Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

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Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson

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es keine allzu schwere Zeit, solange es dauerte, was (wie Ihr gleich hören sollt) nicht lange war. Ich bekam so gut zu essen, wie nur einer von ihnen, und hätte ich nur gewollt, so wäre ich von morgens bis abends betrunken gewesen, wie Herr Shuan. Auch Gesellschaft hatte ich, und zwar gute Gesellschaft. Herr Riach, der das Gymnasium besucht hatte, sprach mit mir, wie zu einem Freund – wenn er nicht brummig war – erzählte mir viele merkwürdige Dinge und auch manche belehrende. Sogar der Kapitän, obwohl er mich meist hübsch in Entfernung hielt, zeigte sich hin und wieder ein bißchen weniger zugeknöpft und erzählte mir von fremden Ländern, die er gesehen hatte.

      Der Schatten des armen Ransome lastete schwer auf allen vieren von uns und auf mir und Herrn Shuan besonders drückend. Auch hatte ich noch einen besonderen Kummer. Hier war ich nun und mußte schmutzige Arbeit leisten für drei Männer, die ich verachtete, und von denen einer wenigstens an den Galgen gehörte; dies war die Gegenwart. Was die Zukunft anbelangte, konnte ich mich nur an der Seite von Negersklaven, in den Tabaksplantagen arbeiten sehen. Herr Riach ließ mich nie wieder, vielleicht aus Vorsicht, ein Wort von meiner Geschichte erwähnen. Der Kapitän, dem ich mich zu nähern versuchte, stieß mich wie einen Hund zurück und wollte kein Wort hören. So sank mein Mut mit jedem Tage, bis ich sogar froh war, meine Arbeit verrichten zu können, nur um nicht nachdenken zu müssen.

      Kapitel IX

       Der Mann mit dem goldenen Gürtel

       Inhaltsverzeichnis

      Mehr als eine Woche verging und das Mißgeschick, das die Covenant auf ihrer Fahrt bisher verfolgt hatte, wurde noch ärger. Einige Tage ging es ein Stückchen vorwärts, an anderen wurden wir tatsächlich zurückgetrieben. Schließlich wurden wir so weit südlich verschlagen, daß wir den ganzen neunten Tag in Sicht von Kap Wrath hin und her geworfen wurden. Darauf folgte eine Beratung der Offiziere und irgend welche Entscheidungen, die ich nicht genau verstand, da ich nur die Ergebnisse sah, daß wir einen widrigen Wind zu einem günstigen machten und südwärts steuerten.

      Am zehnten Nachmittag fiel ein dicker, feuchter, weißer Nebel, daß man von einem Ende des Schiffes nicht bis zum anderen sehen konnte. Den ganzen Nachmittag sah ich, so oft ich über das Deck ging, Männer und Offiziere über das Bollwerk gelehnt, angestrengt horchen – »auf Brecher«, hieß es; und obwohl ich nicht einmal das Wort verstand, fühlte ich Gefahr in der Luft liegen und war aufgeregt.

      Gegen zehn Uhr nachts, ich bediente eben Herrn Riach und den Kapitän beim Nachtmahl, stieß das Schiff mit großem Krach gegen irgend etwas und wir hörten Stimmen rufen. Meine zwei Herren sprangen auf ihre Beine.

      »Aufgefahren!« sagte Herr Riach.

      »Nein, Herr,« sagte der Kapitän, »wir haben nur ein Boot in den Grund gebohrt.«

      Und sie eilten hinaus.

      Der Kapitän hatte recht. Wir waren im Nebel an ein Boot angefahren, hatten es zertrümmert und es war sofort mit der ganzen Mannschaft gesunken, bis auf einen einzigen Mann. Dieser Mann war (wie ich nachträglich hörte) als Passagier am Steuer gesessen, während die übrigen auf ihren Bänken ruderten. Im Augenblick des Zusammenstoßes wurde das Steuer in die Luft geworfen und der Mann, da er die Hände frei hatte, war in die Höhe gesprungen und hatte am Bugspriet des Schiffes festen Halt gefaßt. Dies zeigte, daß er viel Glück hatte, große Geschicklichkeit besaß und über ungewöhnliche Kraft verfügte, sich solcherart aus einer so gräßlichen Lage retten zu können. Doch als der Kapitän ihn in die Offizierskajüte hereinführte und ich sein Antlitz zum erstenmal erblickte, sah er so kühl aus wie ich.

