Das Kapital (Alle 3 Bände). Karl Marx
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Die wirklichen, vom ökonomischen Optimismus travestierten Tatsachen sind diese: Die von der Maschinerie verdrängten Arbeiter werden aus der Werkstatt hinaus auf den Arbeitsmarkt geworfen und vermehren dort die Zahl der schon für kapitalistische Ausbeutung disponiblen Arbeitskräfte. Im siebenten Abschnitt wird sich zeigen, daß diese Wirkung der Maschinerie, die uns hier als eine Kompensation für die Arbeiterklasse dargestellt wird, den Arbeiter im Gegenteil als furchtbarste Geißel trifft. Hier nur dies: Die aus einem Industriezweig hinausgeworfnen Arbeiter können allerdings in irgendeinem andern Beschäftigung suchen. Finden sie solche, und knüpft sich damit das Band zwischen ihnen und den mit ihnen freigesetzten Lebensmitteln wieder, so geschieht dies vermittelst eines neuen, zuschüssigen Kapitals, das nach Anlage drängt, keineswegs aber vermittelst des schon früher funktionierenden und jetzt in Maschinerie verwandelten Kapitals. Und selbst dann, wie geringe Aussicht haben sie! Verkrüppelt durch die Teilung der Arbeit, sind diese armen Teufel außerhalb ihres alten Arbeitskreises so wenig wert, daß nur in wenigen niedrigen und daher beständig überfüllten und unterbezahlten Arbeitszweigen Zugang finden. Ferner attrahiert jeder Industriezweig jährlich einen neuen Menschenstrom, der ihm sein Kontingent zum regelmäßigen Ersatz und Wachstum liefert. Sobald die Maschinerie einen Teil der bisher in einem bestimmten Industriezweig beschäftigten Arbeiter freisetzt, wird auch die Ersatzmannschaft neu verteilt und in andern Arbeitszweigen absorbiert, während die ursprünglichen Opfer in der Übergangszeit großenteils verkommen und verkümmern.
Es ist eine unzweifelhafte Tatsache, daß die Maschinerie an sich nicht verantwortlich ist für die "Freisetzung" der Arbeiter von Lebensmitteln. Sie verwohlfeilert und vermehrt das Produkt in dem Zweig, den sie ergreift, und läßt die in andren Industriezweigen produzierte Lebensmittelmasse zunächst unverändert. Nach wie vor ihrer Einführung besitzt die Gesellschaft also gleich viel oder mehr Lebensmittel für die deplacierten Arbeiter, ganz abgesehn von dem enormen Teil des jährlichen Produkts, der von Nichtarbeitern vergeudet wird. Und dies ist die Pointe der ökonomischen Apologetik! Die von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Antagonismen existieren nicht, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung! Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert usw., erklärt der bürgerliche Ökonom einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise haarscharf, daß alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, also auch in der Theorie gar nicht vorhanden sind. Er spart sich so alles weitre Kopfzerbrechen und bürdet seinem Gegner obendrein die Dummheit auf, nicht die kapitalistische Anwendung der Maschinerie zu bekämpfen, sondern die Maschinerie selbst.
Keineswegs leugnet der bürgerliche Ökonom, daß dabei auch zeitweilige Unannehmlichkeiten herauskommen; aber wo gäbe es eine Medaille ohne Kehrseite! Eine andre als die kapitalistische Ausnutzung der Maschinerie ist für ihn unmöglich. Ausbeutung des Arbeiters durch die Maschine ist ihm also identisch mit Ausbeutung der Maschine durch den Arbeiter. Wer also enthüllt, wie es um die kapitalistische Anwendung der Maschinerie in Wirklichkeit bestellt ist, der will ihre Anwendung überhaupt nicht, der ist ein Gegner des sozialen Fortschritts! Ganz das Räsonnement des berühmten Gurgelschneiders Bill Sikes:
"Meine Herren Geschwornen, diesen Handlungsreisenden ist allerdings die Gurgel abgeschnitten worden. Diese Tatsache aber ist nicht meine Schuld, sie ist die Schuld des Messers. Sollen wir wegen solcher zeitweiligen Unannehmlichkeiten den Gebrauch des Messers abschaffen? Bedenken Sie ja! Wo wäre Ackerbau und Handwerk ohne Messer? Ist es nicht ebenso heilbringend in der Chirurgie wie gelehrt in der Anatomie? Dazu williger Gehilfe bei fröhlichem Mahl? Schaffen Sie das Messer ab - Sie schleudern uns zurück in die tiefste Barbarei."
