s wohl, beim Christ! ver­setz­te der Pro­fes­sor und nahm mit Be­ha­gen und mit Wür­de eine große Pri­se Ta­bak.

      – Sagt mir also den Na­men die­ses himm­li­schen We­sens, das mich so hoch ent­zückt hat. Wie barsch ihr auch seid, und wie­wohl ihr ewig klagt, so muss man doch ge­ste­hen, dass ihr aus eu­rer Schu­le eine der bes­ten in ganz Ita­li­en ge­macht habt; vor­treff­lich sind eue­re Chö­re und eue­re Soli wirk­lich sehr schätz­bar; je­doch sind die Mu­sik­stücke, wel­che ihr auf­füh­ren las­set, von so großem und stren­gem Stil, dass es den jun­gen Mäd­chen nur sel­ten ge­lingt alle Schön­hei­ten der­sel­ben zur Emp­fin­dung zu brin­gen.

      – Sie brin­gen sie nicht zur Emp­fin­dung, sag­te der Pro­fes­sor trau­rig, weil sie sel­ber nichts da­von emp­fin­den! An fri­schen um­fang­rei­chen und me­tall­rei­chen Stim­men ha­ben wir, Gott sei Dank, kei­nen Man­gel; aber die in­ne­re mu­si­ka­li­sche An­la­ge, hilf Him­mel! wie sel­ten ist die und wie un­zu­läng­lich!

      – We­nigs­tens be­sit­zet ihr doch eine von be­wun­derns­wür­di­gen Ga­ben. Ein herr­li­ches In­stru­ment, voll­kom­me­nes Ge­fühl und be­merk­li­che Schu­le! Sagt mir doch, wer es ist.

      – Nicht wahr, ent­geg­ne­te der Pro­fes­sor, in­dem er die Fra­ge des Gra­fen über­ging, ihr habt eue­re Freu­de dar­an ge­habt?

      – Sie hat mir an’s Herz ge­grif­fen, sie hat mir Trä­nen ent­lockt; und mit so ein­fa­chen Mit­teln, mit so un­ge­such­ten Ef­fek­ten, dass ich bis heu­te kei­ne Ah­nung von der Mög­lich­keit hat­te. Üb­ri­gens habe ich mich der Wor­te er­in­nert, die ihr mir beim Un­ter­rich­te in eue­rer gött­li­chen Kunst so oft wie­der­holt habt, teu­rer Meis­ter! und zum ers­ten male habe ich de­ren Wahr­heit be­grif­fen.

      – Was habe ich euch denn ge­sagt? ver­setz­te der Mae­stro, in­dem sein Ge­sicht glänz­te.

      – Ihr habt ge­sagt, er­wi­der­te der Graf, das Gro­ße, Wah­re und Schö­ne in den Küns­ten ist das Ein­fa­che.

      – Ich sag­te euch aber auch, dass wir das Bril­lan­te, das Ge­wähl­te, das Kun­strei­che ha­ben, Ei­gen­schaf­ten de­nen man un­ter Um­stän­den eben­falls die Ach­tung und den Bei­fall nicht ver­sa­gen kann?

      – Ohne Zwei­fel. Je­doch zwi­schen die­sen un­ter­ge­ord­ne­ten Ei­gen­schaf­ten und den wahr­haf­ten Of­fen­ba­run­gen des Ge­ni­us ist ein Ab­grund, sag­tet ihr. Wohl­an, teu­rer Meis­ter! eue­re Sän­ge­rin steht auf der einen Sei­te, sie ganz al­lein, und alle die an­de­ren ste­hen drü­ben.

      – Wahr, be­merk­te der Pro­fes­sor sich die Hän­de rei­bend, wahr und gut ge­sagt!

      – Sie heißt? nahm wie­der der Graf das Wort.

      – Wer? frag­te bos­haft der Pro­fes­sor.

      – O, per Dio San­to, jene Si­re­ne, oder viel­mehr der Erz­en­gel des­sen Ge­sang ich hör­te.

      – Und was liegt denn an ih­rem Na­men, Herr Graf? sag­te Por­po­ra mit stren­gem Tone.

      – Und warum wollt ihr aus die­sem Na­men ein Ge­heim­nis ma­chen, Herr Pro­fes­sor?

      – Ich wer­de euch sa­gen: warum, so­bald ihr mir ge­sagt ha­ben wer­det, wes­we­gen ihr so hit­zig seid, ihn zu er­fah­ren.

      – Ist es nicht ein sehr na­tür­li­ches und in der Tat un­wi­der­steh­li­ches Ge­fühl, wel­ches uns an­treibt das zu ken­nen, zu nen­nen, zu er­bli­cken, was un­se­re Be­wun­de­rung er­regt?

      – Sehr wohl, das ist aber nicht euer ein­zi­ger Be­weg­grund; er­laubt mir, teue­rer Graf, euch hier­in Lü­gen zu stra­fen. Ich weiß wohl, ihr seid ein großer Mu­sik­freund und ein Ken­ner, aber ihr seid da­ne­ben auch der Ei­gen­tü­mer des Thea­ters San Sa­mu­el. Es ist euer In­ter­es­se und noch mehr der Ruhm, den ihr dar­ein set­zet, die bes­ten Ta­len­te und die schöns­ten Stim­men Ita­li­ens her­an­zu­zie­hen. Ihr wis­set wohl, dass bei uns die gute Schu­le ist, dass nur bei uns die stren­gen Stu­di­en ge­macht und die großen Sän­ge­rin­nen ge­bil­det wer­den. Die Co­ril­la habt ihr uns schon weg­ge­fischt, und da sie euch viel­leicht nächs­tens durch ein an­der­wei­ti­ges En­ga­ge­ment wie­der weg­ge­nom­men wird, so streicht ihr um un­se­re Schu­le her­um und spü­ret, ob wir nicht wie­der so eine Co­ril­la ha­ben, die ihr dann auf dem Sprun­ge steht, uns weg­zu­schnap­pen. Die­ses ist die Wahr­heit, mein Herr Graf! be­ken­nen Sie, dass ich die Wahr­heit ge­sagt habe.

      – Und wenn auch, teu­rer Mae­stro, ent­geg­ne­te der Graf lä­chelnd, was tut das und was für Übles fin­det ihr dar­in?

      – Was für Übe­les? Ei, ein sehr großes, Herr Graf! Ihr ver­führt, ihr ver­derbt die­se ar­men Ge­schöp­fe.

      – Hol­la, wie meint ihr das, tol­ler Pro­fes­sor? Seit wann habt ihr euch denn zum Pa­ter Guar­di­an die­ser brech­li­chen Tu­gen­den ge­macht?

      – Ich mei­ne das, wie es recht ist, Herr Graf, und ich küm­me­re mich nicht um ihre Tu­gend und nicht um ihre Brech­lich­keit: aber ich küm­me­re mich um ihr Ta­lent, das ihr auf eue­ren Thea­tern ver­bil­det und zu Grun­de rich­tet, in­dem ihr sie ge­mei­nes und ge­schmack­lo­ses Zeug sin­gen las­set. Ist es nicht ein Jam­mer und eine Schan­de,

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