      Er war etwas klein von Gestalt, aber gut gebaut und so flink wie eine Ziege. Sein Gesicht trug einen guten, offenen Ausdruck, war aber sehr sonnverbrannt, blatternarbig und voll Sommersprossen. Seine Augen waren ungewöhnlich hell und tanzten eigenartig wie in einem Wahn, was beängstigend und einnehmend zugleich war. Und als er seinen großen Mantel abnahm, legte er ein Paar schöne, silberbeschlagene Pistolen auf den Tisch und ich sah, daß er mit einem großen Schwert umgürtet war. Er hatte ein vornehmes Benehmen und dankte dem Kapitän in höflichen Worten. Alles zusammen hatte ich den Eindruck, daß ich diesen Mann lieber zum Freund als zum Feind hätte.

      Auch der Kapitän stellte seine Beobachtungen an, aber ihn interessierten die Kleider mehr als der Mann. Und wirklich sah er, sobald er den Mantel abgelegt hatte, nur allzu prächtig aus für die Kajüte eines Handelsschiffes: Er trug einen Federhut, eine rote Weste, Hosen aus schwarzem Sammet und einen blauen Rock mit Silberknöpfen und schönen Silberborten; kostbare Kleider, nur einigermaßen mitgenommen durch den Nebel und dadurch, daß man anscheinend in ihnen geschlafen hatte.

       »Es tut mir leid, Herr, wegen des Bootes«, sagte der Kapitän.

      »Es sind ein paar wackere Leute untergegangen«, sagte der Fremde, »und ich wollte lieber die auf festem Lande wiedersehen als zwanzig Boote.«

      »Freunde von Euch?« sagte Hoseason.

      »In Eurem Lande gibt es solche Freunde nicht«, lautete die Antwort. »Sie wären für mich gestorben wie Hunde.«

      »Gut, Herr,« sagte der Kapitän, ihn immer noch beobachtend, »es gibt mehr Menschen auf der Welt als Boote, sie zu fassen.«

      »Das ist wahr«, rief der andere, »und Ihr scheint ein Mann von durchdringendem Verstand zu sein.«

      »Ich war in Frankreich, Herr«, sagte der Kapitän und es war klar, daß er mit diesen Worten mehr sagen wollte, als es den Anschein hatte.

      »So, Herr,« sagte der andere, »was das anbelangt, das tat gar mancher.«

      »Sicherlich, Herr,« sagte der Kapitän, »und schöne Gewänder.«

      »Oho!« sagte der Fremde, »bläst der Wind von da?« Und er legte schnell die Hand an seine Pistolen.

      »Seid nicht voreilig«, sagte der Kapitän. »Stellt kein Unheil an, so lange Ihr nicht dazu gezwungen seid. Ihr tragt einen französischen Soldatenrock um Eure Schultern und eine schottische Zunge im Kopfe, soviel ist sicher. Aber das ist in diesen Tagen bei manchem ehrlichen Kerl so und ich muß sagen, es sind die schlechtesten nicht.«

      »So?« sagte der Herr im feinen Mantel, »gehört Ihr der anständigen Partei an?« (was heißen sollte, ob er ein Jakobite wäre, denn bei dergleichen Spaltungen nimmt jede Partei den Namen der Anständigkeit für sich in Anspruch). »Ja, Herr,« antwortete der Kapitän, »ich bin ein waschechter, blauer Protestant und danke Gott dafür.« (Es war das erste Wort über Religion, das ich je von ihm gehört habe, aber ich erfuhr nachträglich, daß er an Land ein fleißiger Kirchenbesucher wäre.) »Trotz alledem«, sagte er, »tut es mir leid, wenn ich einen anderen mit dem Rücken gegen die Wand stehen sehe.«

      »So, tut Euch das leid?« fragte der Jakobite. »Nun Herr, um ganz aufrichtig mit Euch zu sein, ich bin einer jener ehrenwerten Herren, die in den Jahren fünfundvierzig und sechsundvierzig ins Elend geraten sind, und (um noch aufrichtiger mit Euch zu sein) wenn ich irgend einem der rotröckigen Edelleute in die Hände gefallen wäre, wäre es mir wahrscheinlich schlecht ergangen. Jetzt, Herr, wollte ich nach Frankreich und ein französisches Schiff kreuzte hier herum, um mich aufzunehmen. Im Nebel ist es wohl an uns vorbeigefahren – wie ich von Herzen wünschte, Ihr hättet es getan! Das beste, was ich Euch sagen kann, ist folgendes: Wenn Ihr mich dort ans Ufer setzen könnt', wohin ich gehen wollte, so habe ich das Nötige bei mir, um Euch für Eure Mühe reichlich zu entschädigen.«

      »Nach Frankreich?« sagte der Kapitän, »nein, Herr,

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