Obwohl die Maschinerie notwendig Arbeiter verdrängt in den Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, so kann sie dennoch eine Zunahme von Beschäftigung in andern Arbeitszweigen hervorrufen. Diese Wirkung hat aber nichts gemein mit der sogenannten Kompensationstheorie. Da jedes Maschinenprodukt, z.B. eine Elle Maschinengeweb, wohlfeiler ist als das von ihm verdrängte gleichartige Handprodukt, folgt als absolutes Gesetz: Bleibt das Gesamtquantum des maschinenmäßig produzierten Artikels gleich dem Gesamtquantum des von ihm ersetzten handwerks- oder manufakturmäßig produzierten Artikels, so vermindert sich die Gesamtsumme der angewandten Arbeit. Die etwa zur Produktion der Arbeitsmittel selbst, der Maschinerie, Kohle usw., erheischte Arbeitszunahme muß kleiner sein als die durch Anwendung der Maschinerie bewirkte Arbeitsabnahme. Das Maschinenprodukt wäre sonst ebenso teuer oder teuer als das Handprodukt. Statt aber gleichzubleiben, wächst tatsächlich die Gesamtmasse des von einer verminderten Arbeiteranzahl produzierten Maschinenartikels weit über die Gesamtmasse des verdrängten Handwerksartikels. Gesetzt, 400.000 Ellen Maschinengeweb würden von weniger Arbeitern produziert als 100.000 Ellen Handgeweb. In dem vervierfachten Produkt steckt viermal mehr Rohmaterial. Die Produktion des Rohmaterials muß also vervierfacht werden. Was aber die verzehrten Arbeitsmittel, wie Baulichkeiten, Kohlen, Maschinen usw. betrifft, so ändert sich die Grenze, innerhalb deren die zu ihrer Produktion erheischte zusätzliche Arbeit wachsen kann, mit der Differenz zwischen der Masse des Maschinenprodukts und der Masse des von derselben Arbeitszahl herstellbaren Handprodukts.
Mit der Ausdehnung des Maschinenbetriebs in einem Industriezweig steigert sich also zunächst die Produktion in den andren Zweigen, die ihm seine Produktionsmittel liefern. Wieweit dadurch die beschäftigte Arbeitermasse wächst, hängt, Länge des Arbeitstags und Intensität der Arbeit gegeben, von der Zusammensetzung der verwandten Kapitale ab, d.h. vom Verhältnis ihrer konstanten und variablen Bestandteile. Dies Verhältnis seinerseits variiert sehr mit dem Umfang, worin die Maschinerie jene Gewerbe selbst schon ergriffen hat oder ergreift. Die Anzahl zu Kohlen- und Metallbergwerken verurteilter Menschen schwoll ungeheuer mit dem Fortschritt des englischen Maschinenwesens, obgleich ihr Anwachs in den letzten Dezennien durch Gebrauch neuer Maschinerie für den Bergbau verlangsamt wird. Eine neue Arbeiterart springt mit der Maschine ins Leben, ihr Produzent. Wir wissen bereits, daß der Maschinenbetrieb sich dieses Produktionszweigs selbst auf stets massenhafterer Stufenleiter bemächtigt. Was ferner das Rohmaterial betrifft , so unterliegt es z.B. keinem Zweifel, daß der Sturmmarsch der Baumwollspinnerei den Baumwollbau der Vereinigten Staaten und mit ihm nicht nur den afrikanischen Sklavenhandel treibhausmäßig förderte, sondern zugleich die Negerzucht zum Hauptgeschäft der sogenannten Grenz-Sklavenstaaten machte. Als 1790 der erste Sklavenzensus in den Vereinigten Staaten aufgenommen ward, betrug ihre Zahl 697.000, dagegen 1861 ungefähr vier Millionen. Andrerseits ist es nicht minder gewiß, daß das Aufblühen der mechanischen Wollfabrik mit der progressiven Verwandlung von Ackerland in Schafweide die massenhafte Verjagung und "Überzähligmachung" der Landarbeiter hervorrief. Irland macht noch in diesem Augenblick den Prozeß durch, seine seit 1845 beinahe